Kirchentags-Liveticker am Samstag

03.05., 20:15 Uhr, Bahnhofsvorplatz
Während des Kirchentags hat das Vesperkichenzelt von Kirchenkreis Hannover, Bahnhofsmission, Asphalt-Magazin und weiteren Partnern Gäste verköstigt - kostenlos und mit Gelegenheit zum Austausch, Kennenlernen und bei Bedarf auch Hilfe finde.
03.05., 20:00 Uhr, Christuskirche
Livestream vom Finale des Rund-um-die-Uhr-Singens
03.05., 19:00 Uhr, Platz der Menschenrechte – BSH
Morgen endet der Kirchentag mit dem Abschlussgottesdienst. Den Staffelstab hat Hannover heute bereits an Düsseldorf weitergereicht, die Kirchentagsstadt 2027: Wir sehen uns in Düsseldorf – aber erstmal morgen noch auf dem Platz der Menschenrechte.
03.05., 18:15 Uhr, Hanns-Lilje-Haus – BL
Möchte ich gerade umarmt werden? Wie fühlen Konfirmandinnen, wenn sie kniend gesegnet werden? Beim Workshop „Grenzen achten – Nähe und Distanz“ im Hanns-Lilje-Haus erlebte ich eine intensive und bewegende Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema. Ivonne Stam, Präventionsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, leitete den Workshop mit großer Klarheit und fröhlicher Empathie. In praktischen Selbsterfahrungsübungen wurde spürbar, wie unterschiedlich Nähe und Distanz wahrgenommen werden. Besonders bewegend war für mich, wie viele Perspektiven und persönliche Erfahrungen im Raum zusammenkamen.
Im gemeinsamen Gespräch wurde deutlich, wie wichtig das offene Reden über Grenzempfinden ist. Wenn ich meine Grenzen nicht wahrnehme, überschreite ich auch die von Anderen. Die Diskussionen waren lebendig und respektvoll – jede Stimme wurde gehört. Für mich wurde einmal mehr klar: Sensibilisierung ist das A und O, wenn es um Schutz und achtsames Miteinander geht.
03.05., 17:45 Uhr, Expo-Dach
Flügel im Kopf
Die Rotenburger Werke bieten eine Wand an, vor der man sich fotografieren lassen kann, um ein Engel zu werden. Zumindest auf dem Bild. Eine schöne Idee für eine schöne Fotografie. Wenn ich mich allerdings im Rollstuhl sitzend davorstelle, kommen die Flügel für das Foto eher aus meinem Kopf. Ich sehe also eher aus wie ein Wikinger als wie ein Engel. Barrierefreiheit geht anders, ist aber auch viel verlangt.
03.05., 17:40 Uhr, Messehalle 16 oder 17 oder ...
Irritierende Beschwerden
Das passiert einem nicht nur auf dem #Kirchentag, aber hier eben auch: In Messehalle 17 heißt es, man solle in Messehalle 16 eine barrierefreie Toilette finden. Die ist dann aber defekt, sodass man wieder in Messerhalle 17 suchen soll. So. Soll ich jetzt lieber mit einer weiblichen Assistentin in die Herrentoilette? Oder als Mann mit Assistentin in eine Damentoilette? Bei beiden Lösungen wird es irritierte Beschwerden geben ...
03.05., 17:30 Uhr, Hauptbahnhof – MV
Irrungen und Wirrungen
Wir schreiben Tag 4, der Kirchentag biegt langsam auf die Zielgerade ein. Unter den Besucherinnen und Besuchern herrscht weiterhin ein Stimmungshoch, während das (kurze) Stimmungstief des Wetters überwunden scheint. Doch wie bei jeder mehrtägigen Großveranstaltung gibt es auch „Verluste“ zu beklagen – wie das Foto zeigt. Angesichts von 1.500 Veranstaltungsangeboten kann man aber auch schon mal die Orientierung verlieren!
03.05., 16:53 Uhr, Markt der Möglichkeiten (Messe) – MV
Du büst wertvull!, sagt Ursel Menzel und schenkt mir eine Walnuss. Auf dem Markt der Möglichkeiten unterwegs halte ich kurz inne und stutze. Ich betrachte das glänzende bräunliche Etwas in meiner Hand, dann richtet sich mein Blick nach oben: „Plattdüütsch in de Kark“ heißt der Stand, sofort denke ich an Nordsee, Meer, Urlaub, Sehnsucht – und eine Sprache, die natürlich einen festen Platz im norddeutschen (Gemeinde-)Leben einnimmt.
