Ssüh! Gott schließt mit uns einen neuen Bund

Andacht zum Sonntag Exaudi
Senioren im Gottesdienst
Ein Mann mit kurzen Haaren, Vollbart und Brille blickt in die Kamera.
Ralf Drewes ist Pastor in der Nordstädter Kirchengemeinde in Hannover.

Heute wollen wir ein bisschen Plattdeutsch lernen. Keine Sorge, es geht nur um ein Wort, das wir lernen, ein kleines Wort, eigentlich wohl das allerklitzekleinste, das die plattdeutsche Sprache parat hat. Ich habe noch meine plattdeutsche Oma vor Augen und natürlich im Ohr, wie sie dieses Wörtchen sagte oder besser hervorstieß: SSÜH!

Ssüh! Elfriede! Is gor nich inne Kark. Ja, will man im Plattdeutschen eine Aussage besonders hervorheben oder seine innere Beteiligung an einem Geschehen unterstreichen, dann eignet sich dafür dieser Ausruf. SSÜH! Dor is’t passeert! Man darf das Ssüh nicht verwechseln mit TSCHA. Tscha heißt: Ich habe jetzt alles gehört, was es zu dieser Sache zu sagen gibt, und bin mit der Gesamtsituation unzufrieden. Tscha! Nein, ssüh ist unübertroffen. Ssüh, nu sünd wi all dor. Es steckt Überraschung darin und vielleicht auch Erstaunen oder gar Erschrecken. Ssüh mol ssüh, dat is ja allerhand! Wenn Sie was zu erzählen haben, nutzen Sie Ssüh also unbedingt zur Gliederung und zur Steigerung ihres Berichts: Dor keem ik na Huus, ssüh, un dor weer dor Besöök. In unsere norddeutsche Umgangssprache übersetzt hört man an dieser Stelle bestenfalls ein Nä: „Da kam ich nach Hause, nä, und dann war da Besuch.“ Das passt ja gar nicht. Denn das Ssüh ist nicht bloß ein Füllwort wie das Nä, es kann viel mehr. Sowohl die Überraschung als auch das Erstaunen sind eingepackt in schiere Freundlichkeit. Wie heißt es vom wortkargen und gemütlichen Landmann: Ssüh, seggt de Buer, wenn he noog danzt hett.

Im Englisch-Unterricht würde es heißen „listen and repeat“, wir sagen: „Höör to un mook mit“: Uuuund: SSÜH! Danke! Jetzt haben Sie das erste Wort aus Jeremia 31,31 auf Plattdeutsch gesagt. Siehe! Und genauso muss es klingen: Überrascht, erstaunt, aufgemischt. Keinesfalls streng, auch nicht säuselig „siiiiehe!“ Die Bibel benutzt das Siehe als Ssüh. Die Bibel will uns damit aufrütteln, 1.228 mal taucht es auf. Ssüh! Es kommt die Zeit, da will Gott mit uns einen neuen Bund schließen.

Was ist daran denn aufrüttelnd?, möchte man fragen. Aber die Geschichte zeigt, was alles schiefgehen kann. Ssüh, nu steist du nackig in’ Salaat. Ein neuer Bund, trotzdem. Die Leute fragen zu gern nach Gott, mit dem sie zu eigenen Gunsten Kuhhandel treiben können. Wenn es ihnen schetterig geht. Und haben doch keine Ahnung, wo er wohnt. Wie er heißt. Was er will. Gerade jetzt, wenn wir sagen: „Er ist aufgefahren in den Himmel.“ Und das heißt doch: Dieser Kuhhandel-Gott ist unbekannt verzogen! Aber fern bleibt Gott nicht. Pfingsten kommt bestimmt. Neuer Bund. Dat hest nich dacht! Ssüh!

Biblischer Text,
Jeremia 31,31–34
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und ich will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den Herrn«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
Ralf Drewes