Was glaubt ihr denn, wer wir sind?
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Theaterprojekt über religiöse Vielfalt in Osnabrück gestartet
Die Bühne in der evangelisch-reformierten Jugendkirche in Osnabrück gehört zehn jungen Menschen. Mit dabei sind Christen und Atheisten, Zweifler, Juden und Unentschlossene, Esoteriker und Muslime.
Die Darsteller des Jugendclubs Mania des Osnabrücker Theaters haben unsortiert dort Aufstellung genommen, wo früher einmal Kirchenbänke in Reih und Glied standen. Sie werfen Sätze in den Raum. Es geht um Glauben, den einen Gott, jüdische Erziehung und Moral. Dann auch um Träume, Gebete fünf Mal am Tag, den freien Austausch von Energien, Geld und Meditation.
Das Stück "Alles was wir glauben mussten" ist Teil des Theater-Projektes "Urban Prayers", das am Sonntag Premiere feierte. Die fünf Männer und fünf Frauen auf der Bühne sollen einen Plan für das friedliche Zusammenleben der drei großen Weltreligionen entwickeln. "Machen Sie sich auf die Suche", befiehlt die Auftraggeberin. "Woran glauben Sie? Wie stehen Sie zur Religion? Gehen Sie den Fragen auf den Grund."
Zwei weitere Stücke des Projekts haben jeweils am 6. und am 11. Mai Premiere. "Doorways" wird in der Ditib-Moschee Yeni-Camii gespielt, "Nach Babel - und noch weiter" in der Jüdischen Gemeinde. Die Schauspieler dort sind ebenfalls junge Laiendarsteller. Sie gehören zum Jugendclub Amigos Bandidos sowie zum Studentenclub des Theaters.
"Wir wollen damit einen Beitrag zum friedlichen Miteinander der Religionen leisten", betont Spielleiter Dietz-Ulrich von Czettritz vom Theater Osnabrück. Gerade die Städte seien in den vergangenen Jahren immer mehr zu Orten religiöser Vielfalt geworden.
Da sei es wichtig, dass jeder den Glauben des anderen akzeptiere, ohne von seinen eigenen Überzeugungen Abstand nehmen zu müssen. "Wir möchten Begegnungen und Diskussionen über alle scheinbaren Grenzen und Unterschiede hinweg anregen."
Grundlage der Osnabrücker Stücke ist der Text "Was glaubt ihr denn - Urban Prayers" des freien Autors und Regisseurs Björn Bicker. Er hat deutschlandweit Menschen über ihren Glauben und ihr religiöses Leben befragt. Die Antworten hat Bicker zu einem sehr dichten Text zusammengefasst, der bereits in München und bei der Ruhr-Triennale aufgeführt wurde.
Die jungen Osnabrücker Schauspieler haben zusätzlich ihre eigenen Erfahrungen und Ergebnisse aus Gesprächen in den drei Gemeinden in die Arbeit eingebracht, betont von Czettritz. "Das Interesse und die Offenheit gegenüber dem Projekt war in allen drei Gemeinden sehr groß."
Das Stück im Kirchenraum wird immer wieder unterbrochen von einer fragenden Stimme aus dem Off: "Was glaubt ihr denn, wer ihr seid? Was glaubt ihr denn, wer wir sind, was wir träumen?"
Die Suche nach dem Weltfriedenskonzept beginnt im Theaterstück in der Jugendkirche mit Selbstvergewisserung - und mit Abgrenzung. "Ich kenne keinen Zweifel", sagt die Jüdin. "Sünde und Schuld, das macht doch voll abhängig", erwidert der Atheist. "Ich glaube an die Macht des Einhorns statt an einen Gott", sagt ein anderer böse lachend. "Ich möchte wirklich was erreichen, " ruft ein junges Mädchen: "Mir geht es ums Geld."
Die Suche sollte ein Experiment sein. Als die Zeit um ist, fallen die Probanden für einen kurzen Moment übereinander her. Dann stellen sie fest, dass sie noch immer träumen vom "endlosen Frieden". Zuschauerin Nicole Schollek ist begeistert von der Tiefe des Stückes. "Das passt gut in die Zeit", meint sie. "Es ist offenbar schwer jedem seinen Glauben zu lassen. Und die Frage bleibt: Wie löst man das Problem des Weltfriedens."
Für die Laien-Schauspielerin Antonia Großmann ist das Stück ein besonderes Experiment. Die Tochter einer Pastorin ist in der Jugendkirche konfirmiert worden. Jetzt ist die 18-Jährige in die Rolle der Atheistin geschlüpft. Ja, das habe sie sich ganz bewusst so ausgesucht, sagt sie: "Ich wollte mal erleben, wie es ist, den eigenen Glauben in Frage zu stellen."