Heute wollen wir ein bisschen Plattdeutsch lernen. Keine Sorge, es geht nur um ein Wort, das wir lernen, ein kleines Wort, eigentlich wohl das allerklitzekleinste, das die plattdeutsche Sprache parat hat. Ich habe noch meine plattdeutsche Oma vor Augen und natürlich im Ohr, wie sie dieses Wörtchen sagte oder besser hervorstieß: SSÜH!
Ssüh! Elfriede! Is gor nich inne Kark. Ja, will man im Plattdeutschen eine Aussage besonders hervorheben oder seine innere Beteiligung an einem Geschehen unterstreichen, dann eignet sich dafür dieser Ausruf. SSÜH! Dor is’t passeert! Man darf das Ssüh nicht verwechseln mit TSCHA. Tscha heißt: Ich habe jetzt alles gehört, was es zu dieser Sache zu sagen gibt, und bin mit der Gesamtsituation unzufrieden. Tscha! Nein, ssüh ist unübertroffen. Ssüh, nu sünd wi all dor. Es steckt Überraschung darin und vielleicht auch Erstaunen oder gar Erschrecken. Ssüh mol ssüh, dat is ja allerhand! Wenn Sie was zu erzählen haben, nutzen Sie Ssüh also unbedingt zur Gliederung und zur Steigerung ihres Berichts: Dor keem ik na Huus, ssüh, un dor weer dor Besöök. In unsere norddeutsche Umgangssprache übersetzt hört man an dieser Stelle bestenfalls ein Nä: „Da kam ich nach Hause, nä, und dann war da Besuch.“ Das passt ja gar nicht. Denn das Ssüh ist nicht bloß ein Füllwort wie das Nä, es kann viel mehr. Sowohl die Überraschung als auch das Erstaunen sind eingepackt in schiere Freundlichkeit. Wie heißt es vom wortkargen und gemütlichen Landmann: Ssüh, seggt de Buer, wenn he noog danzt hett.
Im Englisch-Unterricht würde es heißen „listen and repeat“, wir sagen: „Höör to un mook mit“: Uuuund: SSÜH! Danke! Jetzt haben Sie das erste Wort aus Jeremia 31,31 auf Plattdeutsch gesagt. Siehe! Und genauso muss es klingen: Überrascht, erstaunt, aufgemischt. Keinesfalls streng, auch nicht säuselig „siiiiehe!“ Die Bibel benutzt das Siehe als Ssüh. Die Bibel will uns damit aufrütteln, 1.228 mal taucht es auf. Ssüh! Es kommt die Zeit, da will Gott mit uns einen neuen Bund schließen.
Was ist daran denn aufrüttelnd?, möchte man fragen. Aber die Geschichte zeigt, was alles schiefgehen kann. Ssüh, nu steist du nackig in’ Salaat. Ein neuer Bund, trotzdem. Die Leute fragen zu gern nach Gott, mit dem sie zu eigenen Gunsten Kuhhandel treiben können. Wenn es ihnen schetterig geht. Und haben doch keine Ahnung, wo er wohnt. Wie er heißt. Was er will. Gerade jetzt, wenn wir sagen: „Er ist aufgefahren in den Himmel.“ Und das heißt doch: Dieser Kuhhandel-Gott ist unbekannt verzogen! Aber fern bleibt Gott nicht. Pfingsten kommt bestimmt. Neuer Bund. Dat hest nich dacht! Ssüh!
Jeremia 31,31–34