Aber wat hett dat mit de Walnööt op sik? Ursel Menzel erklärt: Sie habe rund 600 Walnüsse bei 60 Grad – ohne Waschpulver und Schleudern wohlgemerkt – in der Waschmaschine gereinigt. Das Fruchtfleisch wird ausgelöst und erstmal eingefroren. Nach zwei Tagen Trocknungszeit setzt die seit 1984 ehrenamtlich Aktive dann „een lüttjen Edelsteen“ in die Schalen und klebt diese zu – fertig ist das „Öberraschungs-Ei up Platt“, wie Menzel augenzwinkernd erläutert. „Du bist wertvoll“ wolle sie damit zum Ausdruck bringen, denn jeder Mensch sei einzigartig – wie dat Plattdüütsche!
Ich finde die Idee wunderbar und ziehe obendrein meinen Hut vor allen ehrenamtlich Tätigen wie Ursel Menzel! Herzlichen Dank für viel Einsatz aus Leidenschaft und für die gute Sache!
Ach so, was sich in meiner Frucht verbirgt, fragen Sie sich? Das behalte ich (vorerst) für mich ;-) Bis dahin: Heff Moot – wees stark – wies dien Hart! Und kiek mol wedder in de Kaark!
03.05., 15:55 Uhr, Theater am Aegi – MV
Weil’s so schön war, noch ein Rückblick: „Blutig – arg – verscherzt. Ein musikkabarettistisches Kettensegenmassaker“.
Zuständig für „die Innere Mission der guten Laune“ geben Martin Schultheiß und Fabian Vogt alias Duo Camillo dem Publikum im Theater am Aegi direkt ein Versprechen ab: Du und ich, wir machen uns ’ne gute Zeit!
Seit 35 Jahren fester Bestandteil der „Lifestyle-Demo für Himmelsstürmer“, wie sie den Kirchentag liebevoll nennen, brennt das dynamische Duo wahrlich ein Feuerwerk der guten Laune ab. Die umfassende Klammer: Was braucht Kirche, um attraktiver und zukunftsfähiger zu werden? Doch müssen wir das überhaupt?, fragt Vogt. Schließlich sitze die letzte Generation ja bereits in den Gottesdiensten!
Musikalisch wird es kurz nachdenklich: Tauche tief in deine Seele ein, hole die Schatten ins Licht, bringe sie zum Leuchten! Dann wird der Schalter wieder umgelegt: Von Alltagsgrau auf Kunterbunt! Apropos: Gefällt Gott der schwarze Talar wirklich?
Am Ende ist das Publikum gefordert. Wir sollen Begriffe nennen, eine Musikrichtung wählen und sogar die Tonart festlegen: Cis-Moll, harte Kost! Vogt zuckt mit der Schulter: Ist christlich, sind ja schließlich 4 Kreuze! Und siehe da, aus dem Stegreif entsteht die „Kirchentagszukunftshymne“: Streuselkuchen statt Oblaten, Halbliterkelche beim Abendmahl … und irgendwas mit Zahnfee! Interpretiert im Reggae-Stil, grandios!
Ja, wir hatten eine gute Zeit! Duo Camillo hat sein Versprechen gehalten. Und sie geben direkt das nächste ab: Die Zukunft ist ein Fest – und sie wird gut! Ich nehme sie beim Wort!
03.05., 15:39 Uhr, Convention Center (Messe) – LV
„Superdivers? Konfessionslos? Gespalten?“ – so war eine Podiumsdiskussion zur religiösen Bildung mit Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) überschrieben. Am Anfang standen die nackten Zahlen – und die geben Anlass zur Sorge: Der Anteil der Mitglieder einer christlichen Kirche ist auf unter 50 Prozent gesunken, der Anteil der Konfessionslosen beträgt inzwischen 43 Prozent.
Dennoch stellte Hamburg die Vorzüge der Religionszugehörigkeit und des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen heraus. „Er befördert per se den Dialog.“ Studien belegten zudem eindeutig, dass Religiöse sich stärker engagieren und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen. „Religiöse Bildung gehört deshalb in die Schule“, unterstrich Hamburg.
