Ich wohnte am Rand der Mauer. In die Ecke gedrängt. Niemand musste sich wundern, dass ich keine Lust auf die anderen hatte. Aber dann wendete sich alles. Ich begegnete einem neuen Gott – dem, der das Meer teilt, um Sklaven zu befreien. Dem, dem mein Status egal war. Ich habe mich entschieden: Er soll mein Gott werden.
„Josua sandte heimlich zwei Männer als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht euch das Land an, auch Jericho. Sie kamen in das Haus einer Hure.“ (Josua 2,1a)
Ihr fragt mich, warum ich die Spione in mein Haus gelassen habe? Ehrlich gesagt – ich bin es gewohnt meine Tür zu öffnen. Und außerdem: Was hätte ich sonst noch werden können in dieser Stadt?
Ich fand sie sofort sympathisch: Weil sie Sklaven waren wie ich. Weil sie geflohen sind – so wie ich es mir immer erträumt habe. Weil sie meinen Verstand wollten, nicht meinen Körper.
Sie weckten wieder Stolz in mir.
„Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt.“ (Josua 2,6a)
Als Gegenleistung für meine Hilfe gaben mir die Hebräer ein Versprechen: Mir würde nichts geschehen, wenn ihre Kämpfer in die Stadt kommen. Ein rotes Band an meinem Fenster sollte das Erkennungszeichen sein.
Ich muss sagen: Hochachtung vor ihrem Gott! Was für eine integrative Kraft – er macht die egoistischen Motive einer Hure zum Wendepunkt der Geschichte. Eine Himmel und Erde umspannende Kraft, ohne Furcht und ohne moralische Grenzen.
„Denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden.“ (Josua 2,11b)
Magst du nicht auch hoffen, dass deine Sklaverei endet? Bist du offen für den echten Gott – den, der das Meer teilt und die Welt durchkreuzt?
Ich jedenfalls habe Willen auf mehr: mehr Gott, mehr Leben, mehr integrative Kraft.
„Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster.“ (Josua 2,21)
Seit diesem Tag schlägt mein Herz wieder kräftiger. Ich bin stolz, zu ihm zu gehören. Und ich weiß: Dieses Band kann niemand durchtrennen. Eine Seilschaft über den Tod hinaus. Während Gott für mich früher bloße Theorie war, habe ich nun begriffen:
Oh mein Gott.
Du bist...
Amen.
Jos 2,1–21