Letzte Woche gab es einen schweren Unfall. Im Dorf nebenan hat ein junger Mann eine junge Frau überfahren. Sie verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Eine ganze Region ist in Aufruhr. Fassungslosigkeit und Wut, Mitleid und Leid, Angst und Trauer überschwemmen die Häuser, während sich die Nachricht verbreitet.
Die Notfallseelsorge ist im Einsatz. Aber wo? In den Familien, das ist klar. Eigentlich bräuchten wir gerade dutzende helfende Hände, offene Ohren, tröstende Gesten. Im Pfarrhaus kommen viele Nachrichten an, die Hilflosigkeit ausdrücken. Seelsorge ist oft: Hilflosigkeit gemeinsam aushalten.
Was ist das für ein Gott, der sowas zulässt? Diese Frage wird gestellt – offen oder leise. Ich stelle sie mir auch seit Jahrzehnten. Mein erster Gedanke: Es ist derselbe, der er auch vor zwei Wochen war. Damals, als das Leben noch normal schien – bei allem Irrsinn dieser Welt.
Manchmal wünsch ich mir, der Glaube würde uns vor allem Übel bewahren. Die Taufe wäre dann wie ein Schutzschild. Aber beides stimmt nicht. Jesu Botschaft sagt: Selbst im Leiden seid ihr nicht allein. Selbst im Tod wird Gott euch nicht fallen lassen.
Und doch fühlt sich diese Verkündigung angesichts des Unglücks fade an. Ich kann mir so leicht vorstellen, dass Gott eingreift, das Lenkrad dreht, und alle abends gesund heimkehren.
Vor und nach dem Unglück ist Gott derselbe. Gott, der uns bei Festen begleitet hat. Der gesehen hat, wie Kinder aufwachsen. Er ist an der Seite derer, die Krieg ertragen, Hunger aushalten, Kinder zu Grabe tragen. An der Seite der Partner, die allein im Bett schlafen. An der Seite der Schuldigen und der Wütenden.
Was ist das für ein Gott, der sowas passieren lässt? Der Gott, mit dem tausende Menschen Erntedank feiern. Weil sie aus Gott Hoffnung schöpfen. Weil er uns trotz allem verbindet. Er ist der Gott, der den Tod überwunden hat und Leben selbst in der tiefsten Finsternis kennt. Er hält unsere Klage aus, unsere Wutschreie und Verwünschungen. Er trägt es, wenn wir uns von ihm abwenden – und heißt uns willkommen, wenn es Zeit ist. Er wird uns aufhelfen, wenn wir wieder einen neuen Tag beginnen.
Er ist der Gott des Erntedank-Festes – also der Gott des neuen Tages, der nächsten Jahreszeit, des nächsten Jahres. Er hält die Welt am Laufen, auch wenn wir fühlen, dass sie gerade stillsteht. Er sorgt nicht dafür, dass es leicht wird – aber dass es leichter werden kann. Mit jedem Tropfen auf dem Feld und jeder Blüte, die nach dem Winter wieder durch den Boden bricht.
Amen.