Auch Eltern anderer oder keiner Konfession schickten ihre Kinder gern in kirchliche Kitas oder in den evangelischen Religionsunterricht, weil ihnen das Wertefundament wichtig sei. Gleichwohl müsse man stärker auf die Vielfalt in den Klassenzimmern Rücksicht nehmen, etwa bei der Terminierung von Klassenarbeiten oder Schulfesten. „Das Kultusministerium schickt inzwischen eine Liste mit den Feiertagen aller Religionsgemeinschaften an die Schulen“, berichtete Hamburg. Sie sei sehr gerührt gewesen, dass diese kleine Maßnahme bei den entsprechenden Verbänden auf so viel Dankbarkeit gestoßen ist.
Professor Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Interreligiösen Dialog der Landeskirche Hannovers, moderierte das Gespräch mit dem Publikum und den weiteren Podiumsgästen: Lehramtsstudent Lars M. Wichmann, Gülistan Ibrahim vom Landesverband der Eziden und Emilia Handke, Direktorin des Predigerseminars der Nordkirche. Das Trio „Stilbruch“ aus Leipzig brachte das Publikum in den Gesprächspausen gekonnt in Bewegung.
03.05., 15:09 Uhr, Kirchentagsstadt Hannover – MN
Noch etwas, das man auf dem Kirchentag lernt: Für manche Aktionen ist man – obwohl vermeintlich früh anwesend – leider zu spät. Musste ich immer wieder feststellen. So kann ich unter anderem heute auch leider nicht mehr an der Aktion „Pilgerweg Hannover City“ des Netzwerks Pilgern teilnehmen. Einerseits sehr schade, denn heute ist ja das Wetter sehr schön und gleichzeitig nicht mehr so heiß, perfekte Bedingungen also. Andererseits: Glücklicherweise wohne ich hier und die Tour läuft mir nicht weg. So gibt’s zumindest ein paar Dinge, die einem über den Kirchentag hinaus bleiben. Und vermutlich ist’s dann auch nicht mehr ganz so voll in den Öffis.
03.05., 15:02 Uhr, Künstlerhaus – MN
Wie wäre es wohl, mit Jesus heute in einer WG zu wohnen und gemeinsam die Höhen und Tiefen des Alltags zu durchleben? Vermutlich sowohl witzig als auch ergreifend, zumindest passiert es so in der Buchreihe von Jonas Goebel. In der neusten Ausgabe „Jesus, der Hund muss raus“ ist zu der WG aus Jonas, Freundin Trixi, Jesus und Martin (aka Martin Luther) auch noch der Hund James hinzugekommen. Was einmal als eine mehr oder weniger spontane „Hilfe, ich weiß nicht mehr, worüber ich predigen soll“-Aktion des Pastors aus Hamburg entstanden ist, kann man heute in den drei Büchern „Jesus, die Milch ist alle“, „Jesus, nimm die Füße runter“ (wo es auch ein Kapitel mit Jesus und Martin auf dem Kirchentag gibt) und eben „Jesus, der Hund muss raus“ lesen.
Ich mag die Idee, aus Jesus keine abgehobene Figur, mit der man sich gar nicht identifizieren kann, zu machen, sondern einen ganz normalen Menschen. Und während ich über die humorvolle Geschichte von Jesus, der sich mit betrunkenen Jugendlichen unterhält und sie einlädt, seine „Follower“ zu werden, lachen kann, so berührt mich umso mehr die Geschichte der Fehlgeburt. Hier sagt Jesus gar nichts, sondern hält die Stille mit Jonas und Trixie aus.
Die Bücher kommen definitiv auf meinen „to read“-Stapel.
03.05., 15:00 Uhr, Börse Hannover - BSH
Der Kirchentag ist auch immer ein internationales Vernetzungstreffen. Auf Einladung der Landeskirche Hannovers trafen sich in der Börse Gäste aus dem In- und vor allem auch aus dem Ausland zu Begegnung und Austausch. Landesbischof Meister hob in seiner Begrüßung hervor, wie entscheidend gerade jetzt die hoffnungstiftende Funktion der Kirchen sei.
03.05., 14:25 Uhr, Markuskirche – FG
Operngottesdienst in der Markuskirche. Zwei Solisten von der Staatsoper Hannover, Bassbariton Marcell Bakonyi und Tenor Christopher Sokolowski sangen Arien aus der Oper „The Greek Passion“, die aktuell im Opernhaus Hannover zu sehen ist.
