Weihnachten in Jerusalem: An das Licht der Welt erinnern

Joachim Lenz ist Propst in Jerusalem und erlebt die Stadt im Advent 2023 in beklemmender Stimmung – zwar nicht direkt im Kriegsgeschehen, aber doch betroffen. Wie lässt sich Weihnachten mit Krieg in Israel verbringen?

Ein Mann mit grauen Haaren und weißem Hemd, der Hintergrund ist verschwommen.
Bild: Christian Jungwirth
Joachim Lenz ist Propst in Jerusalem.

Herr Lenz, wie ist die Situation in Jerusalem?

Lenz: Wir merken in der Stadt nicht direkt den Krieg in Form von Bomben oder Schüssen – Jerusalem ist als ungefährlich deklariert und der Alltag läuft beinahe normal, wobei die Stimmung sehr gedrückt und beklemmend ist, denn der Gazastreifen ist nur 80 Kilometer entfernt. Und auf der anderen Seite der Mauer, im Westjordanland, ist das alltägliche Leben fast zum Erliegen gekommen. Dort leben viele Menschen finanziell von Pilgernden, von Touristen – die fehlen nun. Ich weiß wirklich nicht, wovon die Menschen dort gerade leben. Das ist eine der vielen kleinen Katastrophen in der Folge der großen Katastrophe von Terror und Krieg.

Sie waren für eine Konferenz für ein paar Tage in Deutschland. Wie haben Sie diesen Wechsel zwischen den Ländern erlebt? Hier toben die Menschen über Weihnachtsmärkte und shoppen Geschenke – wären Sie gern hiergeblieben?

Lenz: Es war etwas leichter in Deutschland – aber ich wollte zurückkehren; ich lebe in Jerusalem, hier ist meine Gemeinde. Ich ging aber nicht mit leichtem Herzen.

Wie werden Sie mit Ihrer Gemeinde Weihnachten begehen? Wird es überhaupt Weihnachten werden?

Lenz: Normalerweise gibt es bei uns vier Gottesdienste, die alle gut besucht sind, einer mit einer anschließenden Wanderung in der Heiligen Nacht nach Bethlehem, das etwa acht Kilometer entfernt ist. Das wird dieses Jahr alles nicht stattfinden, sondern nur ein einziger Gottesdienst. Die Kirchen in Jerusalem haben entschieden, dass es nur Gottesdienste geben wird, aber keine weiteren Feste, Weihnachtsmärkte oder ähnliches. Feiern passen nicht in die traurige Zeit.

Ein Mann mit grauen Haaren und weißem Hemd, der Hintergrund ist verschwommen.
Bild: Christian Jungwirth
Joachim Lenz ist Propst in Jerusalem.
Ein Mann geht durch eine schmale Straße, die hell gepflastert ist, an einem Kirchturm vorbei.
Bild: Bilhan Derin
Die Erlöserkirche in Jerusalem. Die meisten Läden sind seit Kriegsbeginn geschlossen, es sind keine Touristen da und viele im Land trauen sich nicht mehr in die Altstadt.

Was bedeutet Weihnachten für Sie in dieser Zeit? Gibt es Hoffnung – oder gerade nicht?

Lenz: Von Hoffnung ist nicht leicht zu erzählen, wenn niemand eine gute Idee hat, wie die Zukunft denn gestaltet werden kann. Genau das ist aber derzeit das alles beherrschende Gefühl im Heiligen Land. Die Weihnachtsgeschichte spielt allerdings selbst in dunkler Zeit. Wir in der Erlöserkirchengemeinde wollen uns und andere daran erinnern, dass unsere Hoffnung als Christenmenschen mit dem Christfest zu tun hat: Wenn es einen Erlöser gibt, gibt es auch Erlösung. Wenn es einen Friedefürsten gibt, muss Frieden möglich sein. Wir orientieren uns an unserem Erlöser und Friedefürsten. Davon geht Hoffnung aus.

Können wir in Deutschland guten Gewissens Weihnachten feiern – sei es mit den Gedanken an das Leid im Nahen Osten, aber doch irgendwie fast wie immer?

Lenz: Das Licht scheint in der Finsternis – so heißt es in einem der Bibeltexte, die in den Weihnachtsgottesdiensten gelesen werden. Weihnachten feiern, zum Christfest an das Licht der Welt zu erinnern, trotz all der Not, die ja nicht nur im Heiligen Land herrscht: Ja, bitte! Gerade jetzt! Und dabei dann gern auch für den Frieden in Jerusalem, im Heiligen Land und der ganzen armen Welt beten!

Ein Mann geht durch eine schmale Straße, die hell gepflastert ist, an einem Kirchturm vorbei.
Bild: Bilhan Derin
Die Erlöserkirche in Jerusalem. Die meisten Läden sind seit Kriegsbeginn geschlossen, es sind keine Touristen da und viele im Land trauen sich nicht mehr in die Altstadt.
Christine Warnecke / EMA