Bethlehem – Mit dem Mega-Chor in den „Brunnen der Vergangenheit“

Erfolgreiche Hauptprobe des Chormusicals in Walsrode
Viele singende Menschen
Bild: Jens Schulze

Ein Krippenspiel der Superlative: Am vergangenen Samstag kamen in Walsrode 2.000 Menschen zusammen, um für eine besondere Aufführung in Hannover zu üben: das Chormusical Bethlehem.

Kurz vor 15 Uhr sind die meisten Stühle schon besetzt: Links die Bass- und Sopranstimmen, rechts die Tenöre, dahinter die Altstimmen. Vor ihnen liegen aufgeschlagene Liederhefte. Viele haben sich ihre Einsätze in leuchtend bunten Farben markiert. Einige tragen Chorkleidung: Blaue Sweatshirt-Jacken mit dem Logo der Gospelkirche Hannover, hier und da burgunderfarbene mit der Aufschrift Gospelchor Loccum. Etwa 1.000 Chormitglieder, Familien und Einzelpersonen aus der Region sind bei der zweiten Hauptprobe dabei. Am Vormittag hatten bereits weitere 1.000 Teilnehmende knapp fünf Stunden geprobt.

Das Chormusical Bethlehem erzählt die Weihnachtsgeschichte als zeitgemäße Version mit Texten von Michael Kunze und Musik von Dieter Falk. Die Lieder sind eine Mischung aus Gospel und Elementen klassischer Weihnachtslieder. Im Zusammenspiel mit Musicalstars sowie einer Live-Band erzählt der Mega-Chor eine Geschichte voll aktueller Bezüge.

Ein Mann dirigiert.
Bild: Jens Schulze
Gospelkantor Jan Meyer dirigiert den Mega-Chor.
„Die Chorleitenden haben ihre Sängerinnen und Sänger super vorbereitet, sodass wir mit Leichtigkeit und Freude alle Lieder singen konnten.“
Gospelkantor und Dirigent Jan Meyer

Aufgeregtes Flüstern liegt über der Halle, Weihnachtskekse werden durch die Reihen gereicht. Neben der Bühne steht ein Weihnachtsbaum – noch ohne Kugeln. Nun betreten Gospelkantor Jan Meyer und Popkantor Micha Keding die Bühne, zwischen ihnen ein E-Piano. „Wir freuen uns total, dass ihr heute hier seid!“, sagt Jan Meyer, „mal schauen, ob ihr auch so gut seid wie der Chor heute Vormittag“. Jemand ruft laut „natürlich, wir sind sogar noch besser“ und ein vielstimmiges Lachen ist die Antwort. Meyer und Keding dirigieren die Chöre bei den Aufführungen am 14. Dezember in der ZAG arena in Hannover.

„Wahnsinn, wie viele Menschen dabei sind“, staunt Keding. „Für wen ist das denn das erste Chormusical?“ Nicht mal ein Drittel der Teilnehmenden hebt die Hände. „Und wer ist der oder die älteste Sängerin oder Sänger? Wer ist über 60 Jahre? Wer über 70 Jahre? Und vielleicht sogar über 80 Jahre?“ Hände wandern nach oben und sinken nach und nach. Schließlich bleibt eine Hand übrig: „Ich bin Ehrhard Fischer und 89 Jahre alt.“

Ein alter Mann.
Bild: Jens Schulze
Auch der 89-jährige Erhard Fischer ist nicht zum ersten Mal dabei.

Auch Fischer aus Lüdersfeld bei Stadthagen ist nicht zum ersten Mal dabei. Für ihn ist Bethlehem bereits das dritte Chormusical. Bei den Aufführungen „Luther“ und die „10 Gebote“ war er auch schon dabei. Die Lieder des Bethlehem-Musicals gefallen ihm sehr: „Ich habe die meisten Lieder mit der Übungs-CD zuhause schon auswendig gelernt – zum Glück ist kein englischer Text dabei.“

