Kirchentag: "Hass ist keine Meinung"

Der Wiesmoorer Pastor Quinton Ceasar predigt beim Schlussgottesdienst auf dem Hauptmarkt beim 38. Evangelischen Kirchentag in Nürnberg.

Der Kirchentag verurteilt Angriffe auf die Predigenden der Schlussgottesdienste aufs Schärfste. Auch die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers solidarisiert sich mit ihrem Pastor Quinton Ceasar aus Wiesmoor in Ostfriesland.

Interview im Deutschlandfunk

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Nürnberg. Seit Sonntag sehen sich die Predigenden der Schlussgottesdienste des Kirchentages einer Welle von Hasskommentaren ausgesetzt. Dazu beziehen Kirchentagspräsident Thomas de Maizière und Generalsekretärin Kristin Jahn hier sehr klar Stellung:

„Wir verurteilen den Hass und die persönlichen Angriffe, vor allem auf Quinton Ceasar, aber auch auf Alexander Brandl und Constanze Pott, aufs Schärfste.  

Viele tausend Menschen haben in der vergangenen Woche friedlich in Nürnberg Kirchentag gefeiert und kontrovers diskutiert – unterschiedlich in der Meinung, aber immer respektvoll im Umgang miteinander. Der Kirchentag war ein Ort des Dialogs. Das ist gut so. Unsere Gesellschaft braucht diese Form des respektvollen und offenen Austausches dringend. Umso bitterer ist es nun, mitanzusehen, wie viele Menschen unseren Schlusspredigern ebendiesen Respekt versagen.  

Quinton Ceasar hat im von der ARD übertragenen Gottesdienst auf dem Hauptmarkt eine sehr persönliche und emotional aufwühlende Predigt gehalten. Er hat Rassismus angeprangert und deutlich gemacht: Viele Menschen fühlen sich in der Kirche nicht sicher. Alexander Brandl hat auf dem Kornmarkt über die Kraft von Gottes Liebe gepredigt, und dabei Zeit für Constanze Pott und die Geschichte ihrer Transition gemacht. Für ihre Auftritte verdienen alle drei nichts anderes als Respekt. Der Kirchentag steht hinter ihnen.

Niemand muss den Aussagen der Predigten oder den Elementen der Schlussgottesdienste zustimmen. Austausch und selbst produktiver Streit darüber sind sogar erwünscht – auch unter uns. Aber Angriffe auf jene, die berechtigt Rassismus und Diskriminierung in der Kirche anprangern, entbehren jeder Form von Anstand und Streitkultur, sie sind zutiefst unchristlich. Wir stellen uns diesem Hass entschieden entgegen.“

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Wiesmoor/Nürnberg. Der Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchentags in Nürnberg am vergangenen Sonntag hat einen Shitstorm in den sozialen Netzen ausgelöst. Insbesondere der Hauptprediger Pastor Quinton Ceasar aus dem ostfriesischem Wiesmoor bei Aurich ist einer einer Welle von Hasskommentaren und persönlichen Angriffen ausgesetzt. Aber auch der Münchner Pfarrer Alexander Brandl und Constanze Pott aus der bayerischen Landessynode, die ebenfalls mitwirkten, ernteten Kritik. Das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags und die hannoversche Landeskirche wiesen die Attacken im Netz scharf zurück.

Ceasar sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er sei von den heftigen Reaktionen überrascht worden. Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass seine Äußerungen nicht von allen Menschen vorbehaltlos geteilt werden. „Aber diese Welle voll Hass habe ich nicht erwartet.“ Viele „krasse Posts“ habe er vor allem aus dem fundamentalistisch-evangelikalen Spektrum erhalten – auch von prominenten Influencern aus dieser Szene. Um Caesar und seine Familie zu schützen, wurden die Internetseiten seiner Kirchengemeinde vorübergehend abgeschaltet.

Verwundert habe ihn, dass seine Botschaft „Gott ist queer“ so angeeckt sei, sagte Ceasar. Vielmehr habe er mit Kritik mit an seiner Auslegung gerechnet, dass Jesus die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge fordere. Prinzipiell sei er gesprächsbereit: „Diskurs ist gut, aber Hass darf darin keinen Platz haben.“

Auf Twitter wurde Caesar massiv beleidigt. Ob es sich um eine konzertierte Aktion handele, wollte die Sprecherin des Kirchentages, Milena Vanini, nicht bewerten. Das Präsidium gehe aber davon aus, dass die Hasskommentare größtenteils von Personen kommen, „die gar nicht selbst beim Kirchentag waren“.

Die hannoversche Landeskirche wies die Attacken in aller Deutlichkeit zurück. „Über die Aussagen und Inhalte einer Predigt auch kontrovers zu diskutieren, ist legitim. Aber die Art und Weise, in der das aktuell vor allem in den digitalen Medien geschieht, lehnen wir entschieden ab“, sagte ein Sprecher dem epd. Beim Kirchentag hätten die Teilnehmenden kontroverse Themen wertschätzend und respektvoll miteinander diskutiert. „Das hätten wir uns auch für diese Diskussion gewünscht.“

Kirchentagspräsident Thomas de Maizière und Generalsekretärin Kristin Jahn erklärten in einem Statement, sie verurteilten den Hass und die persönlichen Angriffe aufs Schärfste. Angriffe auf jene, die berechtigt Rassismus und Diskriminierung in der Kirche anprangern, entbehrten jeder Form von Anstand und Streitkultur und seien „zutiefst unchristlich“.

Pfarrer Alexander Brandl sagte, die beleidigenden Kommentare und Nachrichten hielten sich bei ihm in Grenzen. Erstaunlich sei, dass er als weißer Mann offenbar mehr sagen dürfe, „als eine 'Person of Color' wie Quinton“. Beide hätten über kontroverse Themen gepredigt, aber Ceasar bekomme den Hass ab.

Deutscher Evangelischer Kirchentag / epd Niedersachsen-Bremen