Landeskirche setzt Prioritäten für Umgang mit sexualisierter Gewalt

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Im Umgang mit Sexualisierter Gewalt hat eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitenden der Fachstelle, den verschiedenen Abteilungen im Landeskirchenamt, der Bischofskanzlei und der Pressestelle jetzt aktuell laufende und geplante Maßnahmen der Landeskirche geprüft: Wie weit sind die Empfehlungen und Ergebnisse aus den vorliegenden Aufarbeitungsstudien bereits umgesetzt worden und wo muss nachgesteuert werden? 

Zuletzt erschien im Juni 2025 der Aufarbeitungsbericht im Fall sexualisierter Gewalt und geistlichem Gebrauch durch Pastor Klaus Vollmer, im vergangenen Jahr wurden die breit angelegte ForuM-Studie der EKD und eine Studie zu einem Missbrauchsfall in Oesede veröffentlicht. Zu den daraus abgeleiteten Empfehlungen kommen Ideen und Vorschläge eines Werkstatttags im Dezember vergangenen Jahres mit mehr als 300 Teilnehmenden.

Insgesamt sind es mehr als 150 Empfehlungen, wie die evangelische Kirche in Zukunft Prävention, Intervention, Hilfe und Anerkennung stärken können. Hinzu kommen noch die Ergebnisse aus verschiedenen Dialogprozessen auf EKD-Ebene. 

Die Arbeitsgruppe benennt dazu neun Maßnahmenfelder, in denen sie die vorliegenden Empfehlungen gebündelt hat: 

  1. Betroffenenorientierung und -beteiligung
  2. Anerkennung und Hilfe
  3. Aufarbeitung
  4. Aus-, Fort- und Weiterbildung
  5. Intervention
  6. Überarbeitung der landeskirchlichen Grundsätze
  7. Prävention
  8. Themen-Sensibilisierung in Kirche und Diakonie (Organisationsentwicklung/Kulturwandel) 
  9. Umgang mit Macht im leitenden Handeln und Kommunikation 

Daraus hat die Arbeitsgruppe Herausforderungen entwickelt, die für die Landeskirche eine besondere Dringlichkeit haben und die prioritär bearbeitet werden. Über den ausführlichen Gesamtkatalog an Aufgaben und Aufträgen wird das Kollegium der Landeskirche voraussichtlich in seiner Sitzung Anfang Oktober beraten. 

Hier die priorisierten Maßnahmenfelder im Überblick:

Betroffenenbeteiligung: Die Landessynode entwickelt derzeit ein Konzept zum Rederecht betroffener Personen bei der Herbstsynode 2025. Alle weiteren Schritte für eine verstetigte Betroffenenbeteiligung wird die Landessynode im Anschluss bearbeiten. 

Anerkennungsleistungen: Die Rechtsabteilung der Landeskirche Hannovers führt auf Ebene der Konföderation die Gespräche zur Umsetzung der neuen Richtlinie zur Gewährung von Anerkennungsleistungen für von sexualisierter Gewalt betroffene Personen in den evangelischen Kirchen und diakonischen Landesverbänden. Ziel ist, die neue EKD-Richtlinie zum Jahresbeginn 2026 in Niedersachsen für die Kirche und Diakonie umzusetzen. 

Aufarbeitung: Das Kollegium des Landeskirchenamts hat seine Geschäftsordnung geändert, die jetzt ein Vorschlagsrecht der Fachstelle für externe Aufarbeitungsvorhaben vorsieht. Im laufenden Jahr hat das Kolleg bereits zwei neue Aufarbeitungsprozesse beschlossen, weitere sind in Planung. Außerdem sollen für alle namentlich bekannten Fälle betroffener Personen mit externer Unterstützung sogenannte „Kurzdossiers“ erstellt werden. Diese Kurzdossiers werden aufzeigen, ob zeitnah Maßnahmen getroffen werden müssen und mit welcher Priorität Aufarbeitungen vorgeschlagen werden sollen. Die Landeskirche wird im Bereich der Aufarbeitung eng mit der geplanten „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission Niedersachsen“ (URAK) zusammenarbeiten. 

Schulung, Aus-, Fort- und Weiterbildung: Die Schulung aller Mitarbeitenden hat neben der flächendeckenden Einführung von Schutzkonzepten eine hohe Priorität. Die ältere Rundverfügung aus dem Jahr 2021 zur Schulungspflicht für Mitarbeitende wurde durch eine neue Rundverfügung Anfang des Jahres ausgeweitet und an alle Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen verschickt: Danach sollen bis Ende 2026 alle Mitarbeitenden in Beruf und Ehrenamt geschult werden. Die Landeskirche prüft mit den Kirchenkreisen, ob zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden müssen und wie die Finanzierung sichergestellt werden kann.

Darüber hinaus sind alle Referate im Landeskirchenamt angewiesen, das Thema sexualisierte Gewalt im Rahmen von Aus-, Fort und Weiterbildung in den verschiedenen Curricula der landeskirchlichen Einrichtungen zu integrieren und weiterzuentwickeln. 

Intervention: Die Zahl der gemeldeten Fälle ist stark angestiegen; das zeugt unter anderem von einer gewachsenen Sensibilität in der Landeskirche. Immer häufiger richten sich die Beschuldigungen gegen ehrenamtlich Mitarbeitende, teilweise geht es dabei um Taten im privaten oder beruflichen Umfeld. Die Komplexität der Meldungen und der damit verbundene Beratungsbedarf haben stark zugenommen. Der Interventionsplan der Landeskirche soll diese Herausforderungen bis Ende des Jahres aufgenommen haben. Schon jetzt fließen entsprechende Aspekte in die laufende Arbeit der Meldestelle mit ein. 

Macht und Leitung: Kolleg und Bischofsrat haben sich mit dem Thema „machtsensible Kirche“ und den Ergebnissen des Werkstatttages vom vergangenen Dezember sowie den Empfehlungen des Vollmer-Aufarbeitungsberichts befasst. Es geht um den Umgang mit pastoraler und geistlicher Deutungsmacht und die Verbindung von sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch. Das Kolleg hat ein Eckpunktepapier verabschiedet zum Verhältnis der Landeskirche zu geistlichen Gemeinschaften, die in besonderer Verantwortung stehen, geistlichen Missbrauch zu verhindern. Geplant sind Kooperationsverträge mit allen der Landeskirche verbundenen Gemeinschaften. Außerdem soll es besondere Visitationen geben; erste Schritte zur Umsetzung sind bereits eingeleitet. Darüber hinaus wird das Thema Macht und Missbrauch theologisch weiter bearbeitet. Verantwortlich im Landeskirchenamt sind hierfür die Abteilungen für Bildungsarbeit und Theologische Grundsatzfragen. Für Materialien und Arbeitshilfen für eine machtsensible Gestaltung von Liturgie und Gottesdiensten, insbesondere hinsichtlich des Themas sexualisierter Gewalt, gibt es Gespräche mit dem Michaeliskloster.  

Pressestelle l EMA