Missbrauch: Evangelische Kirche etabliert Aufarbeitungskommissionen

EKD-Logo auf einer Bühne.
Bild: epd-bild/Heike Lyding

Hannover. Die evangelische Kirche und die Diakonie wollen einen weiteren Schritt bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gehen. In den kommenden Wochen sollen dafür deutschlandweit regionale Aufarbeitungsgremien, die sogenannten Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen, an den Start gehen, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie am Donnerstag in Hannover mitteilten. 

Geplant sind neun dieser regionalen Kommissionen. Doch nur in sieben startet die Arbeit im Laufe des März und Aprils, wie es heißt. In Sachsen und im Verbund Niedersachsen und Bremen verzögert sich der Start.

Grundlage ist eine Vereinbarung über Standards zur Aufarbeitung von Missbrauch mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, aus dem Dezember 2023. Aufgaben dieser Kommissionen sind unter anderem Fälle sexualisierter Gewalt zu erheben, Ursachen für Missbrauch aufzudecken und den Umgang mit Betroffenen der Gewalt zu analysieren.

In den Kommissionen sitzen neben Betroffenen und Fachleuten auch Vertreterinnen und Vertreter der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie. Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, müssen weniger als die Hälfte der Mitglieder Beschäftigte der evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören. Externe Fachleute werden unabhängig durch die jeweiligen Landesregierungen benannt.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, sagte, mit den Kommissionen könnten regionale Aspekte präziser in den Blick genommen werden, Fälle systematisch erhoben und gezielte Empfehlungen gegeben werden.

Kommission in Niedersachsen und Bremen kann Arbeit vorerst nicht aufnehmen.

In Niedersachsen und Bremen kann die Kommission bis auf Weiteres ihre Arbeit nicht aufnehmen. Die von der Landesregierung in Hannover benannten Mitglieder traten auf Druck von Betroffenenvertretern zurück. Die Landesregierung sieht sich nun außerstande, neue Mitglieder zu benennen.

Die frühere Landes-Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz und die Präsidentin der Klosterkammer Hannover, Thela Wernstedt, teilten am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit, dass sie ihr Amt nicht antreten werden. Am vergangenen Wochenende habe sich bei einem Treffen von Betroffenen eine Mehrheit dafür ausgesprochen, mit ihnen nicht vertrauensvoll zusammenarbeiten zu wollen. Das habe sie dazu veranlasst, zurückzutreten. „Eine Zusammenarbeit ergibt keinen Sinn, wenn die Betroffenen das nicht wollen“, betonte Niewisch-Lennartz.

Niedersachsens Regierungssprecherin Anke Pörksen sagte, die Landesregierung erachte die Bewertung der Betroffenen für unhaltbar. Niewisch-Lennartz und Wernstedt hätten bewiesen, dass sie über ein hohes Maß an innerer Unabhängigkeit verfügten. „Es ist nicht nachvollziehbar, wie einige der Betroffenen zu der Einschätzung gelangt sind, mit diesen beiden Frauen nicht zusammenarbeiten zu können.“ Wäre es ihnen um die Sache gegangen, hätten sie sich in einem Gespräch mit beiden einen eigenen Eindruck verschaffen können.

Die Landesregierung sehe sich nun außerstande, andere Personen für die URAK zu benennen, sagte Pörksen. Auch diese müssten befürchten, „einem Screening unterworfen zu werden und dann gegebenenfalls unsachlichen Vorwürfen entgegentreten zu müssen. Dies ist nicht zumutbar.“

Die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen bedauerte, dass die URAK für Niedersachsen und Bremen ihre Arbeit aufgrund der jüngsten Entwicklungen zunächst nicht aufnehmen könne. „Wir müssen nun überlegen, wie wir mit der aktuellen Situation umgehen können“, sagte Sprecher Benjamin Simon-Hinkelmann.

Der Betroffenenvertreter Jakob Feisthauer sagte dem epd, die Betroffenen hielten die beiden Frauen aufgrund ihrer früheren oder aktuellen Mitgliedschaft in kirchlichen Gremien für befangen. Niewisch-Lennartz war Mitglied der Synode der hannoverschen Landeskirche. Die Ärztin und frühere SPD-Landtagsabgeordnete Wernstedt war ebenfalls Synodenmitglied und gehört unter anderem dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages an. Für die Betroffenen sei es schon schlimm genug, dass die Kirche drei Vertreter aus den eigenen Reihen in die neunköpfige Kommission entsenden dürfe, sagte Feisthauer. Er ist einer von drei Betroffenenvertretern in der URAK Niedersachsen-Bremen. 

An dieser Aufarbeitungskommission sind die Landeskirchen in Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe, Bremen und die Reformierte Kirche sowie deren diakonische Werke beteiligt.

epd