„Klimaschutz macht Arbeit, ist aber unabdingbar“

Interview mit Adalbert Schmidt, Leiter der Umweltschutzabteilung im Landeskirchenamt
Eine große Photovoltaikanlage auf einer Freifläche, dahinter ein Windrad.

Das Thema Klimaschutz ist bei der Herbsttagung der Landessynode erneut ein Schwerpunktthema. Am Freitag steht das Klimaschutzgesetz der Landeskirche zur Abstimmung. Im Interview erläutert Adalbert Schmidt, was auf Kirchengemeinden, Kirchenkreise und Landeskirche zukommen könnte. Der Oberlandeskirchenrat leitet die Abteilung Immobilienwirtschaft und Umweltschutz im Landeskirchenamt.

Bei der kommenden Synode soll das Klimaschutzgesetz der Landeskirche beschlossen werden. Gab es seit der Frühjahrssynode noch Änderungen am Gesetzestext?

Adalbert Schmidt: Der Entwurf wurde nach der Frühjahrssynode in mehreren Synodenausschüssen intensiv diskutiert. Daraus ergab sich noch ein Änderungsbedarf in Bezug auf das Thema Photovoltaik. Dies ist aktuell in den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen ein wichtiges Thema. Hier ist noch der Aspekt einer Prüfpflicht für die kirchlichen Gebäude auf ihre Eignung zur Solarenergie ergänzt worden. In der Gesetzesbegründung ist eine Präzisierung zu dem Punkt aufgenommen worden, was unter den kirchlichen Standards für nachhaltiges Bauen zu verstehen ist und wo diese definiert werden.

Durch das Gesetz kommt voraussichtlich Mehrarbeit auf die Verwaltungen aller kirchlichen Ebenen zu. Wie verhindern Sie, dass sich etwa Kirchenkreise überfordert fühlen und vor allem frustriert wegen der zusätzlichen Arbeit sind?

Schmidt: Klimaschutz macht Arbeit, das stimmt. Und die Kirchengemeinden und Kirchenkreise sind aktuell mit zahlreichen Aufgaben belastet. Andererseits ist Klimaschutz unabdingbar und wünschenswert und bedarf zusätzlicher Bemühungen. Gerade bei den Kirchen wird deren Arbeit für den Klimaschutz und für die Bewahrung der Schöpfung intensiv nachgefragt und verfolgt. Der vorliegende Entwurf des Klimaschutzgesetzes hat das zentrale Ziel, die notwendigen Aufwendungen für den Klimaschutz so effizient zu gestalten, wie es nur geht. Deswegen der Ansatz über die verbindliche Systematik, über transparente Prozesse, über vor Ort beschlossene Maßnahmen im Rahmen von Managementkonzepten. Aber, wie gesagt, ohne Beiträge kirchlicher Verwaltungen, von Kirchenkreisen, Kirchengemeinden und dem Landeskirchenamt, kann es nicht funktionieren. Wichtig wird es sein, die Ziele des Gesetzes und die Umsetzungskonzepte engagiert und transparent, aber auch unaufgeregt zu kommunizieren.

Ein mittelalter Mann mit weißem Hemd und grauem Sakko.
Bild: Jens Schulze
Adalbert Schmidt

Die Umsetzung der Maßnahmen, etwa der Austausch von Heizungen in Gemeindehäusern, wird erhebliche Mehrkosten für die Landeskirche bedeuten. Wo soll das Geld herkommen?

Schmidt: Heizungsanlagen in kirchlichen Gebäuden müssen ohnehin sukzessive erneuert werden und der tatsächliche Bedarf wird sich an der Entwicklung des Gebäudebestandes an sich orientieren. Von Mehrkosten kann man insoweit nicht unbedingt sprechen. Heizungen gehen kaputt oder sie halten die Grenzwerte des Emissionsschutzgesetzes nicht mehr ein oder es wäre unwirtschaftlich, sie weiter zu betreiben, weil sie so ineffizient geworden sind und sich die Energiekosten verteuert haben und perspektivisch noch deutlich weiter verteuern. Zurzeit werden in etlichen Gebäuden Heizungen betrieben, die aus wirtschaftlichen Gründen schon hätten ersetzt werden müssen. Wir verschwenden also im Grunde Geld, wenn wir ineffiziente Heizungen nicht schnell erneuerten. Mehrkosten würden nur dann entstehen, wenn ein Gebäudeeigentümer eine funktionierende und den aktuellen Regelungen entsprechende alte Heizung um des Klimaschutzes willen umgehend durch ein neues Heizsystem ersetzen will. Das kann man machen, das bietet sich auch an, wenn man das Geld übrig hat, aber das Klimaschutzgesetz der Landeskirche schreibt das nicht vor. Also keine unmittelbaren investiven Mehrkosten durch das Klimaschutzgesetz. Tatsächlich ist über die gegenwärtig vorhandenen Mittel für die bauliche Unterhaltung und klimagerechte Sanierung von Gebäuden und Heizungen hinaus keine weitere Bereitstellung von Mitteln geplant.

Die Präsidentin der Klosterkammer, Thela Wernstedt, wurde kürzlich mit den Worten zitiert: „Wer viele Flächen und auch viele Dachflächen zur Verfügung hat wie die Klosterkammer, der muss sich mit der Frage beschäftigen, wo sich zum Beispiel Photovoltaik installieren lässt.“ Auch die Landeskirche will Kirchenkreisen und Kirchengemeinden nun empfehlen, kircheneigenes Land an Investoren zu verpachten, die darauf Solaranlagen errichten wollen. Was sind neben dem Beitrag zum Klimaschutz die Vorteile?

