„Musik verbindet Menschen – jenseits von Alter, Herkunft oder kirchlicher Bindung“

Eine als Mann lesbare Person steht hinter einem Flügel und dirigiert einen Chor.
Bild: Jens Schulze

Der Kirchentag in Hannover hat wieder gezeigt, wie vielfältig die Kirchenmusik ist. Auf der Tagesordnung der Landessynode steht der Beschluss eines Kirchenmusikgesetzes. Landeskirchenmusikdirektor Benjamin Dippel erklärt im Interview, wie das Gesetz dabei helfen kann, attraktive Rahmenbedingungen für Kirchenmusik zu schaffen.

Herr Dippel, die Landessynode stimmt am Samstag über das neue Kirchenmusikgesetz ab. Was ist aus Ihrer Sicht die größte Errungenschaft?

Benjamin Dippel: Die größte Errungenschaft ist, dass wir nun ein klares, verbindliches Gesetz haben, das die Kirchenmusik als Verkündigungsberuf rechtlich stärkt. Es bündelt erstmals alle bisherigen Regelungen, sichert verlässliche Strukturen für Haupt-, Neben- und Ehrenamt und eröffnet gleichzeitig Perspektiven für die Zukunft – etwa durch die Möglichkeit zum Quereinstieg oder die Förderung neuer kirchenmusikalischer Profile. Kirchenmusik ist zentraler Bestandteil des kirchlichen Lebens und kulturelle Kraft unserer Gesellschaft.

Gab es seit der letzten Synode noch Diskussionen oder Änderungen bei einzelnen Punkten?

Dippel: Nein, wenn dann waren nur minimale Änderungen nötig. Der Entwurf ist über Monate hinweg gemeinsam erarbeitet und intensiv abgestimmt worden. Die breite Beteiligung – auch durch Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis und Synode – hat dazu beigetragen, dass der Gesetzentwurf fachlich und inhaltlich bereits im Vorfeld positiv aufgenommen wurde.

„Gerade jetzt braucht es Mut zur Investition in Ausbildung und Nachwuchsförderung.“
Benjamin Dippel

Das Gesetz reagiert auch auf den befürchteten Rückgang hauptamtlicher Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker. Wie dramatisch wird es?

Dippel: Die Lage ist ernst. Bis 2035 wird etwa ein Drittel der heutigen hauptberuflichen Kantorinnen und Kantoren in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig fehlt es vielerorts an Nachwuchs – auch im Bereich der nebenberuflichen und ehrenamtlichen Musikarbeit. Das neue Gesetz setzt hier an, indem es eine gute Gestaltungsgrundlage für attraktive und planbare Arbeitsbedingungen schafft und so die Voraussetzungen verbessert, Menschen langfristig für diesen Beruf zu gewinnen. Gerade jetzt braucht es Mut zur Investition in Ausbildung und Nachwuchsförderung. Die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in unserer Landeskirche engagieren sich bereits vielfältig. Diese Initiativen sollen nun genreübergreifend und zentraler koordiniert werden, damit sie noch besser nachhaltig wirken. Nur wenn wir heute die Möglichkeiten schaffen junge Menschen gezielt zu fördern und zu begleiten, entsteht der Nachwuchs, der morgen Kirchenmusik studieren will – und kann.

Der Kirchentag ist gerade zu Ende gegangen – unter anderem mit dem sehr erfolgreichen Rund-um-die-Uhr-Singen. Welche Erkenntnisse haben Sie für die Zukunft der Kirchenmusik gewonnen?

Dippel: Das 74-stündige Singen war eine bewegende Erfahrung – über 15.000 Menschen haben daran teilgenommen. Es hat eindrucksvoll gezeigt, wie Musik Menschen verbindet – jenseits von Alter, Herkunft oder kirchlicher Bindung. Kirchenmusik wirkt – spirituell, emotional, gemeinschaftlich. Für die Zukunft heißt das: Wir müssen genau solche offenen, „niveau-flexiblen“ Formate fördern, die Teilhabe ermöglichen und die Vielfalt musikalischer Ausdrucksformen in Kirche sichtbar machen.

Lothar Veit/EMA