Bildung eröffnet Zukunft

Andacht zum Sonntag Estomihi
Ein Schulkind schreibt Buchstaben auf eine Tafel.
Bild: Canva/Getty Images

Der Autor

Ein Mann mit kurzen Haaren, Vollbart und Brille blickt in die Kamera.
Ralf Drewes

Ralf Drewes ist Pastor in der Nordstädter Kirchengemeinde in Hannover.

Beim Arzt im Wartezimmer. „Können Sie das für mich ausfüllen?“, sagt der Mann mit dem Arm in der Schlinge und reicht mir das Klemmbrett. Es stellt sich heraus: Die Schlinge ist nur Attrappe. In Wirklichkeit kann er nicht lesen und schreiben. Einer von 7,5 Millionen in Deutschland. Eigentlich unerträglich! Wenn vor Gott alle gleich sind – und vor Gott sind alle gleich – dann müssen auch alle Zugang zu der Gleichheit haben. Martin Luther erkennt das. Wenn nicht alle die gleiche Voraussetzung haben, dann muss man sie eben schaffen: Bildung. Luthers Mitarbeiter Philipp Melanchthon, der macht es zu seiner Aufgabe, flächendeckend für Schulen zu sorgen. Die Bildung aller Menschen macht uns fähig zu zwei Dingen: In einer geordneten Gesellschaft zu leben und mündig vor Gott zu stehen. Bildung ist die Voraussetzung dafür, das Evangelium selbst zu lesen und zu begreifen. Als Wertschätzung des Menschen von Gott her – und auf Gott hin – setzen sich Luther und Melanchthon für eine Schulpflicht für alle ein. Gut gemacht!

Wenn das jetzt nur alle wüssten! Warum fürchtet sich ein leistungsstarker Schüler vorm Durchfallen in der Prüfung? Warum sagt ein Pastor naiv: Jesus war der erste Querdenker? Warum will jemand, der die Evolutionstheorie verstanden hat, aus der Kirche austreten? Eine Bildungsfrage? Mit Paulus würde ich sagen: Diese hatten vielleicht alle Erkenntnis. Aber die Liebe nicht. Zum guten Leben reicht ein hoher IQ und hohe Wissensbildung nicht aus. Schlau kann eben auch dumm sein. Etwas fehlt. Der Mensch, der vor Gott steht und sich doch selbst finden will, dieses Bild ist aus der Bildung heraus gefallen. Bildung ist mehr als Vermittlung von Wissen. Bildung ist umfassender, es ist, was dem Menschen einen Blick für Sinn verleiht, ihn sich selbst finden lässt, was die Gegenwart lebbarer macht und was Hoffnung spendet und Zukunft eröffnet, das ist Bildung. Klemmbrett hin, Klemmbrett her. Darum braucht Bildung notwendig auch ein religiöses Wissen, das einem Mut gibt und zeigt, dass man wertvoll ist: Glaube, Liebe, Hoffnung. Gute Bildung – gerade die Schulbildung – hat die Seelen und Herzen unserer Kinder und Jugendlichen im Blick. Und unsere eigenen.

Biblischer Text,
1. Korintherbrief 13,1–13
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Ralf Drewes