Kantor Martin Ditterle übte mit dem Publikum einen Kyrie-Gesang aus dem ersten Akt ein. Um die Zungen zu lockern, gab es Weißwein am Platz. So wurden die 400 Besuchenden zum wohl größten Opernchor der Stadt. Eine gelungene Uraufführung des ersten Operngottesdienstes in Hannover.
03.05., 14:02 Uhr, Hanns-Lilje-Haus – BL
Heute morgen fand im Hanns-Lilje-Haus ein besonderer Workshop statt: Unter dem Titel „Polyamorie und Nichtmonogamie“ kamen rund 20 Menschen zu einem intensiven Austausch zusammen. Eingeladen hatten das *Netzwerk Polyamore Menschen und Kirche/NepoMuk e.V.. Das große Interesse, der persönliche Austausch und die sensible Moderation machten den Workshop für mich zu einem bewegenden Erlebnis.
Im geschützten Raum konnten Erfahrungen, Fragen und Unsicherheiten geteilt werden: Was ist Beziehung für mich? Was verstehe ich unter Treue? Wie lassen sich Liebe, Verbindlichkeit und Freiheit miteinander verbinden? Dabei zeigte sich: Beziehungsklärung ist zentral – egal ob in monogamen oder polyamoren Konstellationen.
Ein wichtiger Schwerpunkt war die Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wie polyamore Lebensformen in kirchliche Kontexte passen. Widerspricht Polyamorie dem klassischen Eheverständnis? Wie kann Kirche ein Ort sein, an dem Beziehungsvielfalt gelebt werden darf? Für viele war es ein bedeutsamer Moment, mit ihrer Beziehungsform in einem kirchlichen Raum willkommen zu sein.
Mein Resumee: Wie gut, dass diese Thematik auch auf dem Kirchentag seinen Platz bekommen hat – auch Kirche kann Beziehung neu denken – offen, ehrlich und vielfältig.
03.05., 12:21 Uhr, Gartenkirche – LV
Bibelarbeit in der Gartenkirche. Es geht um die Frauen, die Jesus nach dessen Tod die letzte Ehre erweisen wollen und das Grab leer vorfinden. Es geht um „Mut zum Aufbruch“. Ohne den Mut dieser Frauen, trotz ihrer Angst das Erlebte weiterzuerzählen, hätte die Geschichte mit Jesus an dieser Stelle zu Ende sein können.
Vergleichsweise kurz legen Dr. Ralph Charbonnier, Vizepräsident des Landeskirchenamts Hannover, und Michel Youssif, Pastor der Arabisch-deutschen Ev. Gemeinde Hannover, den Bibeltext aus. Kurze Murmelrunde, Musik. Nun könnte es in die Feinheiten der theologischen Deutung gehen, ein Blick in die Historie, ein Forschen zwischen den Zeilen. Stattdessen holen sie Kamal Bakr auf die Bühne – ein Kurde aus Syrien – und zeigen einen eindrücklichen Film, wie er sich am Ostermontag von Michel Youssif taufen lässt.
Kamal Bakr hat „Mut zum Aufbruch“ bewiesen. Nicht nur, dass er es auf abenteuerlichem Weg nach Deutschland geschafft hat, er berichtet auch von seiner Suche nach Erfüllung, die er in der christlichen Gemeinschaft findet. „Damals wurde mir Angst vor Gott gelehrt“, sagt Kamal Bakr. „Seit meiner Taufe weiß ich, wenn ich jetzt sterbe, gehe ich zu ihm. Ich habe Frieden bei Gott gefunden, mein Leben hat sich total verändert.“
Mehr gibt es nicht zu sagen.
03.05., 13 Uhr, Messehalle 6
Verantwortungsdiffusion als Kulturtechnik
"Nach der ForuM-Studie – Was ist bei Betroffenen angekommen?" Unter diesem Titel stand am Sonnabend die Live-Aufzeichnung der neuen Podcastfolge von "Vertuschung beenden". Die Podcast-Hosts Jakob Feisthauer und Katharina Kracht hatten dazu Prof. Dr. Martin Wazlawik, Projektleiter Teilprojekt A der ForuM-Studie, eingeladen.
