Göttingen. Der Göttinger Theologe Wolfgang Reinbold hält die Vorstellung von einer unsterblichen, unabhängig vom Körper existierenden Seele nicht für eine christliche Grundlehre. Zwar sei dieses vor allem von dem antiken Philosophen Platon begründete Konzept auch im Christentum verbreitet. Allerdings lasse es sich nur schwer mit den biblischen Kernaussagen verbinden, sagte der Professor für Neues Testament dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der wichtigste Text zur Sache finde sich am Beginn der zweiten Schöpfungsgeschichte, erläuterte Reinbold. Dort werde beschrieben, wie Gott den ersten Menschen, Adam, „aus Staub von der Erde“ forme und ihm „den Odem des Lebens in seine Nase“ blase. Dadurch werde er zu einer „lebendigen Seele“, wie es im hebräischen Original heiße. „Der Mensch hat also keine Seele, er ist eine“, folgerte Reinbold, der auf der Social-Media-Plattform TikTok mit Clips zu Traditionen und Gebräuchen in den Weltreligionen hunderttausende Interessierte erreicht.
Entsprechend werde die Seele in der Bibel in der Regel nicht ohne den Körper gedacht. Deutlich werde dies etwa dort, wo sich der Apostel Paulus Gedanken über die Auferstehung macht. „Man könnte vermuten, dass er sagt: 'Der Leib stirbt, die unsterbliche Seele wird ewig leben'“, sagte Reinbold. Diesen einfachen Schluss habe Paulus aber vermieden und darauf bestanden, dass auch die Auferstandenen einen Leib haben. „Am Ende bringt er es auf die metaphorische Formel: 'Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.'“
Dennoch sei es nachvollziehbar, dass die Vorstellung, dass die Seele nach dem Tod aus dem Körper entweiche, auch in unserer christlich geprägten Kultur verbreitet ist. „Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir beim Tod eines Menschen die Erfahrung machen: Er sieht genauso aus wie zuvor. Aber das Leben ist aus ihm herausgegangen“, sagte der Theologieprofessor. „Er hat, wie wir sagen, 'den Geist aufgegeben'. Und da liegt es dann natürlich nahe, zu sagen: Der Geist - oder eben die Seele - ist aus ihm entwichen“.