Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers trauert um Prof. Dr. Karl-Fritz Daiber, der am 25. Mai 2025 im Alter von 93 Jahren verstorben ist. Er gründete 1971 die Pastoralsoziologische Arbeitsstelle der Landeskirche, die 2004 von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) übernommen und zusammen mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut Bochum in das heutige Sozialwissenschaftliche Institut der EKD zusammengeführt wurde.
Landesbischof Ralf Meister sagt: „Prof. Dr. Karl-Fritz Daiber war ein wegweisender Theologe, der die Kirche mit klarem Blick und wissenschaftlicher Neugier herausgefordert und bereichert hat. Seine Arbeit hat den Dialog zwischen Theologie und Sozialwissenschaften profiliert und geschärft – und damit auch das Selbstverständnis der Landeskirche in einer sich wandelnden Gesellschaft entscheidend geprägt. Wir sind ihm zu tiefem Dank verpflichtet.“
Karl-Fritz Daiber wurde am 6. August 1931 in Ebingen (Baden-Württemberg) geboren. Nach dem Abitur begann er 1951 ein Studium der Evangelischen Theologie und Soziologie an den Universitäten Tübingen und Erlangen. Bereits früh zeigte sich sein Interesse an der Verbindung von Theologie und Gesellschaftswissenschaften, was ihn später zu einem der Pioniere der Pastoralsoziologie in Deutschland machen sollte.
Nach seinem ersten theologischen Examen war Daiber von 1958 bis 1971 als Gemeindepfarrer in Creglingen an der Tauber tätig. Parallel dazu absolvierte er ein berufsbegleitendes Soziologiestudium in Erlangen, das er 1967 mit einer Promotion zum Dr. phil. abschloss. Seine Dissertation trug den Titel „Die Kultur als soziales System“ und legte den Grundstein für seine spätere interdisziplinäre Forschung. 1972 habilitierte er sich in Praktischer Theologie an der Universität Göttingen.
Ein Meilenstein in Daibers Wirken war die Gründung der Pastoralsoziologischen Arbeitsstelle der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Jahr 1971 auf seine Initiative hin. Den Impuls für die Gründung verfolgte er aus der Einschätzung heraus, dass die Ausbildung von Vikarinnen und Vikaren unbedingt empirisch zu fundieren und die kirchliche Praxis wissenschaftlich zu begleiten seien.
„Wir erinnern uns an Karl-Fritz Daiber als einen klugen, zugewandten und stets neugierigen Menschen, der mit seinem Denken und Handeln viele inspiriert hat“, sagt Prof. Dr. Georg Lämmlin, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. „Sein Wirken in der kirchlichen Praxis und in der theologischen Forschung lebendig zu halten, sehen wir im Sozialwissenschaftlichem Institut als Auftrag und Verheißung. Sein Credo, ‚erst zu erkunden und nur dann zu bewerten‘, inspiriert uns weiterhin.“
Auch Prof. Dr. Gerhard Wegner, Gründungsdirektor des Sozialwissenschaftlichen Instituts und dessen Leiter bis 2019, würdigt Daibers Pioniergeist: „Mit der Habilitation und dem Weg nach Hannover stand für ihn etwas nach wie vor völlig Aktuelles im Vordergrund: die Kirche als soziale Organisation. Von der kirchlichen Regionalplanung über Teampfarrämter und zielgruppenbezogene Arbeit, der Infragestellung monologischer Verkündigung, der Entdeckung der Arbeit mit Gruppen und vielem anderen kam etwas in Gang, was nicht selten bis heute unabgegolten ist.“
Von 1988 bis 1996 war Daiber Professor für Praktische Theologie und Religionssoziologie an der Philipps-Universität Marburg. Auch nach seiner Emeritierung blieb er wissenschaftlich aktiv und lehrte von 2000 bis 2006 als Lehrbeauftragter für Religionssoziologie an der Universität Hannover. In dieser Zeit unternahm er auch mehrere Forschungsreisen nach Ostasien, insbesondere nach China, Indonesien und Südkorea, wo er sich mit dem religiösen Konfuzianismus und den Transformationsprozessen religiöser Praxis unter den Bedingungen der Moderne beschäftigte.
Seine Forschungsschwerpunkte lagen in der Theorie der Praktischen Theologie, der Homiletik, der Diakoniewissenschaft sowie in der empirischen Erforschung von Gemeindeaufbau und kirchlicher Identität. Besonders hervorzuheben ist sein Beitrag zur Verbindung von Theologie und empirischer Sozialforschung, was ihn zu einem der bedeutendsten Vertreter der Pastoralsoziologie in Deutschland machte.
Anlässlich seines 90. Geburtstags wurde sein Lebenswerk im Rahmen einer Tagung des Sozialwissenschaftlichen Instituts gewürdigt, deren Beiträge im Sammelband „Zukunftsaussichten für die Kirchen: 50 Jahre Pastoralsoziologie in Hannover“ erschienen sind, der seine Pionierarbeit und den nachhaltigen Einfluss seiner Forschung auf die Evangelische Kirche dokumentiert.
Hannover, den 5. Juni 2025
Lothar Veit
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