Bergen-Belsen/Lüneburg. Am vergangenen Sonntag fand die internationale Gedenkfeier zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen vor 80 Jahren statt. Für den Sprengel Lüneburg nahm Regionalbischöfin Marianne Gorka an der internationalen Gedenkfeier teil.
„Das Mindeste, was wir heute tun können, ist, denen die Ehre zu erweisen, die diesem Vernichtungswillen zum Opfer fielen, und denen, die überlebt haben. Wir müssen gemeinsam dafür stehen, dass sich solches Grauen nie wiederholt, nie wiederholen darf“, so Gorka.
Die Regionalbischöfin weist auf die besondere Rolle der evangelischen Kirche in der Erinnerungskultur. „Wir stehen an der Seite der Jüdinnen und Juden – das ist in unserer Verfassung verankert“, erklärte Gorka. Die Kirche verstehe das Gedenken nicht nur als Rückschau, sondern als Auftrag für Gegenwart und Zukunft: „Gerade angesichts aktueller gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen ist es Aufgabe der Kirche, sich klar für Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Neutralität ist in Zeiten moralischer Krise keine Option.“
Gorka verwies auf die Worte des italienischen Autors Primo Levi: „Es ist geschehen, und kann daher immer wieder geschehen.“ Die Erinnerung an die Shoah sei kein abgeschlossener Akt der Vergangenheit, sondern müsse angesichts schwindender Zeitzeugen und neuer Erscheinungsformen des Antisemitismus immer wieder neu verteidigt und gestaltet werden. „Antisemitismus hat heute viele Gesichter, oft versteckt und subtil. Darum genügt es nicht, neutral zu bleiben. Kirche und Gesellschaft müssen sich klar positionieren und einmischen“, so Gorka mit Verweis auf die Rede des israelischen Botschafters.
Auf der Gedenkfeier war eine besondere Atmosphäre der Verbundenheit und Hoffnung. Von Menschen aus aller Welt spürbar - Jung und Alt, kamen zusammen, um gemeinsam zu erinnern und Zeichen der Versöhnung zu setzen. „Das ist schon beeindruckend und gibt ein hoffnungsvolles Bild, eine Vision von einer gelingenden Staatengemeinschaft“, so Gorka.
Die Regionalbischöfin betonte, dass Erinnerungsarbeit immer auch Beziehung stiftet: „Erinnerung und gelebte Solidarität gehören für die Kirche untrennbar zusammen. Gedenken ist Grundlage des biblischen und christlichen Glaubens. Menschen wollen und sollen nicht vergessen sein. Bei Gott sind sie es nie!“
Mit Blick auf die Zukunft der Erinnerungskultur mahnt Gorka: „Es wird schwieriger, weil die Zeitzeuginnen und -zeugen weniger werden und auch die Akzeptanz einer solchen Kultur, die sich bewusst auch an Schreckensereignisse erinnert, scheint abzunehmen. Aber diese Kultur muss uns bewahrt bleiben, weil wir daraus Lehren ziehen für unsere Gegenwart und für die Zukunft unserer Staatengemeinschaft, die zuallererst ein großes Friedensprojekt war und ist.“