„Und wer ist der oder die jüngste Teilnehmende? Ist jemand unter zehn Jahre jung?“, fragt Keding und schaut erwartungsvoll in die Runde. „Ich!“, ruft da jemand. Ein kleiner Junge ist auf einen Stuhl geklettert und winkt aufgeregt. „Ich bin sechs Jahre alt“, sagt er stolz. Für Noah ist es das erste Chormusical. Neben ihm sitzen seine Eltern, aus dem „sing4you-Chor“ in Stadthagen. „Ich war das erste Mal beim Luther-Musical in Berlin dabei, da war ich gerade mit Noah schwanger“, erzählt seine Mutter. „Und verrückterweise kann er die Lieder alle auswendig und singt sie zuhause rauf und runter“, ergänzt sein Vater lachend. „Meine Frau hat mich dann mit zu den Proben von ‚Die 10 Gebote‘ genommen und weil uns das so gut gefallen hat, sind wir jetzt wieder hier, diesmal aber zu dritt.“ Die Familie strahlt: „Maria gefällt mir am besten“, flüstert Noah.

Ein kleiner Junge.
Bild: Jens Schulze
Der sechsjährige Noah ist der jüngste Teilnehmer.

„Wer hatte denn heute die weiteste Anreise?“. Keding deutet zu den Fenstern, aus denen man neben zahlreichen PKWs auch einige Reisebusse stehen sieht. Eine Frau steht auf: „Das müsste ich sein: Ich bin aus Frankfurt hier.“ „Es gibt aber jemanden hier in der Halle, der auch eine sehr weite Anreise hatte, und zwar aus Düsseldorf“, moderiert Keding an. In dem Moment sprintet der Komponist Dieter Falk auf die Bühne. Ein Raunen geht durch die Menge. Einige hatten ihn vorab schon entdeckt und er hatte bereitwillig Chorpartituren signiert, Fotos gemacht und jeden mit freundlichen Worten begrüßt. Nun übernimmt er das Einsingen.

Ein Mann singt.
Komponist Dieter Falk übernahm das Einsingen.

Die Probe beginnt. Jan Meyer übernimmt die eine Hälfte des Chores und Micha Keding die andere: „Ihr müsst euch jetzt an mein Dirigat gewöhnen…“, scherzt Meyer. „Und ihr müsst mit meinem leben“, lacht Keding. Als der Chor zum ersten Mal „Bethlehem“ zu singen beginnt, sieht man ehrfürchtige Gesichter. „Wow“, staunt Meyer, „was für eine tolle Power“. Meyer und Keding sind ein gut eingespieltes Team. Sie wechseln sich mit Vorsingen und musikalischer Klavierbegleitung ab. Ab und zu, wird eine Playback-CD zur Hilfe genommen, damit beide gemeinsam dirigieren können.

Generell ist die Stimmung an diesem Nachmittag sehr ausgelassen. Immer wieder wird herzlich gelacht und applaudiert: Jan Meyer und Micha Keding unterhalten die Sängerinnen und Sänger zwischendurch mit lockeren Sprüchen, Tanzeinlagen und persönlichen Anekdoten. „Wusstet ihr, dass meine Kinder jetzt eine Tonie-Figur mit Gospelmusik haben?“, fragt Jan Meyer. Auch Marcel Volkmann, Bereichsleiter für Großveranstaltungen der Stiftung Creative Kirche ist vor Ort: „Es hat etwas von Alleinunterhalterprogramm zu Zweit und Chorprobe“, schmunzelt er.

Menschen halten Liederhefte in die Höhe.
Bild: Jens Schulze
Auch das ist Teil der Choreografie.

Neben den Liedern, inklusive Tonlängen, Tempowechsel und Übergängen gilt es auch noch unbekannte Choreografien zu proben. An bestimmten Stellen sollen die Liederbücher „langsam und geschlossen“ in die Höhe gehalten werden, dann wird von rechts nach links gewippt – „aber auf dem rechten Fuß enden“ und „geklatscht ohne zu klatschen“. Die Teilnehmenden notieren fleißig in ihre bunten Liederhefte. Als in einer Passage des Liedes „Wenn Gott ein Mensch ist“ die Sängerinnen und Sänger ihre Handytaschenlampe in die Höhe halten, sieht es aus wie ein Sternenhimmel. „Ihr könnt ruhig noch kräftiger lächeln“, bemerkt Meyer.

