Geplante Gedenkstätte in Faßberg: Erfolgreicher Austausch über den Umgang mit Relikten aus der NS-Zeit

Eine als Frau lesbare Person gibt ein Interview und wird dabei gefilmt.
Bild: Anne-Katrin Schwanitz

Faßberg/Kreis Celle. Am 16. Januar 2025 hat in der Michaelkirche in Faßberg ein Weltcafé stattgefunden, zu dem Regionalbischöfin Marianne Gorka eingeladen hatte. Ziel der Veranstaltung war es, gemeinsam mit rund 50 Teilnehmende aus Kirche, Politik, Wissenschaft und der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten einen Prozess anzustoßen, um die Kirche und ihre umstrittene Glocke aus der NS-Zeit in eine Gedenkstätte zu integrieren.

Die Glocke, 1938 gegossen und mit Hakenkreuzen sowie einem Adler der Luftwaffe versehen, wurde 2017 abgehängt und durch eine neue ersetzt. Seither sorgte der Umgang mit diesem Relikt der NS-Zeit für Diskussionen. Die Michaelkirche selbst, erbaut von den Nationalsozialisten als Militärkirche, steht im Fokus der geplanten Gedenkstätte.

Bei ihrer Begrüßung betonte Gorka, wie wichtig der Dialog in diesem besonderen Format sei: „Ich freue mich, dass Sie da sind und offensichtlich bereit sind, sich heute Abend auf ein Experiment einzulassen. Das Weltcafé ist eine Methode, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, und wir möchten Sie einladen, Ihre Anregungen und Geschichten mit uns zu teilen.“

Die Regionalbischöfin hob zudem die Verantwortung der Kirche hervor, sich kritisch mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen: „Die Kirche hat die Aufgabe, sich klar von menschenverachtenden Ideologien abzugrenzen und zu zeigen, welche Werte sie heute vertritt.“

Pastor Rudolf Blümcke von der Faßberger St. Laurentuis-Kirchengemeinde beschreibt die spezifischen Herausforderungen: „Diese Kirche wurde von den Nationalsozialisten erbaut und trägt Symbole, die einen direkten Bezug zu dieser Zeit haben. Die Frage, wie wir mit solchen Relikten umgehen, ist entscheidend: Verdrängen wir diese Zeichen oder setzen wir sie in ihren historischen Kontext, um daraus zu lernen?“

Der geplante Gedenkort soll nicht nur die Glocke und die Geschichte der Kirche dokumentieren, sondern auch als Lernort für zukünftige Generationen dienen. „Wir möchten den Schrecken dieser Zeit sichtbar machen, aber auch zeigen, dass dieses Gebäude als solches nicht schlecht ist“, erläutert Pastor Blümcke.

Kai Hagemeier, Mitglied des Kirchenvorstands und Bauausschusses, beschrieb, was er sich von der Diskussion im Weltcafé erhofft: „Ich wünsche mir, dass die Gräben, die aufgeschüttet worden sind, wieder zugeschüttet werden und die Gemeinde zusammenwächst. Wir möchten diesen Kirchraum zu einem lebendigen Gemeindezentrum machen, das seiner Geschichte bewusst ist und zugleich in die Zukunft blickt.“

Die Initiativgruppe, die aus der Veranstaltung hervorgegangen ist, wird in den kommenden Wochen konkrete Pläne für die Gestaltung der Gedenkstätte erarbeiten. Ein weiteres Treffen ist für den 4. Februar 2025 geplant. Ziel ist es, einen Raum zu schaffen, der zur Reflexion über die Verbrechen des NS-Regimes anregt und zugleich die Rolle der Kirchen in dieser Zeit kritisch beleuchtet.

Die Michaelkirche in Faßberg hat das Potenzial, ein Ort der Auseinandersetzung mit der Geschichte zu werden – ein Ort, der zeigt, wie wichtig es ist, aus der Vergangenheit zu lernen und Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Hintergrund

In der bereits vor Jahren aufgebrandeten Auseinandersetzung um den Umgang mit einer Hakenkreuz-Kirchenglocke aus der NS-Zeit in Faßberg bei Celle zeichnet sich eine Lösung ab. Die evangelische Kirche in Faßberg solle ein „Denkort“ werden, sagte die Lüneburger Regionalbischöfin Marianne Gorka am Dienstag: „Der Glocke kommt dabei eine besondere symbolische Rolle zu.“

Zuvor hatte auf ihre Initiative hin eine Gruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Kirche, der örtlichen Politik, der Geschichtswerkstatt Faßberg sowie aus der Wissenschaft nach fünf Jahren die Beratungen zum Umgang mit der Glocke wieder aufgenommen. Die Hakenkreuz-Glocke wurde seit 2019 auf dem Dachboden verwahrt, nachdem sie abgehängt und durch eine neue Glocke ersetzt worden war.

Die umstrittene alte Glocke ist mit zwei Hakenkreuzen und einem Adler der Luftwaffe versehen. Sie stammt aus der Gründungszeit der heutigen Michaelkirche, die 1938 als Militärkirche für die deutsche Luftwaffe errichtet worden war. Es handelt sich laut den Angaben vermutlich um die einzige Kirche, deren Bau in der NS-Zeit vom Staat in Auftrag gegeben und finanziert wurde. Auch habe wohl sonst nirgendwo eine Kirchenglocke mit dem Hoheitszeichen der Luftwaffe existiert.

Aus Sicht des Initiativkreises ist die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte eine wichtige Grundlage für die Entwicklung des künftigen Gedenkortes. Dieser solle an die Verbrechen des NS-Regimes erinnern und zur kritischen Reflexion über die Rolle der Kirche in dieser Zeit anregen.

Die Hakenkreuze auf der Stahlglocke wurden 2017 bei Nachforschungen der hannoverschen Landeskirche entdeckt. In der Folge entbrannte ein Streit um den richtigen Umgang mit dem historischen Zeugnis. Im Herbst 2019 tauschte die Gemeinde die Glocke gegen eine neue aus, die mit einem schlichten christlichen Kreuz verziert ist.

Nach einer Komplettsanierung der Kirche sind nach Auskunft des Soltauer Superintendenten Heiko Schütte jetzt die Pläne für einen Gedenkort wieder aufgegriffen worden. Der Initiativkreis wolle zunächst die Mitglieder der Kirchengemeinde nach deren Vorstellungen befragen. Später sollen weitere Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden. Im Blick sei dabei auch, dass sich im kommenden Jahr das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal jährt. (epd)

Anne-Katrin Schwanitz, Sprengel Lüneburg