Sowohl Feisthauer als auch Kracht schilderten zunächst ihre eigenen Gewalt- bzw. Anbahnungserfahrungen im Kontext mit früheren Kirchentags-Besuchen. Es folgte ein Rückblick auf die Diskussionen über das Studiendesign und den Umgang mit Personalakten.
Wazlawik versuchte in dem knapp einstündigen Gespräch die komplexe und vielschichtige Auslangslage im Umgang mit 20 Kirchen und ihren jeweils unterschiedlichen Systematiken in der Dokumentation zu erläutern. "Wissenschaft produziert Wissen. Die Frage ist, was machen wir damit?" In den Empfehlungen im Schlussteil der im Februar 2024 veröffentlichten Studie habe der unabhängige Forschungsverbund "handwerkliche Empfehlungen" formuliert beispielsweise für eine "gute Intervention" oder "best practice"-Beispiele für Prävention. Vor allem aber beschäftige ihn die Frage, wie man das Thema der sexualisierten Gewalt auf allen kirchlichen Ebenen präsent machen könne und wie der natürliche Abwehrimpuls beispielsweise in den Gemeinden überwunden werden könne.
Auf die Frage der Podcast-Hosts, wie der Wissenschaftler die Auseinandersetzung der eigenen Deutungsmacht der Kirchen wahrnehme, beschrieb Wazlawik ambivalente Beobachtungen. "Ich habe sehr ambitionierte Aufarbeitung in Kirchenkreisen gesehen. Sobald aber betroffene Personen anfingen sperrig zu werden, stockte es." Zu einer möglichen Beteiligung von betroffenen Personen betonte Wazlawik die enorm große Bandbreite sehr unterschiedlicher Bedürfnisse. Es müsse ganz unterschiedliche Formate geben, die allerdings keinesfalls priorisiert werden dürften. "Wichtig ist: Wie gehe ich mit Machtabgabe um."
Zur Frage, was spezifisch für Missbrauch innerhalb der evangelischen Kirche sei, wies Wazlawik insbesondere auf die hier typische Diffusion und Verlagerung von Verantwortung hin und bezeichnete dies als regelrechte Kulturtechnik innerhalb der evangelischen Kirche. Hinzu komme die Tendenz, sich im Zweifel für die bessere Kirche zu halten. Auch die schnelle Bitte an Betroffene um Vergebung sei keine gute Konfliktkultur. An das Publikum richtete Wazlawik einen Appell: "Betroffene Personen haben sich lange nicht getraut sich zu äußern aus Angst, durch Exponierung ihre Gemeinde zu verlieren." Genau dies müsse sich ändern. "Niemand verliert etwas, , wenn er das Thema in die Gemeinde trägt. Aufarbeitung ist die Gleichzeitigkeit von positivem Erleben im kirchlichen Leben und zugleich belastender biografischer Erfahrung. Das ist der größte Aspekt der Aufarbeitung." Großer Applaus dafür als Schlusspunkt.
03.05., 12:14 Uhr, Messe – MH
„It’s all about the money money money...“ – Töne des bekannten Popsongs, Füße wippen im Trakt und es wird leise mitgesungen. Eine musikalische Einstimmung ganz in Kirchentagsmanier – funktioniert auch bei komplexen Themen wie der Zukunft des Finanzsystems.
In diesem Jahr ist der Erdüberlastungstag schon am 3. Mai. Wir leben also ab Samstag über die Belastungsgrenzen unseres Planeten. Auch wenn es nicht immer sichtbar ist: Umbrüche stehen uns in vielen Bereichen bevor, auch um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Für diese brauchen wir Geld – Kredite und Investitionen. Schnell wird klar: Neben der Politik und den Konsument*innen, nehmen die Banken eine wichtige Rolle ein. Ein Umbau mit Weitsicht, angestoßen durch die EU, kann einen wichtigen Beitrag leisten.
Die komplexe Ausgangslage konnte Silke Stremlau so gut in knapp 20 Minuten zusammenfassen, dass man auch ohne Vorwissen im Bankenwesen bestens folgen konnte. So konnte die folgende Diskussion auf eine gute Basis aufbauen.
Im Gespräch wird klar, dass die Transformation der Finanzbranche begonnen hat, aber noch einige Schritte zu gehen sind. Der finanzielle Umbau ist eine Mehrgenerationsaufgabe – das „größte Projekt seit dem Zweiten Weltkrieg“. Die positive Nachricht: Es ist machbar! Investitionen von öffentlicher und privater Hand müssen zusammen gedacht werden. Es gibt in Deutschland ausreichend Kapital für nachhaltige Zwecke – es muss nur an den richtigen Stellen investiert werden.
