"Wir wollen KI verstehen, um die Menschen gut zu begleiten"
Künstliche Intelligenz kann Kirchen nicht nur bei Verwaltungsaufgaben unterstützen: Laut dem Informatiker und landeskirchlichen KI-Referent Karl Teille kann sie auch in der Pflege und Seelsorge unterstützen.
Hannover. Die evangelische Kirche sucht noch ihren Weg im Umgang mit künstlicher Intelligenz. Karl Teille ist Informatiker und Referent für KI und Ethik in der Evangelischen Agentur der Landeskirche Hannovers. Der Informatiker, der sich zuvor bereits in leitenden Positionen in der Automobilwirtschaft mit KI beschäftigte, plädiert für Experimentierfreude und Gottvertrauen im Umgang mit der Technologie.
Herr Teille, wie sollten die Kirchen künstliche Intelligenz nutzen?
Karl Teille: Die Kirche sollte selbst KI einsetzen, um effizienter handeln zu können, aber zugleich genau hinschauen, was KI mit den Menschen in der Gesellschaft macht. Noch wissen wir nicht, wo die KI überall Mehrwerte erzeugt. Aber sicher ist, dass sie bleiben wird - und das ist auch in vielen Fällen sinnvoll. Bei Verwaltungsaufgaben und der Arbeit am Computer kann Kirche die KI ähnlich nutzen wie ein Chemieunternehmen oder ein Automobilhersteller. Da geht es um Effizienzsteigerung - und das kann für uns als Kirche mit schrumpfenden Einnahmen und wachsender Arbeitsverdichtung sehr hilfreich sein. In solchen Bereichen wünsche ich mir Experimentierfreude in den Gemeinden und mehr Zusammenarbeit zwischen den kirchlichen Institutionen.
In anderen Bereichen, etwa in der Seelsorge und in der Pflege, müssen wir als Kirche schauen, wie wir sie unterstützend einsetzen: Im Moment würden die meisten vermutlich keinen KI-gestützten Pflegeroboter an einen bettlägerigen Menschen lassen - vollkommen verständlich, obwohl es auch hier schon interessante Weiterentwicklungen gibt.
Wie stellen sich denn Gemeindemitglieder den Umgang mit KI vor?
Teille: Das unterscheidet sich. Manche wollen sonntags unbedingt einen Pastor oder eine Pastorin vor sich sehen - gerade diejenigen, die bewusst in den Gottesdienst gehen. Viele Menschen wollen seelsorgerliche Gespräche mit fühlenden Menschen führen, nicht mit einer KI ohne Bewusstsein. Trotzdem gibt es Menschen, die auch solche KI-Angebote annehmen. Eine KI ist jederzeit verfügbar. Auch sie kann Menschen kennenlernen und auf sie reagieren. Außerdem gibt es KI-gestützte Angebote in Bild, Text und Ton, die Glaubensinhalte vermitteln. Solche Angebote können wir machen. KI ist Kraft unseres Geistes entstanden, also dürfen wir sie im Vertrauen auf Gott nutzen - wie auch die anderen Möglichkeiten der Digitalisierung.
Können die Kirchen bei der rasanten Entwicklung überhaupt mithalten?
Teille: Natürlich sind wir bei technologischen Erneuerungen nie an der Spitze der Entwicklung, aber es geht auch nicht darum, Google einzuholen. Wir können jederzeit einsteigen, weil sich in der Digitalisierung disruptiv stetig so viel ändert. Die Diskussion um eine allgemeine, starke KI mit Bewusstsein ist allerdings ein Hype. Die Idee kommt schon in Goethes "Faust II” vor. Das passt nicht zum Schöpfungsplan Gottes und verkennt die wirklichen Herausforderungen, die KI bereits heute schafft: Gerade wir als evangelische Kirche haben einen starken Bezug zum werktätigen Menschen. Deshalb ist es unser Selbstverständnis, genau hinzuschauen, wenn KI zum Beispiel den Arbeitsmarkt, die Gesellschaft und politische Systeme disruptiv verändert. Wir wollen KI verstehen, um die Menschen gut zu begleiten.