„Jugendarbeit prägt und bindet Menschen“

Die Landesjugendkammer hat sich neu konstituiert – was sie vorhat, erklärt der neue Vorstand im Interview
Sechs weiblich gelesene Personen und eine männliche, alle jung, stehen um ein Holzkreuz auf einer Kugel.

Lieber Vorstand, die Landesjugendkammer hat sich gerade für die nächsten drei Jahre neu konstituiert. Welche Schwerpunkte oder größeren Aufgaben und Ideen gibt es schon für diese Zeit?

Vorstand: Wie alle Bereiche kirchlichen Lebens bleibt auch die Jugendarbeit nicht unbetroffen von Kirchenaustritten und Rückgängen von Geldern. Die kommenden drei Jahre werden also davon geprägt sein zu verdeutlichen, dass gerade die Jugendarbeit der Bereich ist, der Menschen kirchlich prägt und somit bindet. Dies zeigt unter anderem die aktuelle KMU (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD). Aufgabe des neuen Vorstands wird es somit sein, sich weiter für eine verlässliche Ausstattung und Unterstützung der Jugendarbeit einzusetzen.

Ein weiterer Bereich ist die Ordnung für die Evangelische Jugend. Die Landessynode hat uns im vergangenen Jahr die Grundlage gegeben, uns diese selbst zu geben. Dies ist ein wichtiger Schritt für eine echte Jugendpartizipation. Die Überarbeitung und Fortentwicklung der Ordnung als Grundlage für eine praxisnahe und auskömmliche Jugendarbeit werden somit einen weiteren Schwerpunkt der Amtszeit bilden.

Der letzte Schwerpunkt ist der Kirchentag 2025. Ein Kernthema sollen diesmal die Lebensfragen junger Menschen sein. Dieses Thema kann nur durch eine Beteiligung junger Menschen erfolgreich werden.

Zwei wichtige Termine sind das Landesjugendcamp in diesem Jahr und der Kirchentag nächstes Jahr – was werden dort jeweils die zentralen Anliegen für junge Menschen sein?

Vorstand: Das Landesjugendcamp ist die größte Veranstaltung der Evangelischen Jugend unserer Landeskirche. Es ist somit ein wichtiger Treffpunkt von jungen Menschen aus allen Bereichen der Landeskirche. Hier gilt es Gemeinschaft zu schaffen, Glauben zu leben und darüber in den Austausch zu kommen, wie Jugendarbeit wo funktioniert. Gleichzeitig ist es auch ein wichtiges Format, um jungen Menschen zu zeigen, dass sie mit ihrem Glauben nicht allein sind, sondern Teil einer großen Gemeinschaft. Dieses Gefühl gilt es auch auf dem Kirchentag zu verdeutlichen. Kirche hat nur eine Zukunft, wenn junge Menschen sich in ihr aufgenommen und wahrgenommen fühlen. Wenn wir die zukünftigen Generationen nicht in den Blick nehmen, stirbt Kirche im wahrsten Sinne des Wortes irgendwann aus. Der Kirchentag ist somit ein wichtiges Format, um die Interessen und Wünsche junger Menschen noch stärker aufzunehmen und zu schauen, wie diese umgesetzt werden können.

Einerseits heißt es derzeit oft, die jüngeren Generationen hätten keine Lust auf Arbeit und seien auf den eigenen Vorteil bedacht. Andererseits engagieren sich etwa zwei Drittel aller Jugendlichen ehrenamtlich. Wie nehmen Sie diese Debatten wahr und wo verorten Sie sich?