Diese Kernbotschaft fasst die Stimmung der Diskussion gut zusammen. Umsetzungspläne wurden kritisch diskutiert und dennoch wurde immer wieder betont, dass bereits viel passiert. Die Hoffnung auf eine gute Zukunft überwog – und hat mich positiv aus der Veranstaltung entlassen.
03.05., 12:00 Uhr, Georgsplatz – MW
Ich nehme heute an einer von engagierten Christen und Christinnen organisierten Aktion „Nein und Amen“ in Reaktion auf den nationalen Welterschöpfungstag teil. Für das Jahr 2025 wurde er für den 3. Mai errechnet. Die als Protestprozession gestaltete Demonstration startete um 10.30 Uhr am Georgsplatz und endete an der Ruine der Aegidienkirche. Wir sangen gemeinsam Lieder und sprachen Gebete, die unsere Sorge um die Schöpfung zum Ausdruck brachten. Jemand hatte eine große Gaiafigur mitgebracht, die die Schöpfung verkörpert und uns an unsere Verantwortung als Christen und Christinnen erinnert.
Pastorin Andrea Rückert ist aus Bayern angereist, weil sie überzeugt ist, dass unser Glaube uns zum Handeln aufruft: „In der Kirche wird viel von der weltweiten Gemeinschaft der Christ*innen gesprochen“, meinte sie, „wenn Kirche sich nicht unglaubwürdig machen will, dann müssen wir solidarisch an der Seite der Menschen stehen, die schon heute unter den Auswirkungen der Klimakatastrophe am meisten leiden, also vor allem an der Seite der Menschen im Globalen Süden.“
Kirchenmusikerin und Klimaaktivistin Sonja Manderbach warnte eindringlich: „Versiegelung und Fossilindustrie zerstören massiv Lebensräume und Lebensgrundlagen. Als Kirchenmenschen schlagen wir deshalb Alarm – Seite an Seite mit allen Bewegungen, die sich für Klimagerechtigkeit, sozial-ökologische Transformation, öko-faire Lebensweise und Demokratie einsetzen.“ Und sie fragte, ob Jesus heute Klimaaktivist gewesen wäre.
Ruben Zimmermann, Professor an der Ev.-theol. Fakultät Mainz ist davon überzeugt. Ihn fasziniert, wie Jesus gewaltfrei gegen die Mächtigen seiner Zeit protestiert hat, dass sein Eintreten für ein gerechtes Leben nicht tot zu kriegen war, was ihn ermutigt und stärkt, ihm nachzufolgen. Als Neutestamentler begründet Zimmermann dies auch theologisch und wird heute um 14 Uhr auf dem Podium „Ungehorsam für das Klima“ auf dem Messegelände teilnehmen.
03.05., 11:55 Uhr, Aegidienkirche – MK
Mitten auf dem Platz vor dem Alten Rathaus, im Herzen der Stadt, fand am Samstagmorgen eine Bibelarbeit mit Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr und dem katholischen Bischof Dr. Heiner Wilmer aus Hildesheim statt. Trotz Baustellenflair und eingerüsteter Kirche wurde dieser Ort zu einem Raum für Fragen, Zweifel – und Hoffnung.
Inmitten der rund 200 Gäste erinnerte Bischof Wilmer an das Osterzeugnis der Frauen am Grab und sprach über die Kraft, die aus dem Zerbrochenen wächst: „Es gibt einen Riss in allem – so kommt das Licht herein. Vielleicht ist das das tiefste Bild für Ostern. Nicht das makellose Grab. Nicht das lückenlose Leben. Sondern der Riss. Die Ruine.“
Im zweiten Teil führte Regionalbischöfin Bahr die Bibelarbeit fort. Trotz Straßenverkehr und Baustellenatmosphäre mit Blick auf die eingerüstete Martkkirche sprach sie über die Frauen, die die Osterbotschaft zuerst hörten – voller Furcht, aber auch mit Hoffnung in den Sprunggelenken, denn das Wort „Hoffnung kommt von hüpfen“. Zugleich rief sie dazu auf, sich gegenseitig Mut zu machen – mit kleinen Kräften, die sich in der Gemeinschaft vervielfachen: „Wir sind ja nicht alleine. Wir sind schon drei. Das ist der Übergang zu Vielen.“
03.05., 11:50 Uhr, Cavallo Königliche Reithalle – MW
Kirchentag ist auch ein bisschen Familienfest, oder? Also hatte ich mein 16-jähriges Patenkind nach Hannover eingeladen mit den Worten „Such dir etwas Schönes aus dem Kirchentagsprogramm aus“.
