„Es müsste noch viele weitere Ehrentage für wilde Pflanzen geben“

Zum „Tag des Unkrauts“ am 28. März erzählt Mona Gharib, Umweltreferentin im Haus kirchlicher Dienste, von der Nützlichkeit wilder Pflanzen.
Wunderlauch vor einem Baum

Es wird ausgerissen, vergiftet, mit Füßen getreten und mit abwertenden Namen belegt: Das Un-Kraut. Doch am 28. März lässt sich der Wildwuchs feiern: als "Tag des Unkrauts", zu Ehren der oftmals ungeliebten Kräuter, Gräser und Blumen. Im Netz verbundene Gartenblogger haben den Tag des Unkrauts 2003 eingeführt. Ziel ist es, die Wildpflanzen einfach mal mit anderen Augen zu betrachten.

Meistens wird den grünen Rebellen aus ästhetischen Gründen der Kampf angesagt. Gartenexperten sprechen von spontaner Begleitvegetation in Kulturpflanzenbeständen, den an der Wurzel zu packen gilt. Vor allem dann, wenn es in Blumenbeeten und zwischen dem Gemüse sprießt. Doch ob Gundermann, Wunderlauch oder Kriech-Quecke: Alle Kräuter wachsen wild und frei und lassen sich von uns Menschen nichts verbieten. Gut so, denn das vermeintliche Unkraut ist durchaus nützlich, ernährt Insekten, verknüpft Arten und Ökosysteme.

Außerdem sind erstaunlich viele der Wildkräuter – der Begriff meint alle möglichen Pflanzen, die nicht nur aus menschlicher Saat gewachsen sind – essbar. Und das Beste daran: Wildkräuter sind nicht nur in der Küche von Landeiern Thema, auch Städter können die gesunden Kräuter quasi überall sammeln und Köstliches daraus zubereiten. Noch dazu ist der Wildwuchs richtig gesund, geht glatt als Superfood durch. Brennnessel, Löwenzahn und Giersch enthalten nämlich deutlich mehr Vitamine und Mineralien als gezüchtete Salate und Kräuter.

Wozu sind wilde Kräuter und Pflanzen gut?

Mona Gharib ist Umweltreferentin im Haus kirchlicher Dienste

Was ist eigentlich Unkraut und wie erkennt man giftige Pflanzen? Das erklärt Mona Gharib, Referentin für Umwelt und Klimaschutz im Haus kirchlicher Dienste, im Interview.

Frau Gharib, gibt es eigentlich Unkraut oder ist das so ein typisches Menschenwort?

Gharib: Das ist ein typischer menschengemachter Begriff. In dem Wort steckt das „Kraut“ und beschreibt kleine, nicht verholzte Blattpflanzen. Sie betreiben Fotosynthese und tun somit wahrlich nur Gutes für Mensch und Umwelt. Der Wortteil „Un“ soll die Gattung eigentlich ins Abseits manövrieren, schließlich handelt es sich um Kräuter, die an der ein oder anderen Stelle unerwünscht sind. Wildkräuter klingt viel schöner. Und um Biodiversität, also Vegetationsvielfalt, in unserem Ökosystem zu fördern, müssen wir wortwörtlich ganz unten anfangen. Kräuter erfüllen hier wichtige Funktionen. Sie speichern wertvolle Nährstoffe für Menschen und Insekten. Wer also Schmetterlinge sehen möchte, muss beispielsweise Brennnesseln stehen lassen. Die sind nämlich beliebtes Raupenfutter. Und Wildkräuter schützen den Boden vor Erosionen. Gerade im Klimawandel ist es wichtig, Böden durch Tiefenlockerung zu durchlüften, und so die Bodenfunktionen zu stärken und zu fördern.

Wenn man in Wald und Wiesen spazieren geht und einen Blick an den Wegrand wirft, sind beinahe 80 Prozent der Prozent der Pflanzen essbar. Heißt das auch, dass alles schmeckt?

Gharib: Ich habe noch nicht alles probiert. Aber auf der Auswilderungsfläche meiner Rettungsstation für Eichhörnchen wächst unheimlich viel Giersch, der in Quark und zu Käse ganz wunderbar schmeckt. Ein Löwenzahnsalat sieht nicht nur schön aus, sondern der Gehalt an Vitamin A und C kann sich sehen lassen. Manchmal hilft es, über den Tellerrand hinauszuschauen. In Italien sind die bitterzarten Blätter ein fester Bestandteil der Küche. In der Heilkräuterküche sind Beikräuter ebenfalls ein Thema. So ist Beinwell mit seinem hohen Gehalt an Kieselsäure bei Durchblutungsproblemen hilfreich, Spitzwegerich gilt sogar als natürliches Antibiotikum und beschleunigt die Wundheilung. Viele Menschen wissen gar nicht, wie viel geballte Kräuterpower in der Natur wächst.

Was braucht man, wenn man Kräuter sammeln möchte? Wie unterscheide ich essbare von giftigen Pflanzen?

Gharib: Eine gute Bestimmungs-App ist ratsam. Wer unsicher ist, schließt sich einer Kräuterwanderung an.  

Wo sammelt man denn am besten Wildkräuter oder -pflanzen? Muss man sich um Hundepipi oder den Fuchsbandwurm sorgen? 

Gharib: Ganz gleich, ob man Pilze, Beeren oder Kräuter sammelt: Alles, was bei Spaziergängen im Körbchen landet, sollte zu Hause gründlich gewaschen oder abgebürstet werden. Übertreiben muss man aber nicht, denn je mehr wir uns von Schmutz und Bakterien fernhalten, desto mehr Infektionen bekommen wir.

Und wie sieht es mit der Nachhaltigkeit aus? Beim Pilze sammeln wird ja empfohlen, den Fruchtkörper über dem Boden abzuschneiden, damit der Mycel stehen bleibt und neue Pilze hervorbringen kann. Gibt es bei der Wildkrauternte auch etwas zu beachten?

Gharib: Oftmals stecken in den Wurzeln der Wildkräuter wertvolle Substanzen. Beim Sammeln sollten wir einfach bedenken, dass wir nicht nur die Kräuterküche erweitern, sondern auch Schmetterlinge und Wildbienen versorgt wissen wollen. In einem Kräuterkurs erfahren Interessierte, von welchen Pflanzen nur die Blätter abgeknipst werden sollten, und welche Kräuter beispielsweise Unterläufer bilden und auch wieder austreiben, wenn die Wurzel mitgeerntet wird. 

Und was fällt Ihnen zum Tag des Unkrauts ein?

Gharib: Ich find’s toll, dass an diesem Tag ein besonderer Fokus auf diese Pflanzenart gelegt wird und meinetwegen könnte es noch viele weitere Ehrentage geben.

Mona Gharib ist Umweltreferentin im Haus kirchlicher Dienste

Rezept: Brennnessel-Smoothie

Aus Brennesseln lassen sich gesunde Smoothies machen.

Brennnesseln kennt fast jeder. Und weil die frischen Blätter gerade sprießen, gibt es hier das Rezept für einen grünen, gesunden Brennnessel–Smoothie: 

Zwei Handvoll Brennnesselblätter mit einer großen Banane, einer Orange und einem guten Schuss Orangensaft in den Mixer oder Smoothie-Maker geben und auf höchster Stufe durchmixen. Beim Ernten darauf achten, die Blätter von unten nach oben streichend zu pflücken. Gemixt brennen die Nesseln nicht mehr. 

Tanja Niestroj