Landeskirche will Aufsicht über geistliche Gemeinschaften verstärken

Nach Missbrauchsstudie über Pastor Vollmer: Weitere Untersuchungen geplant
Im Vordergrund ein großer Bildschirm, im Hintergrund ein Podium mit als Frauen und Männer lesbaren Personen.
Bild: epd-bild/Jens Schulze

Eine Studie über einen Pastor aus Hermannsburg, der in einer von ihm gegründeten Bruderschaft sexuell übergriffig wurde, hat in der evangelischen Kirche viele Menschen aufgerüttelt. Jetzt sollen solche Gemeinschaften besser beaufsichtigt werden.

Hannover/Hermannsburg. Nach der Veröffentlichung einer Studie zu sexualisierter Gewalt in einer Bruderschaft in Hermannsburg bei Celle will die evangelische Landeskirche Hannovers die Aufsicht über geistliche Gemeinschaften in ihrem Gebiet verstärken und weitere Studien auf den Weg bringen. Um dies zu erreichen, solle zeitnah ein Konzept für Visitationen solcher Gemeinschaften entwickelt werden, sagte ein Kirchensprecher am Mittwoch in Hannover. Dabei besuchen kirchenleitende Personen die Arbeit vor Ort, um zu prüfen, ob die Grundsätze der kirchlichen Arbeit eingehalten werden.

Gegenwärtig gibt es den Angaben zufolge im Raum der hannoverschen Landeskirche zwischen dem Landkreis Göttingen und der Nordsee 15 geistliche Gemeinschaften. Sie sind oft als eingetragene Vereine organisiert und damit im Unterschied zu Kirchengemeinden bislang nicht dem Visitationsrecht unterworfen. Dennoch arbeitet die Kirche in unterschiedlicher Form mit ihnen zusammen. Einige werden finanziell unterstützt oder formell anerkannt. Bei anderen erhalten Leitungspersonen das Recht, in der Kirche zu predigen. Wieder andere führen das Logo der Landeskirche, was ihre Glaubwürdigkeit stärkt.

Das neue Visitationsrecht für geistliche Gemeinschaften soll Anfang Juli vom Landeskirchenamt in Hannover beschlossen werden. „Damit wollen wir unmissverständlich die Aufsichtpflicht der Landeskirche stärken“, betonte der Präsident des Landeskirchenamtes, Jens Lehmann.

Mit diesem Schritt folgt die Kirche einer Empfehlung einer Aufarbeitungskommission zum Fall des Pastors Klaus Vollmer, der 1977 in Hermannsburg bei Celle eine geistliche Bruderschaft gründete und sie über viele Jahre leitete. Die Kommission hatte am Dienstag in einer Studie offengelegt, dass der theologisch konservative Pastor seine Autorität systematisch genutzt habe, um gegenüber mehreren Personen sexuell übergriffig zu werden. Darunter waren auch zwei Minderjährige.

Zudem will die Landeskirche die Ereignisse in einer weiteren geistlichen Gemeinschaft aufarbeiten lassen, die im Umfeld des für seine Missionstätigkeit bekannten Heideorts Hermannsburg entstanden ist. Auch dort gab es Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen den inzwischen verstorbenen Leiter. Das in Hermannsburg ansässige Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen will in einer eigenen Studie seine Vergangenheit von externen Experten beleuchten lassen.

Landesbischof Ralf Meister kündigte eine weitere Untersuchung über die Rolle der Landesbischöfe seit 1945 an. Seine Amtsvorgänger Hanns Lilje und Horst Hirschler hätten Pastor Vollmer zeitweise ermutigt und unterstützt, ihm aber nie Einhalt geboten. Diese Untersuchung werde auch seine eigene Amtszeit und die seiner Amtsvorgängerin umfassen, sagte Meister.

Ein weiteres Forschungsvorhaben werde sich kritisch mit der lutherischen Theologie und ihrem Missbrauch seit 1918 befassen, hieß es. Vollmer habe eine besondere Auslegung von Martin Luther propagiert. Diese „fehlgeleitete Theologie“ habe Spuren hinterlassen, erläuterte der Landesbischof. Schon länger ist zudem eine Studie über die Unterbringung von ehemaligen Heimkindern unter der Vormundschaft eines Pastors in der Nachkriegszeit in Elsdorf bei Rotenburg/Wümme geplant. Dort war es ebenfalls zu Fällen von sexualisierter Gewalt gekommen.

epd Niedersachsen-Bremen/EMA-Redaktion