Nun ja, dann stand ich gestern Abend mit ihm in der hannoverschen „königlichen Reithalle – Cavallo“ und Sanity ritt uns mit härtestem Metal „gepaart mit den finstersten und entsetzlichsten Texten, die man in der Bibel finden kann“, Richtung Apokalypse: Gott wird diese Welt restlos auslöschen…
…aber wir wissen, es besteht Hoffnung, das Böse wird besiegt, aus dem Chaos ensteht die neue Welt Gottes.
03.05., 11.43 Uhr, Halle 15 (Messe) – FG
Ein Mann und seine Gitarre – Fritz Baltruweit füllt bei einem seiner letzten Kirchentagskonzerte am Freitag wie gewohnt die Halle. Der Liedermacher präsentiert eine Mischung aus klassischen wie neuen Kirchenlieder, Schlagern und Evergreens zum Mitsingen. Zwischendrin der Kanon „Viel Glück und viel Segen“ für alle Geburtstagskinder. Mehr als 2.500 Stimmen vereinen sich so zum größten Chor auf dem Messegelände. Draußen wollen noch mehr mitsingen, aber die Halle ist schon längst überfüllt.
03.05., 10.15 Uhr, Halle 2 (Messe) – MN
Als Mariann Budde die Bühne betritt, bricht die Halle in tosenden Applaus aus. Mit einem bescheidenen Lächeln nimmt sie Platz. Musikerin Henrieke Kuhn nimmt das Publikum beim Singen des Lieds „Gott schenkt mir Mut“ an die Hand. Hinterher scheint Marianne Budde das auch gefühlt zu haben und beginnt sichtlich berührt ihre Bibelarbeit. „You are all such great singers!“, ruft sie nach dem Eingangslied aus und bedauert gleichzeitig, dass sie selbst leider kein Deutsch spricht. Ihre Ausstrahlung ist einzigartig. Alle lauschen gebannt ihrer Auslegung zum heutigen Bibeltext.
Mariann Edgar Budde spricht so, wie man sie dereinst bei ihrer Ansprache gegenüber Trump gehört hat: Ruhig und bedacht, aber fest und bestimmt. Ich habe das Gefühl, dass die ganze Halle in ihren Bann gezogen ist. Der Text wird bedarfsweise auch übersetzt, aber ich kann ihrer ruhigen Aussprache und ihren Gedanken zu den Frauen am Grab gut folgen. Immer wieder lädt sie uns dazu ein, bestimmte Fragen, die sich aus der Bibelstelle ergeben, auch an uns selbst zu richten:
Was beginnt, wenn unsere Macht endet? Wann hast du in dir das Gefühl gespürt, aufbrechen zu müssen, wenn es um dich herum dunkel war? („When was the last time you were called towards the light?“)
Laut Mariann Budde waren die Frauen nicht vom Mut des Tatendrangs erfüllt und wollten gewiss kein politisches Statement setzen. Wenn es für uns auch im Nachhinein scheint, dass es ein Akt des Muts war, ist dies in diesem Moment vielleicht gar nicht der Fall. Die Frauen fühlten sich gewiss unsicher und hatten Angst, aber sie haben sich auf den Weg gemacht.
Auch in unserem Leben fühlt es sich so an, als wäre es wichtig, jetzt in diesem Moment „zu gehen“. Zu etwas oder jemandem, nicht um etwas Bestimmtes zu bezwecken. Es ist nicht klar, ob es aus einem Anflug von Mut entsteht. Es fühlt sich an wie ein Ruf: Der Aufruf zu gehen. Marianne Budde geht auf das in der Bibelstelle erwähnte Erdbeben ein (engl. „earthquake“) und benutzt das Kunstwort „lifequake“ (Lebensbeben) dafür, dass manchmal etwas unser Leben besonders erschüttern und aufwühlen kann.
