Hannover, Berlin. Kirchliche Sozialverbände dringen auf eine tiefgreifende Pflegereform. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) heißt es, die sich abzeichnenden Ergebnisse der derzeit tagenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform reichten nicht aus. Die Verbände, unter ihnen die Diakonie in Niedersachsen, fordern einen Pflegegipfel im kommenden Jahr.
„Es ist nicht mehr die Zeit für kleinteilige Reformschritte und Scheinlösungen“, heißt es in dem Brief, der unter anderem vom Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege, der Johanniter-Unfall-Hilfe sowie mehreren Diakonie- und Caritasverbänden unterzeichnet ist. Das kürzlich beschlossene Darlehen für die Pflegeversicherung verkenne die prekäre Lage und verschiebe die Lasten nur in die Zukunft.
Der Zwischenbericht der Bund-Länder-Kommission und die Debatte um eine mögliche Streichung des Pflegegrads 1 zeigten, dass die Frage, wie das Pflegesystem strukturiert sein müsste, nicht im Fokus stehe. Stattdessen gehe es überwiegend um Finanzierungsfragen.
Der niedersächsische Diakonie-Chef Hans-Joachim Lenke erklärte in Hannover, in Deutschland sei jeder sechste Mensch direkt oder indirekt von Pflege betroffen. Gleichzeitig wachse die Sorge über die steigenden Eigenanteile, denn schon jetzt könnten viele Pflegebedürftige und ihre Lebenspartner die notwendigen Leistungen kaum mehr bezahlen. „Es darf nicht sein, dass Pflege im Sozialstaat zur Armutsfalle wird.“
Die Diakonie besitze eine hohe pflegefachliche Kompetenz bei Fragen zur Pflege am Menschen, aber auch zur Finanzierung, unterstrich Lenke. „Wir wissen, was die zu Pflegenden und unsere Pflegekräfte umtreibt.“ Die Diakonie habe fachlich fundierte Konzepte zur Refinanzierung der Pflege erarbeitet. „Es braucht die Kompetenz aus der Praxis.“
Notwendig sind nach Auffassung der Sozialverbände der Abbau der Grenzen zwischen ambulanter, stationärer und klinischer Versorgung, ein Abbau von Bürokratie, die Etablierung von quartiersnahen Versorgungskonzepten in Kommunen und mehr unternehmerische Freiheit für die Träger. Die Pflegeversicherung brauche auch eine nachhaltige Finanzierung auf breiter Basis, heißt es in dem Brief.
Lenke ergänzte, künftig müssten alle Einkommensarten in die Beitragsberechnung einbezogen werden. Dazu zählten auch Kapitalanlagen oder Mieteinnahmen: „Andernfalls wird Pflege für viele unbezahlbar.“ Der Brief wurde auch von mehreren einzelnen Einrichtungen der Diakonie in Niedersachsen unterzeichnet.