Die Stadt des Friedens ist eröffnet

Zum 20. Geburtstag erhält das Haus der Religionen einen wunderbaren Garten der Begegnung. Gestaltet haben ihn Gäste des Kirchentages gemeinsam.
In eine Sandsteinstehle sind mehrere Gebäude gehauen.
Bild: Rebekka Neander

Wer eine Stadt entdecken möchte, braucht in der Regel Zeit. Das ist vor dem Haus der Religionen in Hannovers Südstadt nicht anders. Auf einen dynamischen Schrittzähler am Handgelenk zahlt dieser Stadt-Bummel allerdings nicht ein. Vielmehr ist ein gutes Auge gefragt und die Bereitschaft, gegebenenfalls auch mal in die Knie zu gehen. 

Denn was der Steinmetz Andreas Textores auf diesem einst so öden Fleckchen an der Böhmerstraße während des Kirchentages mit vielen fleißigen, mutigen und experimentierfreudigen Gästen geschaffen hat, erschließt sich nicht auf einen ersten, womöglich hektischen Blick. 

In eine Sandsteinstele sind mehrere Gebäudeumrisse gehauen.
Bild: Rebekka Neander
Der Steinmetz Andreas Textores hat in die senkrecht stehenden Stelen eine Vielzahl filigraner Stadtszenen gehauen.

Schlendern und staunen

Es ist eine eigenartige Stadt. Vier Stelen ragen senkrecht empor. Sie wirken wie Bergdörfer, in denen sich kleine Steinhäuser gedrungen an die Felskante schmiegen. Man kann sich vorstellen, über enge Serpentinen von Gasse zu Gasse zu gelangen. Hier kauert Haus an Haus, dort dringen Höhlengänge ins Gestein. Und wer ein bisschen in die Knie geht und hineinlugt, denen schimmert das Licht vom anderen Höhleneingang entgegen. All dies ist das Werk des Profis. 

Die acht auf dem Boden liegenden Stelen gehörten während des Kirchentags seinen Gästen. Sie haben unter fachkundiger Anleitung mit Schutzbrille, Hammer und Meißel einen Garten der besonderen Art geschaffen. Mit winzigen Vogeltränken, Torbögen, angedeuteten Amphitheatern. Das Klacken und Klicken der auf Meißel treffenden Hämmer ist längst verklungen. Und doch fällt die Vorstellung sehr leicht, wie all das in fröhlicher Gemeinschaft entstanden ist. Ein Film erzählt davon

Geschenk zum Geburtstag

Der kleine grüne Platz mit seiner „Stadt des Friedens“ ist das bleibende Geschenk der Landeshauptstadt Hannover und des Evangelischen Kirchentags an das Haus der Religionen, pünktlich zu dessen 20-jährigem Bestehen. Diese Wirkungsstätte in der ehemaligen Athanasiuskirche in der hannoverschen Südstadt ist bis heute in ihrem Aufbau mit neun verschiedenen Religionen unter einem Dach in Deutschland einzigartig.

Die Veranstaltungen darin richten sich unter anderem an Lehr- und Erziehungskräfte. „Der Konflikt im Klassenzimmer“ ist eines der Projekte, die ihre Heimat im Haus der Religionen haben und weit darüber hinaus wirken, wie die Projektleiterin Dr. Nina Käsehage während des Geburtstagsfestaktes erläuterte. Es schult Lehrkräfte, wie sie in ihren Klassenverbänden zugleich islamfeindlichem Rassismus wie auch Antisemitis begegnen können. 

Ein weiteres Projekt, das in Kooperation mit dem Haus der Religionen agiert, ist im Internet die Website www.religionen-entdecken.de – einst eine Privatiniative, heute eine der meistgeklickten Instanzen auf dem Gebiet, Fragen zur Religion für Kinder verständlich aufzubereiten, und in Trägerschaft des Gemeinschaftswerks der evangelischen Publizistik. Bis zu zehn neue Fragen liefen auf der Website im Schnitt pro Tag auf, berichtete Initiator Moritz Vogel. 

Zur Geburtstagsfeier hatten sich viele prominente Gäste an der Böhmerstraße eingefunden: Von Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay über Regionspräsident Steffen Krach bis zur Bundestagsabgeordneten Aydan Özoguz (per Video-Ansprache) reichten die Gratulanten – einig in der Aussage, so etwas wie das Haus der Religionen in Hannover müsse man andernorts schon sehr suchen. In guter Tradition: Zur Wiedereröffnung nach Umbau hatte sich 2022 gar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ehre gegeben. 

Kooperation mit der Stadt Hannover

Wer vor oder nach dem Besuch im Haus der Religionen noch eine kleine Pause braucht, findet künftig also einen behüteten Hort vor der Tür. Ermöglicht hat diesen vor allem auch die Stadt Hannover, die nach Aussage von Wolfgang Reinbold, Vorsitzender des Vereins „Haus der Religionen – Zentrum für interreligiöse und interkulturelle Bildung e.V.", sofort Begeisterung für die Idee entwickelte, aus der öden Brachfläche vor dem Haus etwas Beschauliches zu entwickeln. Idee und Entwurf zur Platzgestaltung und zum Workshop für eine „Baustelle der Stadt des Friedens“ stammten vom Stadtgestalter Thomas Göbel-Groß, der mit seinem engagierten Team das Projekt in nur sechs Monaten zur Realisierung führte. Nun lädt sie ein, die „Stadt des Friedens“, mit fantasievoll gestalteten Stelen aus Obernkirchener Sandstein auf der einen Seite des Rasens, und schattigen Bänken zum Verweilen und Boulespielen auf der anderen.“

Die Verquickung dieses Projektes mit dem Kirchentag ist für das Haus der Reglionen förmlich ein Kreisschluss: Seine Eröffnung feierte die Stätte 2005 – während des Kirchentages in Hannover. 

Auf einer Rasenfläche stehen einige Fotografen im Halbkreis, um ihnen gegenüber eine Gruppe an einem Baum zu fotografieren.
Bild: Rebekka Neander
Symbolträchtiges Gießen: Spatenstiche braucht es nicht mehr im Garten der Begegnung. Deshalb bekommen die gepflanzten Bäume Wasser aus prominenter Hand.
EMA