Alt-Bundespräsident Wulff mahnt Schutz der Demokratie an

Zwei Männer, einer im Anzug, einer in Bischofskleidung, sitzen in der ersten Reihe einer Kirche.

Stade. Alt-Bundespräsident Christian Wulff sieht die Demokratie in Deutschland in Bedrängnis. „Die größte Gefahr für die Zukunft ist politische Ignoranz und eine Entfremdung von unserer Demokratie“, sagte Wulff am Freitagabend als Gastredner beim Michaelis-Empfang des evangelischen Sprengels Stade in der St.-Wilhadikirche. Die Demokratie sei von innen gefährdet, weil zu viele Menschen sie für selbstverständlich und unverletzlich hielten.

Auch Hitler sei nicht einfach aus dem Nichts erschienen, mahnte Wulff. „Er hatte eine breite Unterstützung in der Bevölkerung und er hatte Unterstützerkreise bis in die Industrie und akademische Kreise hinein.“ Alles deute darauf hin, dass Menschen in Krisenzeiten - damals wie heute - bereit seien, die Demontage der Demokratie zu riskieren.

Demokratie brauche viele Menschen, die sie beschützen, sagte der Alt-Bundespräsident. Nationalismus, Rassismus und Populismus seien keineswegs überwunden. Die Sorgen um Inflation, Klimawandel, Krieg und weltweite Migrationsbewegungen machten die Menschen anfällig für diese Ideologien.

Um die Demokratie zu schützen, brauche es „Engagierte mit sehenden und hörenden Herzen“, betonte Wulff. Es brauche Menschen, die bereit seien, sich wählen zu lassen. „Es reicht überhaupt nicht aus, nur von der Tribüne aus zu kommentieren.“ Politiker niederzumachen, sei einfach. Selber machen sei dagegen schwierig.

Der gastgebende evangelische Stader Regionalbischof Hans Christian Brandy warb für eine Kultur des Zuhörens, in der nicht sofort verurteilt und schon gar nicht das Gegenüber diskreditiert werde: „Demokratie und Frieden brauchen die Bereitschaft zur Vergebung. Die Kernbotschaft des Glaubens befähige Menschen, “selbst Liebe und Vergebung zu üben und für eine Kultur der Barmherzigkeit in unserer Gesellschaft einzustehen."

Zum „Michaelis-Empfang“ lädt Brandy regelmäßig Repräsentanten des öffentlichen Lebens zwischen Elbe und Weser ein, um mit Vertretern aus den neun evangelischen Kirchenkreisen der Region ins Gespräch zu kommen. Das Treffen wird jährlich um den Michaelistag organisiert, der seit dem fünften Jahrhundert am 29. September als Gedenktag des Erzengels Michael gefeiert wird. Seit der Reformation wird dieser Tag in der evangelischen Kirche als „Tag des Erzengels Michael und aller Engel“ begangen.

epd Niedersachsen-Bremen