Hannover. Nach den persönlichen Statements von Betroffenen sexualisierter Gewalt vor dem evangelischen Kirchenparlament in Hannover hat der Betroffenenvertreter Detlev Zander auch eine politische Auseinandersetzung mit dem Thema gefordert. „Erzählen individueller Biografien alleine ist keine institutionelle Aufarbeitung“, sagte Zander am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er erlebe in vielen Synoden das gleiche Muster: Sobald eine Betroffene oder ein Betroffener spreche, gerieten viele Synodale in eine Art „Betroffenheitsstarre“. „Man ist erschüttert, man ist bewegt – aber politisch passiert danach oft erstaunlich wenig.“
Es reiche nicht aus, dass alle erschüttert seien, sagte Zander, der sich im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie engagiert. Es brauche Entscheidungen, Konsequenzen und Ressourcen. Und es brauche Mut, Machtfragen anzufassen, Widerspruch auszuhalten und sich mit den eigenen Versäumnissen auseinanderzusetzen – „und zwar auf Leitungsebene, nicht nur im Gefühlsraum einer Synode“, sagte Zander.
Er nehme wahr, dass viele Betroffene sprechen wollten, weil sie das Gefühl hätten, dass nichts passiere. Dort beginne der politische Auftrag. „Die Kirche muss endlich aufhören, sich in emotionalen Momenten selbst zu beruhigen. Individuelle Berichte dürfen nicht länger der Ort sein, an dem sich die Institution moralisch entlastet. Die Betroffenen erzählen ihre Geschichten nicht, damit die Kirche sich besser fühlt – sondern damit gehandelt wird“, betonte Zander. Natürlich sollten Betroffene sprechen dürfen, aber nicht als Vorwand, um politische Entscheidungen wieder zu vertagen. Er habe großen Respekt vor jedem, der den Mut dafür aufbringe, vor einer Synode von Gewalterfahrungen zu berichten.
Zander gehörte 2019 selbst zu den ersten Betroffenen, die vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gesprochen hatten. Seither war er auf vielen Landessynoden zu Gast. Während der Tagung der Landessynode in Hannover hatten am Mittwoch mehrere Betroffene den Delegierten ihre Erfahrungen mit der Institution Kirche berichtet. Die Synode verabschiedete im Anschluss eine Erklärung, in der sie auch eigene Versäumnisse als Kontrollgremium einräumte. Darin heißt es auch, die Synode wolle „vom Nichthandeln zum Handeln“ kommen.