Vorstand: Wie die Frage bereits verdeutlicht, kann gar nicht von einer fehlenden Motivation gesprochen werden. Es muss vielmehr betrachtet werden, unter welchen Bedingungen die jüngeren Generationen arbeiten wollen. Ja, manche Forderungen sind zum Teil auch nur durch die aktuelle Arbeitsmarktsituation möglich. Die hohe Burnout- und Überarbeitungsrate der Eltern der jüngeren Generationen hat Vielen jedoch gezeigt, dass sie selbst so nicht leben möchten. Hinzu kommt die Verschiebung der Bedeutung des Berufes. Junge Menschen sehen ihren Beruf nicht mehr als ihre einzige Möglichkeit, sich zu verwirklichen. Privatleben, Freunde, Hobbys und eben auch das Ehrenamt nehmen somit an Bedeutung zu. Dies zeigt, dass junge Menschen nicht weniger Lust auf Arbeit haben, sondern viel mehr, dass sie neben der Arbeit noch mehr erleben und machen wollen.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell besondere Herausforderungen und schwierige Themen für die Kirche und warum oder wie bleibt die Evangelischen Jugend für Jugendliche unter diesen Umständen interessant, ein positiver Lebensbereich?

Vorstand: Ein zentrales Thema ist der Umgang mit den Kirchenaustritten. Wir als Verband nehmen an vielen Stellen Sparprozesse mit der „Rasenmäher-Methode“ war. Alle Bereiche werden gleichmäßig gekürzt, kleine Gemeinden unabhängig ihrer Austrittszahlen geschlossen und Strukturen geschaffen, die kaum einen Menschen versorgen können. Hier kann unser Jugendverband ein gutes Beispiel sein. Wir ermöglichen viel durch Ehrenamt, zudem sind wir dort vertreten, wo junge Menschen aktiv sind, dass heißt, wir schauen darauf, welche „Gemeinde“ will etwas und nicht nur wie groß ist die Gemeinde. Der Vorteil ist, dass junge Menschen nicht starr in Gemeinden denken. Für sie ist wichtig, wo sie sich mit anderen jungen Menschen treffen können und ihren Glauben leben können. Auch diese flexible Vernetzung von Strukturen muss noch viel mehr in der Gesamtkirche etabliert werden.

Eine weitere Herausforderung ist der Rückgang an Diakoninnen, Diakonen und Pastorinnen und Pastoren. Wir als Jugendverband waren dort schon immer flexibler als die Gemeindestrukturen. Doch wenn es niemanden mehr gibt, der die Aufgaben übernimmt, wird es auch für uns zu einer Herausforderung. Unabhängig von allen Schwierigkeiten und Herausforderungen ist die Evangelische Jugend aber weiterhin ein wichtiger Anlaufpunkt für viele junge Menschen, da sie hier ganz sie selbst sein können. Bei uns kann jede und jeder unabhängig von seinen oder ihren Interessen und Stärken teilnehmen. Für junge Menschen bedeutet dies, dass sie hier Gemeinschaft mit ihren Freunden erleben können, egal welche Hobbys jemand hat oder in welcher Schulform er oder sie ist.

Marten Siegmund, Sie sind Vorsitzender der Jugendkammer. Was ist Ihr persönlicher Grund für das Engagement und welches Ziel haben Sie sich persönlich für die Amtszeit gesetzt?

Siegmund: Ich bin der festen Überzeugung, dass der Glaube einen im Leben trägt und Halt gibt. Dass dieses Vertrauen noch mehr junge Menschen erleben können, ist mir wichtig. Hierfür braucht es eine aktive Jugendarbeit. Jugendarbeit findet immer zuerst an der Basis vor Ort statt. Damit dies weiter möglich ist, braucht es eine feste Grundausstattung der Jugendarbeit an der Basis. Ziel meiner Amtszeit ist somit eine Umsetzung dieser Grundausstattung. Die Ausstattung sollte in meinen Augen mindestens eine volle Kirchenkreisjugendwart*innenstelle in jedem Kirchenkreis, einen festen Stellenanteil für eine Jugendpastor*innenstelle und eine Verwaltungskraft für die Jugendarbeit beinhalten, damit die Diakon*innen mehr Zeit für Arbeit mit jungen Menschen haben. Denn nur durch eine theologische Begleitung festigen wir junge Menschen in ihrem Glauben und helfen ihnen Antworten auf ihre Fragen zu finden.

EMA