
Hannover. Mit dem Forum „Überlebensfragen junger Menschen“ setzt die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers beim Kirchentag 2025 in Hannover einen Schwerpunkt, der weit über die Tage selbst hinausstrahlen soll. Jugendliche wurden nicht nur eingeladen, sondern begleitet, ermutigt und befähigt, ihre Fragen, Ideen und Visionen selbst zum Mittelpunkt zu machen. Herausgekommen ist ein buntes und tiefgründiges Programm, das sowohl mitten in der Innenstadt am Platz der Weltausstellung als auch im Zentrum Junge Menschen auf dem Messegelände erlebbar wird.
Herzstück des Ganzen sind zwei Container mit Bühne in der Innenstadt. Sie dienen als kreativer Treffpunkt und Plattform für Diskussion, Performances, Ausstellung und Interaktion. Verantwortet wird das Projekt von einem jungen Leitungsteam, das in einem intensiven Prozess von Alexander Schreeb, Pastor der Jugendkirche Hannover, und Stefan Wollnik, Stadtjugendpastor und Leiter des Stadtjugenddienstes Hannover, begleitet wird. Im Interview erklären sie die Hintergründe.
Herr Wollnik, geht es im Forum wirklich ums nackte Überleben oder wie kann man diesen aufrüttelnden Titel verstehen?
Stefan Wollnik: Der Titel ist bewusst stark gewählt. „Überlebensfragen“ meint nicht nur das physische Überleben angesichts von Klimakrise oder sozialer Ungleichheit. Es geht auch um psychisches, also seelisches, geistiges und gesellschaftliches Überleben. Junge Menschen erleben heute Krisen wie Erdbeben: Klimakrise, soziale Spaltung, mentale Erschöpfung. Für viele sind das nicht „Themen“, sondern Realität. Wenn eine 17-Jährige sagt: „Ich weiß nicht, ob ich Kinder bekommen soll – wegen der Zukunft“ – dann ist das eine Überlebensfrage.
Wie ist das Konzept entstanden und was erwartet Besucherinnen und Besucher an den Containern?
Alexander Schreeb: Das Konzept wurde partizipativ mit einer Gruppe junger Menschen erarbeitet, die über Monate hinweg gemeinsam mit uns die Inhalte, Formate und Themen des Forums entwickelt und ausgewählt haben. Dieser Prozess war kein symbolisches Mitreden, sondern echtes Mitgestalten. Auf dem Kirchentag wird das dann konkret: Es gibt ein buntes Programm in und um die Container auf dem Platz der Weltausstellung – mit Talks, Kunstaktionen, Workshops und Performances. Parallel läuft ein weiterer Teil im Zentrum Junge Menschen auf dem Messegelände.
Gab es bereits im Vorfeld Austausch mit Jugendlichen oder fließen die Ideen erst auf dem Kirchentag selbst ein?
Wollnik: Die Jugendlichen waren von Anfang an eingebunden. Das macht einen Unterschied wie Tag und Nacht. Wir haben gemeinsam mit einer Gruppe junger Menschen die Inhalte, Themen und Ausdrucksformen entwickelt. Und das nicht auf Zuruf, sondern in einem über zweijährigen Prozess mit Pre-Events, Diskussionen und Veranstaltungen. Die jungen Menschen sind nicht nur Zielgruppe, sondern Macherinnen und Macher dieses Forums – wir waren von Anfang an nur „Begleitende“.
Was ist das Besondere an Ihrem Beitrag zum Kirchentag und wer soll sich davon angesprochen fühlen?
Schreeb: Besonders ist, dass hier Kirche wirklich Raum gibt. Die Container und die Bühne stehen mitten in der Stadt, also dort, wo die Menschen sind: Kirchentagsbesuchende und Passantinnen und Passanten, die einfach zufällig vorbeikommen. Die Angebote sind niedrigschwellig, aber inhaltlich anspruchsvoll. Jugendliche ab 14 fühlen sich besonders angesprochen, aber letztlich sind alle eingeladen, die zuhören, fragen und gestalten wollen.
Welche Rolle spielt das Forum innerhalb des Kirchentagsprogramms – und was bleibt davon, wenn der Kirchentag vorbei ist?
Wollnik: Das Forum ist mehr als ein Programmpunkt. Es ist ein thematischer Schwerpunkt der Landeskirche Hannovers. Bei ihm geht’s um brennende Fragen. Und auf den drei eigenen Podien der Projektgruppe auf dem Kirchentag zu Social Media und gesellschaftlicher Veränderung, zur Frage nach Glauben und Kirche aus junger Sicht und zum Thema Grundversorgung und Gerechtigkeit, schaffen sich diese Fragen Gehör, bekommen sie „ein Forum“. Diese Podien und die Fragen zeigen: Junge Menschen haben etwas zu sagen. Und wir arbeiten daran, dass ihre Beiträge dokumentiert, geteilt und weitergeführt werden. Vielleicht tourt das Forum Überlebensfragen weiter. Vielleicht ist das hier der Prototyp für eine neue Art, Kirche zu denken: von unten, unperfekt aber mit offenem Herzen. Wenn junge Menschen sagen: „Ich habe zum ersten Mal erlebt, dass ich mit meiner Frage ernst genommen werde und nicht allein bin“ – dann war es das wert.