Segensnetzwerk – Kasualagenturen als neuer Weg in die Zukunft?

Ringe liegen draußen auf einem Stein
Ein Mann mit Glatze und Brille in beigem Sakko und hellblauem Hemd steht vor einem schwarzen Hintergrund.
Dr. Nikolas Keitel ist Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Marien Hainholz.

Kasualien haben Konjunktur. Nicht grundlos finden sich daher EKD-weit immer mehr Kasualagenturen. „Menschen haben eine ungebrochene Sehnsucht danach, bei Lebensübergängen begleitet zu werden, auch wenn sie keine enge Bindung zur Kirche  haben“, erklärt Pastor Dr. Nikolas Keitel. Er engagiert sich wie auch Kreiskantor Benjamin Dippel und Diakonin Anna Clausnitzer im Zukunftsprozess, dem sog. „Welle-Prozess“.

Das „Segensnetzwerk“ versteht sich als Vermittlungsstelle zwischen Potentialen der Kirchengemeinden und den Wünschen der Menschen, die nach Kasualien fragen. „Wir müssen offen für Kasualanliegen mit Segenswunsch sein und zeigen, dass wir uns mit den Wünschen auseinandersetzen.“, so Dippel. Denn Wünsche gibt es viele. Das kann der Segen zu einem bestimmten Anlass wie die Einschulung sein oder aber Themen-Events wie eine Harry-Potter-Hochzeit.

Ein Mann mit Glatze und Brille in beigem Sakko und hellblauem Hemd steht vor einem schwarzen Hintergrund.
Dr. Nikolas Keitel ist Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Marien Hainholz.
Eine junge Frau mit weißer Jacke und langen Haaren steht vor einem Altar mit goldenem Kreuz.
Anna Clausnitzer ist Diakonin im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld.

Neben den klassischen Kasualien haben auch neue Segenshandlungen hohes Potential. „Die Menschen suchen nach Begleitung. Oft wissen sie aber nicht, was Kirche alles an Lebensphasen begleiten könnte. Wenn wir etwa an Muttertag spontan in der Fußgängerzone auftauchen und Sekt und Segen verteilen oder auch an anderen Orten präsent sind, dann nehmen Menschen das Angebot gerne an“, erklärt Keitel. 

Neue Formen von Segenshandlungen sieht auch Clausnitzer als Chance, die als Diakonin für die klassischen Kasualhandlungen eine Zusatzausbildung bräuchte. „Einen Segen kann quasi jeder weitergeben und darin sehe ich meine Rolle – dort aktiv zu werden, wo Segen außerhalb der klassischen Kasualien auch noch gebraucht wird. Denn auch danach fragen die Menschen.“ 

Eine junge Frau mit weißer Jacke und langen Haaren steht vor einem Altar mit goldenem Kreuz.
Anna Clausnitzer ist Diakonin im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld.

Kasualien sind aber nicht nur „Wortbetreuung“, betont Dippel. „Musik hat noch einmal einen ganz anderen Anknüpfungspunkt als nur das reine Wort. Das spricht dann wieder andere Gruppen von Menschen an.“

„Nicht gleich Nein sagen“

Ein junger Mann mit kurzen Haaren sitzt an einer Orgel und blickt über seine Schulter nach oben in die Kamera.
Benjamin Dippel ist Kreiskantor im Kirchenkreis Leine-Solling.

Segen an neuen Orten und in neuen Kontexten begeistert die Menschen. Der Bedarf ist also da, obwohl die Kirchenverbundenheit schwach ist. Aber gibt Kirche sich auf, wenn Segensvermittlung zum Wunschkonzert wird? 
Dippel vereint das. „Wir müssen davon weg, sofort Nein zu sagen, wenn es mal außergewöhnliche Wünsche gibt. Das kann nicht der Anspruch von uns als Kirche sein, die für Menschen da ist. Wichtig ist ein kritischer und offener Dialog.“

Auch Clausnitzer sieht die Rolle der Kirche pragmatisch. „Kirche ist auch Dienstleister und daran sehe ich nichts Negatives. Das war sie schon immer. Früher kamen die Menschen und jetzt müssen wir halt zu den Menschen gehen und ihnen unsere Dienste anbieten.“

Kritik an den Agenturen bleibt nicht aus. Denn die Sorge vor Konkurrenz ist da. Keitel sieht das anders. „Es ist kein Angriff auf die Parochie. Denn die Kasualagentur will ja nichts wegnehmen. Zum einen ist die Zielgruppe der Agenturen eine andere. Zum anderen vermitteln sie auch an die Gemeinde vor Ort.“ Denn vor Ort sind Haupt- und Ehrenamtliche, die viele Potential mitbringen. „Es müssen nicht alle mitmachen, aber wenigstens eine gewisse Offenheit sollten alle haben“, so Dippel.

Ein junger Mann mit kurzen Haaren sitzt an einer Orgel und blickt über seine Schulter nach oben in die Kamera.
Benjamin Dippel ist Kreiskantor im Kirchenkreis Leine-Solling.

Der „Welle-Prozess“

„Die Welle“ befasst sich mit Fragen rund um die Zukunft der Verkündigungsberufe. Zu diesen zählen Pastorinnen und Pastoren, Diakoninnen und Diakone, Kirchenmusiker und -musikerinnen sowie Kirchenkreissozialarbeiterinnen und -arbeiter.

Der Prozess, der mit vollem Namen „Wir reiten die Welle – Verkündigungsberufe 2030“ heißt, läuft seit fünfeinhalb Jahren. Der Prozess will diese Berufe angesichts der gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen zukunftsfähig machen – nicht aus der leitender Ebene heraus, sondern mit den Berufsgruppen gemeinsam. Zentrale Fragen sind dabei: Welche Rahmenbedingungen und Schwerpunktsetzungen werden benötigt, um die Arbeit sinnvoll und gern tun zu können? Welche Schwierigkeiten behindern die Arbeit in den Verkündigungsberufen und was soll und kann daran geändert werden? Wie begegnen die hauptberuflich kirchlichen Akteure aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen?

Der Prozess zielt somit auf ein "Empowerment" dieser Berufsgruppen, damit sie unter schwierigen Bedingungen ihren Aufgaben mit Freude und Professionalität nachkommen können. Im laufenden Doppelhaushalt sind für den Prozess 138 000 Euro eingestellt. Derzeit beteiligen sich 250 bis 300 Menschen an diesem Prozess, unter anderem bei größeren Zusammenkünften. Die Teilnahme ist freiwillig, jeder und jede kann das Maß des eigenen Engagements selbst steuern. Aktuell in Arbeit befindliche Themen sind unter anderem multiprofessionelle Teams, Sozialraumorientierung und das oben beschriebene Segensnetzwerk.

Julia Littmann / EMA