Höre!

Andacht zum Israelsonntag, 10. Sonntag nach Trinitatis
Zwei Kinder spielen mit einem Dosentelefon im Grünen.
Bild: Robert Kneschke/canva
Biblischer Text,
Markus 12,29–31
Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all deinem Verstand und mit all deiner Kraft. Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Die Autorin

Eine blonde Frau mit kurzen Haaren in gelber Bluse und grünem Jackett mit Brille lächelt.
Bild: Nico Herzog
Ursula Rudnick ist Beauftragte für Kirche und Judentum in der Service Agentur.

Mit diesen Worten zitiert Jesus zwei zentrale Gebote der jüdischen Tradition: das „Höre Israel“ und das Gebot der Nächstenliebe, das sich im dritten Buch Moses findet. Das „Höre Israel“, das vielen Kindern als erstes Gebet vertraut gemacht wird, ist für gläubige Jüdinnen und Juden auch das letzte. Im Sterben werden diese Worte gesprochen. In diesem Text sehen wir Jesus den jüdischen Lehrer. Seine Antwort auf die Frage nach dem höchsten Gebot ist durch das Hören und Tun von Christen zu einem christlichen geworden und wird es immer wieder neu.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem unzählige Menschen ermordet, zahlreiche als Geiseln verschleppt und viele weitere tief verletzt wurden, erleben wir einen tiefen Einschnitt – nicht nur in Israel, sondern auch hier in Deutschland. Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Juden erleben einen Antisemitismus, der immer dreister wird. Dadurch werden auch wir herausgefordert: Wie begegnen wir diesem Hass und Judenfeindschaft?

Was also heißt das – ganz konkret – für uns? Ich glaube, es beginnt mit dem, womit auch Jesus seine Antwort beginnt: „Höre!“ – „Schema“. Das Hören steht am Anfang.

Es bedeutet:

  • Zuhören, was jüdische Menschen heute bewegt.
  • Erkennen, wo christliche Rede über das Judentum kritisch zu prüfen ist.
  • Benennen, wo Antisemitismus sich zeigt – im Alltag, in Medien, in Politik und Gesellschaft.
  • Haltung zeigen, auch wenn es unbequem ist.

Ich wünsche mir eine Kirche, die sich als Verbündete jüdischen Lebens versteht. Eine Kirche, die schützt, lernt und handelt.

Wir können Zeichen setzen – durch Begegnungen, durch Bildungsarbeit, durch Präsenz in Krisenzeiten. Und durch klare Worte gegen antisemitische Hetze.

Amen.

Ursula Rudnick