Die Frauen am Grab werden vom Engel mit einer Informationsflut geradezu überschüttet! Eindrücke, die man gar nicht alle sortieren und aufnehmen kann. Diese Stimmung scheint mir auch sehr passend für diese intensive Stunde. Die letzten Tage war die Wärme wirklich extrem, jetzt habe ich permanent eine Gänsehaut! Ich fühle mich absolut bewegt von dieser Auslegung.
Niemals habe sie eine Bibelarbeit für so viele Menschen gehalten, sagte die Bischöfin zu Beginn. Und als am Ende das Lied „Sei stark und mutig“ oder „Now be encouraged“ auch auf Englisch gesungen wird, fühle ich diesem Lebensbeben noch eine Weile nach.
03.05., 11:30 Uhr, Innenstadt – BSH
Das Musical Barfuß in die Zukunft musste gestern Nachmittag auf der großen Bühne am Opernplatz wegen des Unwetters kurz vor dem Ende abgebrochen werden. Besonders für die Kinderchöre, die noch zwei Lieder singen sollten, war das ziemlich traurig. SIe ließen sich aber nicht entmutigen – ganz im Sinn des Musicals: Als der Regen vorüber war, fragten die Kinder spontan bei einer Bühne in der Nähe, ob sie dort nicht die letzten Songs singen dürften? Durften sie und bekamen großen Applaus!
03.05., 11:15 Uhr, ZAG-Arena – NEA
Nein, wahrscheinlich waren die meisten beim Konzert von Billie Eilish gestern Abend nicht vorher auf dem Kirchentag. Und wahrscheinlich könnten nur die Wenigsten mit der Losung spontan etwas anfangen. Aber manchmal gibt es eben doch einfache Antworten auf komplexe Dinge: Diese Tausende in der ZAG-Arena sind sich einig darin, dass ein Miteinander schöner ist als ein Gegeneinander. Dass die Freundlichkeit dieser eher kleinen Frau auf der Bühne cooler ist als ein dumpfes Zutreten auf jemanden, der am Boden liegt. Insofern sind Billie Eilish und der Kirchentag an diesem Abend einander genauso nah wie die wenigen hundert Meter zwischen der Konzerthalle und den Messehallen auf der anderen Seite der Straße. Schön so.
03.05., 10:05, Messegelände, Innenstadt, Platz der Menschenrechte – BSH
Wir schauen in Bildern nochmal zurück auf gestern: Impressionen vom Konzert mit Gentleman, Impressionen aus dem Vesperzelt, vom Markt der Möglichkeiten (unter anderem mit Landesbischof Meister) – und Alt-Bundespräsident Wulff war auch zu Gast.
03.05., 10:00 Uhr, Innenstadt von Hannover – CARLA
Gastautorin Carla hat einen speziellen Blick auf den Kirchentag – und einen Trend entdeckt:
03.05., 00:00 Uhr, Petrikirche – LV
Eine Jugendgruppe macht sich auf den Weg zu einer Veranstaltung und … die ist überfüllt. So erging es auch einer Gruppe der Evangelischen Jugend Nienburg, die Lust auf den ABBA-Gottesdienst mit Feierabendmahl in der Petrikirche hatte. Was tun?
„Also, wir haben unsere Diakonin vorgewarnt, dass, wenn wir nicht reinkommen, einfach selbst einen machen“, sagt eine 14-jährige Teilnehmerin. „Wir haben sogar eine Pastorin aus Bayern gefunden und ein paar Oblaten geschnorrt.“ Ende vom Lied: In der Kirche feierten 300 Menschen Abendmahl – und draußen noch einmal knapp 200.
03.05., 00:00 Uhr, Kanzlei des Landesbischofs – LV
Ein Feierabendmahl im Garten von Landesbischof Ralf Meister – das wollten sich 400 Menschen nicht entgehen lassen. Den stimmungsvollen Gottesdienst gestalteten die Mitarbeitenden der Bischofskanzlei gemeinsam, Fritz Baltruweit übernahm die musikalische Begleitung.
Der Landesbischof und sein Team erzählten persönliche Erlebnisse vom Kirchentag: von unerwarteten Begegnungen, von nachdenklichen Momenten. Am Ende teilten alle Brot und Wein – und trotz des unerwartet hohen Zuspruchs blieben noch einige Körbe über.