Startseite Archiv Nachricht vom 08. Februar 2023

Pastor und Schwulenrechtler Hans-Jürgen Meyer ist tot

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Als Pastor, der aufgrund seiner Homosexualität von seiner Landeskirche des Amtes enthoben worden war, wurde Hans-Jürgen Meyer in der 1980er-Jahren bundesweit bekannt. Nun ist er mit 73 Jahren gestorben.

Hannover. Der hannoversche Pfarrer Hans-Jürgen Meyer ist tot. Er sei in der Nacht zum Mittwoch nach langer Krankheit im Alter von 73 Jahren gestorben, teilte die ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) am Mittwoch in Hannover mit. Meyer erlangte bundesweit Bekanntheit, nachdem er sich 1984 zu seiner Homosexualität bekannt hatte und von der hannoverschen Landeskirche seines Amtes enthoben worden war.

"Ich bin sehr dankbar für Hans-Jürgen Meyers Wirken für die queere Community auch und gerade in Kirche", sagte Theodor Adam, Beauftragter für Queer-sensible Seelsorge und Beratung für die Landeskirche Hannovers.

Die frühere hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann, die in ihrer Amtszeit die Rehabilitierung des schwulen Pastors einleitete, hob hervor, dass Meyer trotz aller Anfeindungen nie die Hoffnung und seinen Kampfgeist verloren habe: „Ich habe an ihm geschätzt, dass er nicht verbittert war durch die Hürden, die ihm von unserer Kirche in den Weg gelegt wurden, sondern mit Leib und Seele Pastor blieb.“

In der Amtszeit von Landesbischof Ralf Meister öffnete sich die Landeskirche Hannovers auch für die kirchliche Trauung aller Paare. Hans-Jürgen Meyer nahm diese Gelegenheit wahr und trat am Silvestertag 2012 mit seinem Lebensgefährten vor den Traualltar. Zum Tode Meyers sagt Meister: "Ich wünsche Hans-Jürgen Meyer eine gottbefohlene Reise in die kommende Welt. Es bewegt mich im Rückblick immer noch sehr, dass er – wenn auch erst in seinem Ruhestand – sich mit seinem Lebenspartner kirchlich trauen lassen konnte. Wir standen seinerzeit in engem Kontakt, und ich bin froh, dass ich ihn damals zu diesem Schritt ermutigen konnte."

Wolfgang Buchmeier vom Bundesvorstand der HuK würdigte Meyer als „einen großartigen Mensch, einen genialen Netzwerker und einen Protagonisten der schwul-lesbischen Bewegung“. Meyer habe mit seiner Beharrlichkeit, aber auch mit seiner zugewandten, verbindlichen Persönlichkeit jahrzehntelang und über die Grenzen der Kirche und Hannovers hinaus zu stetig wachsender Akzeptanz gegenüber queeren Menschen beigetragen.

Meyer hatte sich gegenüber dem Landeskirchenamt geoutet, nachdem ein befreundeter homosexueller Theologe erst gar nicht in den unbefristeten Pfarrdienst übernommen worden war. Er war damals bereits zwei Jahre verbeamteter Pastor in Hannover. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, der innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Präzedenzfall wurde. In einem autobiografischen Buch schrieb Meyer 2011, die langwierige juristische Auseinandersetzung sei die Sache wert gewesen. „Es hätte sich ja sonst nichts geändert.“

Die damalige Kirchenleitung wollte Meyer zunächst vollständig aus dem Dienst entfernen, weil er gegen seine Amtspflichten verstoßen habe. Sie konnte sich vor dem Kirchengericht aber nur teilweise durchsetzen. 1990 entschied der Senat für Amtszucht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, dass Meyer nicht aus dem Dienst entfernt, aber in den „Wartestand“ versetzt werden dürfe. Meyers Verteidiger war zeitweise der Rechtsanwalt und spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Fünf Jahre durfte Meyer nicht predigen, beerdigen oder trauen, danach nur auf Anfrage. Seine Bezüge wurden auf zwei Drittel gesenkt. Ehrenamtlich engagierte sich Meyer seit dieser Zeit für die „Lazaruslegion“, eine christliche Hilfsorganisation für HIV-Infizierte und Aidskranke sowie für die hannoversche Niederlassung der bundesweit aktiven HuK.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann leitete kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahr 2000 die Wende ein. Durch ihre Vermittlung erhielt Meyer eine halbe Stelle als Krankenhausseelsorger. 2005 übernahm er zusätzlich Aufgaben in der Behindertenarbeit, der Wartestand wurde formell aufgehoben. 2007 wechselte Meyer auf eine volle Stelle in der Altenhilfe. 2009 ging er in den Ruhestand.

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen/Rebekka Neander EMA