Landesbischof warnt vor falscher Sehnsucht nach starker Führung

200 Mitarbeitende beim Generalkonvent des Sprengels Hildesheim-Göttingen
Eine als Mann lesbare Person im Talar spricht in einer Kirche vor Menschen.
Bild: Gunnar Müller

Landesbischof Ralf Meister warnt vor der gefährlichen Sehnsucht nach starken Führern und falschen Erlöserfiguren. In Hildesheim stellte er klar: Demokratie lebt von Verantwortung – nicht von Heilsversprechen.

Hildesheim. Zum Thema „Demokratie als Friedensordnung“ haben sich am Mittwoch mehr als 200 kirchlich Mitarbeitende beim Generalkonvent des Sprengels Hildesheim-Göttingen in der Hildesheimer Michaeliskirche getroffen. Landesbischof Ralf Meister hielt dabei eine politisch geprägte Predigt, in der er vor überhöhten Heilsfiguren warnte, die sich selbst inszenieren oder von anderen verklärt werden. „Das sind gefährliche Antworten von Erlösergestalten, die keine Antworten haben auf die großen Herausforderungen“, sagte Meister. „Das Reich Gottes beginnt nicht im Oval Office, auch nicht im Parlament, sondern im Herzen.“

Meister sprach in seiner Predigt von gesellschaftlicher Sehnsucht nach starker Führung. In der Folge wendeten sich in vielen Ländern aber Menschen Figuren zu, die sich wie Erlöser inszenierten – nicht nur in autoritären Systemen, sondern auch in westlichen Demokratien. „Erschreckend bleibt für mich, dass sogar in demokratischen Rechtsstaaten Mehrheiten autoritäre Herrscherfiguren an die Spitze wählen.“

Leitungsverantwortung müsse transparent gestaltet und im Dienst anderer ausgeübt werden. „Das Ziel ist nicht, Macht loszuwerden – es ist, sie sinnvoll zu nutzen.“ Für die Kirche formulierte er den Auftrag, Gewissen zu bilden und Verantwortung zu stärken. Sie solle kein Machtakteur sein, sondern einen „Gewissensraum“ eröffnen, in dem Orientierung entstehen könne. „Die Wahrheit des Evangeliums ist nicht durchsetzbar – sie ist bezeugbar. Sie zwingt nicht – sie lädt ein. Sie herrscht nicht – sie heilt.“

„Das Reich Gottes beginnt nicht im Oval Office, auch nicht im Parlament, sondern im Herzen.“
Landesbischof Ralf Meister

Der Geschäftsführer des Antikriegshauses Sievershausen, Elvin Hülser, stellte in seinem Vortrag „Demokratie als Friedensordnung?! Unsere Verantwortung für die Demokratie“ die Zuhörenden auch selbst auf die Probe: Mit einem digitalen Abstimmungstool konnten sie ihre Haltung zu Demokratie und Politik sichtbar machen. Fast allen war es sehr wichtig, in einer Demokratie zu leben, und eine große Mehrheit zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit der Demokratie in Deutschland. Deutlich skeptischer äußerten sich die Teilnehmenden jedoch zur aktuellen Politik – mehr als die Hälfte bewertete sie eher negativ. Auffällig war ein Widerspruch: Während viele die gesellschaftliche Zukunft pessimistisch sahen, blickten sie zugleich zuversichtlich auf die Perspektiven ihrer eigenen Familien.

Hülser mahnte, vermeintliche Selbstverständlichkeiten wie Frieden oder Demokratie nicht als gegeben hinzunehmen. „Vielleicht sind wir da über die Jahre zu bequem geworden“, sagte er. Notwendig sei es, diese Themen immer wieder ins Gespräch zu bringen und neue Perspektiven zuzulassen. Demokratie brauche die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – und sie lebe vom aktiven Beitrag der Menschen. „Wir können etwas entwickeln, aus unserem Glauben, aus der Kirche heraus – der Demokratie wird dies guttun.“

Stichwort: Generalkonvent

Ein Generalkonvent ist ein jährliches Treffen der Pastorinnen und Pastoren, Diakoninnen und Diakone, Kirchenmusikerinnen und -musiker und Ephoralsekretärinnen und -sekretären eines Sprengels. Seit dem Weggang von Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder wird der Sprengel Hildesheim-Göttingen vorerst von Superintendent Jan von Lingen (Kirchenkreis Leine-Solling) und Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng (Kirchenkreis Harzer Land) geleitet. Regionalbischof i.R. Dr. Hans Christian Brandy ist zudem Vertreter für regionalbischöfliche Aufgaben. Der Sprengel Hildesheim-Göttingen umfasst rund 350 Kirchengemeinden in acht Kirchenkreisen von Peine bis Hann. Münden, von Hameln bis in den Harz, mit rund 400.000 Kirchenmitgliedern und 700 Kirchen und Kapellen.

Gunnar Müller / Sprengel Hildesheim-Göttingen