Das dritte Gebot fordert uns auf, einen Tag in der Woche die Arbeit ruhen zu lassen. Muss man, muss Gott das tatsächlich fordern? So sehr wie alle arbeitenden Menschen sich auf das Wochenende freuen…? Und hören Sie sich erst einmal unter Schülerinnen und Schülern um! Gegen einen freien Tag hat wohl kaum jemand etwas einzuwenden.
Wer sich an einem Sonntagmorgen auf der Straße bewegt, der merkt sofort, dass vom sonst üblichen Berufsverkehr nichts zu merken ist. Alles ist viel ruhiger als sonst. Alles ist Ruhetag.
Das dritte Gebot tut uns Menschen gut. Mit göttlicher Legitimierung können wir es uns gut gehen lassen. Wir können in Frieden miteinander die Beine baumeln lassen, die Hände ruhen lassen und die Gedanken auslüften.
Dieses Gebot gilt nicht nur für uns Menschen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, darauf zu achten, dass auch unsere Kinder, Angestellten und Tiere einen Tag Pause machen. Auch die Fremden, die bei uns wohnen, sollen die Ruhe mitmachen. Darin steckt der soziale Charakter dieses Gebots. Nicht nur Einzelne, sondern die ganze Gesellschaft soll den gemeinsamen Ruhetag zu Begegnung und Sammlung nutzen – und genießen.
Wenn ich bedenke, wie Familien heutzutage räumlich voneinander getrennt wohnen und leben, leuchtet mir sofort ein, dass für alle derselbe Tag Ruhetag ist. Wäre das gesetzlich nicht geregelt, würde es schwierig, sich zu verabreden und sich zu treffen. Die Ausnahmen von der Regel – etwa Krankenhauspersonal und viele mehr – bestätigen diesen Eindruck. Sie erleben immer wieder diese Schwierigkeit.
Als Gebot Gottes hat dieses dritte allerdings nicht nur soziale Funktion, sondern auch religiöse. Die in dem dritten Gebot verordnete Ruhe wird auch inhaltlich gefüllt. Der Ruhetag wird mit dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten begründet. Darin steckt zweierlei: Zum einen soll in diesem Ruhetag die damals dem Volk Israel geschenkte Freiheit spürbar werden. Keinen Zwängen zu unterliegen – das ist Ruhetag. Tun und lassen zu können, was man will – das ist Feiertag. Begründet wird er mit der Freiheit von der Knechtschaft in Ägypten. Gleichzeitig ist er ein Vorgeschmack auf die himmlische Ruhe Gottes, zu der wir ein Leben lang unterwegs sind.
Zum anderen sollen wir uns am Ruhetag für Gott Zeit nehmen. Wir sollen uns erinnern, was er Großes an uns getan hat. Die Befreiung aus Ägypten ist dafür eine Chiffre. Was das in unserem eigenen Leben ist, klingt mitunter nicht so pompös wie die Wanderung eines ganzen Volkes. Meistens sind es kleinere Begebenheiten, die uns auch erst bewusst werden, wenn wir uns für sie Zeit nehmen. Der Ruhetag ist genau dafür hilfreich und wird „sozial-religiös“. Denn wir pflegen so unsere Beziehung mit Gott.
Amen.
2. Mose 20,8–11