Schmidt: Auch in der Landeskirche beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage der Installation von Photovoltaikanlagen. So wollen auch die Landeskirche und ihre Körperschaften durch die Erzeugung regenerativer Energien einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit leisten. Für Photovoltaikanlagen auf Freiflächen wird es aber nach der entsprechenden Vorlage für die Synode keine unbedingte Empfehlung geben. Vielmehr sind Kirchengemeinden angehalten, über eine Flächenüberlassung für diesen Zweck im Einzelfall unter Abwägung möglicher Zielkonflikte zu entscheiden. Zwar ist der Einsatz von Freiflächenphotovoltaik für die Erreichung der angestrebten Ausbauziele nicht verzichtbar und für Kirchengemeinden neben der Bereitstellung von Flächen für Windenergie eine weitere Möglichkeit. Zudem lassen sich durch eine entsprechende Nutzungsüberlassung weitaus höhere Erträge erzielen als durch die Verpachtung für landwirtschaftliche Zwecke. Nicht zu unterschätzen ist ferner der mit einer Installation von Photovoltaikanlagen verbundene Effekt der Dokumentation kirchlichen Willens und Handelns zur Bewahrung der Schöpfung. Diesem würde ich aber nicht die erste Handlungspriorität einräumen.

Welche Zielkonflikte für Kirchengemeinden meinen Sie?

Schmidt: Wenn kirchliche Körperschaften selbst Anlagen errichten und betreiben, binden sie dadurch Kapital und verpflichten sich zu einem Verwaltungsaufwand, der ein gewisses Knowhow und Zeit verlangt. Photovoltaikanlagen sollten nur dort gebaut werden, wo sich für die kirchlichen Flächen- oder Gebäudeeigentümer ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt. Ansonsten setzen wir kirchliche Mittel nicht sachgerecht und wirtschaftlich ein und sollten diese stattdessen lieber in Gebäudedämmung oder neue Heizungen investieren, um unmittelbar den Energieeinsatz und Betriebskosten zu verringern. Soweit aber die Liquidität der Körperschaften im Übrigen gesichert ist und die Anlagen wirtschaftlich, also rentierlich betrieben werden, rücken die genannten Aspekte eher in den Hintergrund. Da allerdings landwirtschaftliche Nutzflächen schon jetzt eher knapp sind, werden durch Freiflächenanlagen weitere Flächen entsprechenden Zwecken entzogen. Hier kann es zu Unmut bei Landwirtinnen und Landwirten führen, die das Land gerne für landwirtschaftliche Zwecke gepachtet hätten. Nicht zu unterschätzen sind auch mögliche Auswirkungen gerade großflächiger Anlagen auf die Flora und Fauna der Standorte und auf das Landschaftsbild überhaupt. Allerdings ist der Widerstand in der Bevölkerung gegen Freiflächenphotovoltaik bislang nicht so ausgeprägt wie gegen Windkraftanlagen.

Ein mittelalter Mann mit weißem Hemd und grauem Sakko.
Bild: Jens Schulze
Adalbert Schmidt
Auch auf Kirchengebäuden ist Photovoltaik möglich – wenn nicht der Denkmalschutz dem entgegensteht.

Wie sieht es mit Photovoltaik auf Kirchendächern aus? Hier gab es zuletzt auch kritische Stimmen von staatlichen Denkmalschutzbehörden.

Schmidt: Es gibt vielfach den Wunsch von Kirchengemeinden, auf den Dächern auch von denkmalgeschützten Kirchengebäuden Photovoltaikanlagen zu errichten. Dies ist unter den bereits oben genannten Gesichtspunkten gut nachvollziehbar und wünschenswert. Auch sind die typischen Gebäudecharakteristika für die Erzeugung gebäudebezogener Solarenergie ideal. Allerdings unterliegen Eingriffe in ein Baudenkmal den Vorgaben des Denkmalschutzgesetzes in Niedersachsen. Zudem hat sich die Landeskirche im Loccumer Vertrag mit dem Land Niedersachsen verpflichtet, Baudenkmalen ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ungeachtet einer grundsätzlichen Öffnung in der aktuellen Fassung des Denkmalschutzgesetzes zugunsten von Eingriffen, die der Erzeugung regenerativer Energien dienen, ist die Installation von Photovoltaikanlagen im Einzelfall mit den staatlichen Denkmalschutzbehörden abzustimmen. Hier wird es dann aus bauhistorischen oder ästhetischen Gründen auch Widerstände gegen entsprechende Eingriffe geben. Meines Erachtens sollten die Eigentümerinnen und Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden und die Denkmalschutzbehörden behutsam vorgehen. Das heißt, bei wenigen, aus Denkmalschutzsicht besonders bedeutsamen Kirchen auf PV-Anlangen verzichten, bei allen anderen Gestaltungen finden, die von allen Seiten akzeptiert werden können.

Zu welchen Punkten erwarten Sie noch Diskussionen in der Synode?

Schmidt: Das ist nicht vorhersehbar. Synodaldebatten sind offen, frei und entwickeln sich häufig auch spontan. Ich wünsche mir eine offene und engagierte Debatte zu den klimaschutzrelevanten Themen und Zielen. Und am Ende Entscheidungen oder Kompromisse, die es ermöglichen, in den Bemühungen um den Klimaschutz auf Seiten der Kirche entscheidend weiterzukommen. Gerade auch im Hinblick auf künftige kirchliche Generationen und die Gesellschaft überhaupt.

Die Fragen stellte Lothar Veit / EMA