Würzburg. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat weitere Schritte zur Aufarbeitung der Fälle sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie beschlossen. Das Kirchenparlament stimmte am Mittwoch zum Abschluss seiner Jahrestagung in Würzburg einem Maßnahmenplan zu, demzufolge für Betroffene ein „Recht auf Aufarbeitung“ geschaffen und eine zentrale Ombudsstelle eingerichtet werden soll. Zum Tagungsschwerpunktthema „Migration, Asyl und Menschenrechte“ wurden Erklärungen verabschiedet, die sich für den Erhalt des individuellen Rechts auf Asyl, gegen Asylverfahren in Drittstaaten und für eine sachliche Diskussion über das Thema aussprechen.
Der zwölf Punkte umfassende Maßnahmenplan zu sexualisierter Gewalt sieht auch vor, die Gewaltschutzrichtlinie der EKD mit dem Ziel einheitlicher Standards in der Prävention sexualisierter Gewalt zu novellieren. Die Landeskirchen sollen ihre Personalakten systematisch nach möglichen Fällen sexualisierter Gewalt untersuchen. Außerdem will die evangelische Kirche ihr Sexualverständnis mithilfe von Experten kritisch reflektieren lassen und plant eine Publikation dazu.
Der Maßnahmenplan ist eine Konsequenz aus der zu Beginn des Jahres veröffentlichten ForuM-Studie zu Ausmaß und Ursachen von sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche. Erarbeitet wurde der Plan vom Beteiligungsforum, in dem Betroffene und kirchliche Beauftragte Empfehlungen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt formulieren. Die Beschlüsse des Gremiums haben für die EKD verbindlichen Charakter, müssen im Einzelnen aber förmlich aber von der Synode, dem Rat der EKD oder der Kirchenkonferenz, in der die 20 Landeskirchen zusammengeschlossen sind, beschlossen werden.
Betroffene sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche haben künftig zudem mehr Rechte in kirchlichen Disziplinarverfahren. Sie haben demnach künftig Anspruch auf Akteneinsicht, müssen über den Stand des Verfahrens informiert werden und haben das Recht, einen Beistand oder eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich beklagte zum Abschluss der Tagung vor Journalisten, die Diskussion um Flucht und Migration drehe sich aus politischem Kalkül zu sehr um Abschottung und Ausgrenzung. „Der heiße Wahlkampf wird die Temperatur auch bei diesem Thema massiv hochdrehen“, sagte sie. Heinrich betonte, die evangelische Kirche werde sich auch zukünftig für den Schutz von Geflüchteten engagieren.
Ein Beschluss des Kirchenparlaments thematisiert das Kirchenasyl. Nach mehreren Räumungen von Kirchenasylen wirft der EKD-Flüchtlingsbeauftragte Christian Stäblein den staatlichen Behörden eine Missachtung bisheriger Absprachen vor. „Es war ein gutes Agreement, dass wir auf solche Maßnahmen verzichten“, sagte der Berliner Bischof Stäblein. Er hoffe, dass man zur ursprünglichen Kooperation zurückkehre.
Kirchengemeinden gewähren abgelehnten Asylbewerbern Kirchenasyl, wenn sie besondere Härten erkennen. Seit 2015 gibt es zwischen Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Vereinbarung zum Umgang mit Kirchenasylen. Sie sieht vor, dass die Gemeinden ein Kirchenasyl melden und ein Dossier einreichen. Das Bundesamt wiederum sagte damals zu, diese Fälle einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen.
In der Schlussandacht der Synode wurden am Mittwochnachmittag neue Leitungspersonen in ihre Ämter eingeführt und ausgeschiedene Ratsmitglieder verabschiedet. Annette Kurschus war wenige Tage nach der Synodentagung vor einem Jahr als westfälische Präses und Ratsvorsitzende zurückgetreten. Ihr folgte zunächst kommissarisch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, die am Dienstag in Würzburg für die nächsten drei Jahre zur Ratsvorsitzenden gewählt wurde. Ihr Stellvertreter ist der sächsische Landesbischof Tobias Bilz.
Neue Mitglieder im 15 Mitglieder zählenden Rat sind der Berliner Bischof Christian Stäblein, die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-Reformierten Kirche, Susanne Bei der Wieden, und die Ordensschwester Nicole Grochowina.