Wir glauben, ohne zu sehen

Andacht zu Christi Himmelfahrt
Himmelfahrt
Landesbischof Ralf Meister Kloster Loccum
Bild: Insa Hagemann
Landesbischof Ralf Meister

„Wohin jetzt mit uns?“, fragt die Mutter ihre 17-jährige Tochter abends auf dem Sofa. Sie hat den leeren Sessel im Blick. Der immer dort saß, ist fort. Am Ende war es richtig, denn so wäre es nicht weitergegangen. Nur – wie soll es nun weitergehen? Wohin jetzt mit dem Leben? Die alte Zeit ist vorbei. Wie kann eine neue beginnen? Sie liegt im Nebel und zeigt sich noch nicht.

Glaube hält für wahr, was man nicht sieht. So muss es gewesen sein für die Jüngerinnen und Jünger. Alles hatten sie stehen lassen für ihren Lehrer und Meister. Jetzt sind sie es, die stehengelassen werden. Sie blicken zum Himmel, wohin er ihnen genommen wurde. Zugleich hallt nach, wie er sagte: „Ich bin bei euch alle Tage“. Geht das zusammen? Wie lebt man solchen Glauben? Ihr Weg zurück ist zugleich ein Weg nach vorn. Sie lernen zu glauben, ohne zu sehen.

Zu Himmelfahrt wird der Glaube erwachsen. Erst mit der Zeit geht ihnen auf: Er ist nicht fort, sondern am rechten Platz. Seit Himmelfahrt steht der Glaube auf anderen Füßen.

„Seht nicht zum Himmel“, wird den Jüngern gesagt. „Seht euch um, wohin ihr gehört. Es ist nicht die Zeit aufzuhören, sondern anzufangen. Es ist nicht das Ende, sondern ein Neubeginn. Ihr wisst nicht, wo die Reise hingeht? Findet Mut. Voran ist die Richtung des Glaubens. Glaubt, dass es zu etwas führt, auch wenn ihr es nicht seht.“

Von damals bis heute vollziehen Menschen die Übergänge des Lebens. Mehr als einmal erleben sie Vergeblichkeit, Verlust und Brüche und arbeiten sich heraus. Oftmals ohne zu wissen, wohin es sie führt. Das Bild der Himmelfahrt weist über die Grenzen der Vorstellungen und formiert in dieser Verwandlung Mut, Widerstand, Aufbruch. 

Als sich der Himmel öffnete, blieb auf der Erde der Glaube. Die Zurückbleibenden sammelten sich in ihrem Erstaunen. Dann lernten sie den offenen Himmel zu feiern. Wir glauben, ohne zu sehen, wir hoffen, ohne zu wissen, wir leben wir in dem, was uns verheißen ist. Christus spricht: „Ich bin da.“

Biblischer Text,
Apostelgeschichte 1,3–11
Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. Und als er mit ihnen beim Mahl war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr – so sprach er – von mir gehört habt; denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. Und als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, weg vor ihren Augen. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.
Landesbischof Ralf Meister