Gott schaut uns liebevoll an

Andacht zum 12. Sonntag nach Trinitatis
Eine als Frau lesbare Person umarmt von hinten eine als Mann lesbare Person im Rollstuhl, die am Laptop arbeitet.
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Der Autor

Jakob Kampermann
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Jakob Kampermann

Jakob Kampermann ist Pastor und Mitglied der Evangelischen Medienarbeit (EMA) der Landeskirche Hannovers.

Mein Nervensystem ist erkrankt.

So fällt immer mehr aus. Es gibt wohl keine Funktion des Körpers, die ohne Nerven funktionieren würde. Wahrscheinlich gar keine. Dass meine Beine nicht funktionieren wie früher, ist wahrscheinlich noch das Harmloseste.

Ich habe einige Zeit „off Label“-Infusionen bekommen, deren Nutzen auf Dauer aber fraglich ist und die deshalb abgesetzt wurden. Ein alternatives Medikament könnte als Nebenwirkung eine Makuladegeneration bewirken.

Wenn das Sehen die einzige Körperfunktion ist, die bisher noch funktioniert, will ich die aufs Spiel setzen?

Ich weiß, weil meinem Körper so vieles nicht mehr möglich ist, wie es ist, auf Hilfe anderer Menschen angewiesen zu sein. Und ich tausche mich mit anderen aus, denen es auch so geht.

Und da merke ich, dass ich mir dessen gar nicht so sicher bin. Ob sich das pauschal sagen lässt, dass ein Blinder lieber sehen möchte? Ein Gehörloser hören möchte? Oder gibt es auch Behinderte, die lieber in Ruhe gelassen werden möchten? Nicht von einem Arzt zum nächsten Wundertäter geschleppt werden...

Die sich wünschen, so angenommen und akzeptiert zu werden, wie sie eben sind. Damit haben sie ja selbst schon genug zu tun, sich zu akzeptieren. Hilfreich wäre da doch eher ein Akzeptiertwerden durch andere. Ja, könnte nicht die Welt sich dahin ändern, dass Behinderte gut in ihr leben können? Behindert ist man ja nicht, behindert wird man...

Ich hätte gerne Bibelgeschichten, die davon erzählen, wie Jesus einen Menschen mit Krankheit zurücklässt, allerdings heil.

Manches Leben kennt Krankheit und Einschränkung. Es bleibt wohl eine der härtesten Lernerfahrungen, die Menschen machen müssen, das anzunehmen. Es gibt Menschen, die das schaffen. Weil sie irgendwann doch dahin gefunden haben, den Wert ihres Lebens nicht nur in Kategorien von „gesund“ und „krank“ zu denken – wie hat Jesus das eigentlich gedacht?

Ich würde mich hüten, Krankheit und Einschränkung, Behinderung schönzureden. Aber ich nehme mit Respekt wahr, wo Menschen in neuer Weise scharfsichtig werden für das, worauf es in ihrem Leben ankommt – und dabei entdecken, dass es Schöneres und Wichtigeres gibt als Gesundheit.

Leben braucht Vertrauen. Leben lebt von Liebe, mit der andere uns ansehen. Sehend oder nichtsehend.

Sehend oder nichtsehend, darin sind wir uns gleich: Gott, der uns erdacht und gemacht hat, schaut uns liebevoll an. Ich nenne das: Gute Aussichten für das Leben.

Amen.

Biblischer Text,
Apostelgeschichte 3,1–10
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich Dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor dem Schönen Tor des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.
Jakob Kampermann