Gina Ehr (22) wohnt in Groß-Schwülper (Landkreis Gifhorn), nördlich von Braunschweig. Ehr studiert Mathematik und Musik mit Hauptinstrument Orgel. Im Kirchengemeindeverband Okeraue spielt sie beinahe jede Woche im Gottesdienst. Wie es dazu kam und was die Faszination Orgel ausmacht, erzählt sie im Interview.
Frau Ehr, Sie sind jung und spielen begeistert Orgel. Warum nicht Geige, Gitarre oder Klavier?
Gina Ehr: Meine Klavierlehrerin in meinem Heimatdorf war auch die Organistin. Sie hat mich einfach mal probieren lassen, und ich fand das alles interessant. Der Klang ist super vielfältig, wie ein ganzes Orchester, das man mit Händen und Füßen bedienen kann. Ganz leise wie eine Flöte und ganz laut und pompös: So bin ich vom Klavier zur Orgel gerutscht.
Was kann dieses Instrument, was andere nicht können?
Ehr: Man wird koordinativ echt gefordert, es gibt viele verschiedene Klangfarben. Und ich mag eben ganz unterschiedliche Musik, Barock genauso wie Pop. Da ist man bei der Orgel ziemlich gut aufgehoben.
Viele finden Orgelmusik in der Kirche eher öde. Warum sehen Sie das anders?
Ehr: Ich glaube, einige spielen die Choräle im Gottesdienst sehr getragen. Man kann aber auch durchaus ein fröhliches Singtempo drauf haben, sonst wird es vielleicht auch langweilig für die Gemeinde. Und bei den freien Stücken, wenn die Gemeinde nicht mitsingt, kann man auch sehr moderne Musik spielen. Ich glaube, viele wissen nicht, dass man auch coole Sachen mit der Orgel machen kann.
Welche Musik muss ich auf Spotify oder Apple Music hören, um der Orgel zu verfallen? Oder geht das nur live?
Ehr: Die Präludien von Bach sind schon sehr eindrucksvoll, sehr pompös. In meiner Prüfung habe ich zum Beispiel das Präludium in C-Moll gespielt. Ab und zu gehe ich auch zu Konzerten. Aber hauptsächlich spiele ich selbst.
Wie sehr beschäftigen Sie sich mit der Technik des Instruments?
Ehr: Der Aufbau dieses Instruments ist für alle Orgelspielende immer ein Thema. Denn jede Orgel ist anders, hat andere Pfeifen und Register. Manchmal gibt es zwei, manchmal drei oder vier Manuale. Dann gibt es mehr Möglichkeiten, auch während eines Stückes den Sound stark zu variieren. Ein Klavier ist immer ähnlich aufgebaut, eine Orgel ganz und gar nicht.
Wie oft spielen Sie im Gottesdienst - und welche Tage und Gottesdienste sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ehr: Ende 2018 war mein erster Gottesdienst, ab 2019 habe ich dann alle zwei, drei Wochen gespielt, seit 2022 dann eigentlich jede Woche. Ich habe mal an Heiligabend vier Gottesdienste nacheinander gespielt. Das war mein persönlicher Rekord – aber auch sehr anstrengend, insbesondere die Christnacht um 23 Uhr. Wenn ich spiele, bin ich eigentlich sehr fokussiert – aber da war ich schon sehr müde. Dabei war es ein richtig toller Gottesdienst: Die Jugendlichen hatten ein Mini-Theaterstück vorbereitet und ich habe ein meditatives Vorspiel dazu gespielt. Musik in einer dunklen Kirche mitten in der Christnacht - das war schon eine ganz besondere Atmosphäre.
Und wie ist es im Alltag eigentlich, als Organistin eine Gemeinde zu begleiten? Singen die Menschen gut mit?
Ehr: Der Gesang ist meist eher verhalten. Ich finde das immer schade. Beim Erntedankfest neulich etwa wurde richtig gut mitgesungen, da habe ich mich gefreut. Aber beim normalen Gottesdienst ist meist eher wenig zu hören. Als Organistin bin ich natürlich auch immer ein bisschen versteckt.
In diesem Jahr haben Sie Kindern an den Orgel-Entdeckertagen das Instrument gezeigt und auch ein Konzert gegeben. Wie lief es mit dem musikalischen Nachwuchs?
Ehr: Wir haben hier vor Ort einen Tag für Konfirmandinnen und Konfirmanden organisiert. Einige haben eine Orgel gebastelt, parallel war ich mit einer kleinen Gruppe an der Orgel und habe ihnen Manuale und Register gezeigt. Wer wollte, durfte auch ausprobieren. Einige haben sich getraut – das hat mich sehr gefreut. Und alle sind in die Orgel reingegangen und haben die über 1.000 Pfeifen angeschaut. Ich habe auch etwas gespielt und alle haben sich an verschiedenen Punkten im Raum den Klang angehört. Ich hoffe, dass es ein paar Kindern gefallen hat und sie auch Lust auf das Instrument bekommen haben.