Eine offene Tür im Advent

Andacht zum 3. Advent
Eine als Frau lesbare Person geht an einem geschmückten Weihnachtsbaum vorbei.
Bild: Jens Schulze

Der Autor

Simon Laufer
Bild: privat
Simon Laufer

Simon Laufer ist Pastor in Iselersheim und Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven.

Lara stolpert in diese Stadt wie in ein Leben, das ihr noch fremd ist.
Neuer Job, neue Wege, neue Gesichter. In ihr zieht sich ein dünner, dunkler Faden durch die Tage. Im Advent spürt sie ihn wie ein Stechen.
Alles leuchtet – außer sie.

An diesem Abend peitscht Schneeregen durch die Straßen. Sie zieht den Mantel enger, läuft schneller, weiß selbst nicht wohin.
Dann steht sie vor einer Kirchentür, halb offen, warmes Licht dahinter.
Sie will nur kurz hinein. Nur warm werden.

Drinnen duftet es nach Kerzen, nach Wachs, nach Stille. Früher ein vertrauter Geruch. Eine älterer Mann lächelt sie an, freundlich und schlicht, als wäre es das Natürlichste der Welt, dass Lara genau jetzt hier ist.

Die Lesung beginnt.
„Bereitet dem HERRN den Weg; denn siehe, der HERR kommt gewaltig.“
Der Satz trifft sie seltsam tief. Kein sanftes Wort, eher wie ein Ruf aus weiter Ferne.
Und doch spürt sie darin etwas Uraltes, Vertrautes –
als würde jemand wissen, wie müde ihr Herz geworden ist. Und sie beim Namen rufen.

In der Predigt Worte von neuen Anfängen, liebevollem Leben, Geborgenheit bei Gott.

Etwas in ihr spannt sich, etwas anderes lässt los.
Sie denkt an Wege, die sich verbogen haben.
An Entscheidungen, die zu schwer waren.
An das lange Schweigen, in dem sie Gott irgendwo verloren hat.

Nach dem Gottesdienst schiebt sie sich Richtung Ausgang.
Beim Kirchenkaffee stößt eine junge Frau fast mit ihr zusammen.
„Oh! Sorry! Heuschrecken mit Honig oder Kaffee mit Zucker?“
Sie grinst breit.
Lara blinzelt. „Wie bitte?“
„Johannes der Täufer. Kleiner Adventsscherz. Ich bin Daniela.“

Sie lachen. Und plötzlich reden sie – überraschend offen, fast vertraut.
Über Neuanfänge. Über Verlorenheit. Über das Gefühl, irgendwo zwischen zwei Leben zu stehen.
Daniela hört zu, mit einer Wärme, die nicht aufdringlich ist, sondern still trägt.

„Weißt du“, sagt sie schließlich, „Jesus findet oft Wege zu uns, bevor wir überhaupt wissen, wie wir zu ihm zurückfinden.“

Als Lara später wieder hinausgeht, fällt der Schnee sanft.
Die Flocken glitzern, wenn sie das Licht der Weihnachtsbäume auffangen.
Sie bleibt stehen, hebt das Gesicht in die kühle Luft.

Und da ist er – ein kleiner, heller Moment, der sich anfühlt, als würde Jesus ihr still entgegenkommen.
Zart. Vorsichtig. Aber spürbar und wirklich.

Lara schließt die Augen.
Ein kurzer Atemzug.
Ein Gebet in ihrem Herzen:
„Danke, Gott. Diesen Weg will ich weitergehen.“

Amen.

Biblischer Text,
Jesaja 40,1–11
Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat die volle Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden. Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat’s geredet. Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.
Simon Laufer