Eine Frau lächelt.
Bild: Jens Schulze
Mit 1.000 Menschen zu singen, begeistert Silke Ochotta aus Hannover.
„Da sind viele Gänsehaut-Momente dabei: für uns Sängerinnen und Sänger, aber sicher auch für die Zuschauenden.“
Teilnehmerin Silke Ochotta aus Hannover

Im Nu ist die erste Hälfte der Probe zu Ende und in der Pause gibt es ein freudiges Wiedersehen unter den Teilnehmenden. Viele kennen sich schon von anderen Aufführungen und sind begeistert wieder dabei. „Ich dachte, die anderen Musicals sind nicht mehr zu toppen – und dann kam Bethlehem“, staunt Annett Mergadt und erntet für diese Aussage zustimmendes Nicken der umstehenden Personen. „Das hier ist eine ganz besondere Erfahrung“, findet Silke Ochotta aus der Gospelkirche Hannover, „mit 100 Leuten habe ich schon gesungen – aber nicht mit 1.000.“ Jan Meyer kennt sie schon als Dirigent ihres Heimatchores und als er sie dann mit seiner „Bethlehem-Begeisterung“ angesteckt hat, hat sie sich als Sängerin beim Bethlehem-Musical angemeldet.

Drei Mädchen singen
Bild: Jens Schulze
Amelie hat ihre Schulfreundinnen Caro und Malin mit der "Bethlehem-Begeisterung" angesteckt (von links).

Singen für den guten Zweck

Einige Teilnehmende haben auch „Neulinge“ mitgebracht, so auch die 17-jährige Amelie. Sie hat ihre Schulfreundinnen Caro und Malin dabei. Den drei Mädels gefällt die „lockere“ Atmosphäre während der Probe und das Gemeinschaftsgefühl der Sängerinnen und Sänger. Seit Wochen haben sie Ohrwürmer der Musicallieder. Die moderne Interpretation der Weihnachtsgeschichte kommt nicht nur bei ihnen gut an. Auch Silke Ochotta findet: „Wir gehen nach Bethlehem. Wir steigen in den Brunnen der Vergangenheit – so wird es ja beschrieben im Musical – und die Geschichte wird neu erzählt, obwohl ja eigentlich jeder die Geschichte kennt“. „Da sind viele Gänsehaut-Momente dabei: für uns Sängerinnen und Sänger, aber sicher auch für die Zuschauenden“.

In der Pause gibt es für die Teilnehmenden die Möglichkeit, rote Weihnachtskugeln zu erwerben und den Baum neben der Bühne gemeinsam festlich zu schmücken. Der Erlös ist für einen guten Zweck. Denn das Chormusical Bethlehem unterstützt gemeinsam mit „Brot für die Welt" ein Projekt des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM). 1.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine sollen eine unbeschwerte Zeit in Feriencamps in verschiedenen europäischen Ländern verbringen, um den Krieg in ihrer Heimat für eine Zeit vergessen zu können und eine friedlichere Welt zu erleben. 

Eine rote Weihnachtskugel hängt am Weihnachtsbaum.
Bild: Jens Schulze
Der Erlös des Verkaufs der Weihnachtskugeln ist für einen guten Zweck.

Bis 20 Uhr geht die Probe und Jan Meyer ist sehr zufrieden mit dem Endergebnis: „Die Chorleitenden haben ihre Sängerinnen und Sänger super vorbereitet, sodass wir mit Leichtigkeit und Freude alle Lieder singen konnten.“ Der Tag war lang für Meyer und Keding: „Nach zehn Stunden üben, hat sich jetzt eine gewisse Müdigkeit eingestellt, aber auch wir haben die Herausforderung des synchronen Dirigierens gemeistert und uns klasse zusammen eingegroovt.“

Nun proben alle Sängerinnen und Sänger bis zum 13. Dezember zu Hause und in ihren Chorgruppen weiter. Denn dann findet die Generalprobe in der ZAG arena mit Band, Musicalstars und Lichtshow in Hannover statt.  Schließlich heißt es am 14. Dezember Vorhang auf: „Bethlehem, Bethlehem, beginnen wir zu sehen und zu verstehen!“ Für die Vorstellungen um 14 und 20 Uhr sind noch einige Karten unter www.chormusical.de verfügbar.

Weitere Fotos von der Probe

Stina Welzig/EMA