Startseite Archiv Nachricht vom 16. Mai 2017

"Spirituelle Glücksmomente"

Von Jochen Arnold, Windhuk (Namibia)

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"Gottesdienste und Andachten bilden das Herzstück der Vollversammlung. Sie sind auf das Motto Liberated by Grace ausgerichtet und folgen mit den biblischen Lesungen und Liedern den Unterthemen: Erlösung – für Geld nicht zu haben, Menschen, für Geld nicht zu haben, Schöpfung – für Geld nicht zu haben.

Der liturgische Ort für die Versammlung ist ein eigens errichtetes Gottesdienstzelt, in dem einige Bäume stehen. Bäume sind Gottes Gabe für uns, inmitten der Schöpfung. Nirgendwo ist das so plausibel wie in Afrika. Ein Baum ist ein Ort, der Schatten spendet. Er wächst dort, wo Wasser ist.  Aber auch das Kreuz wird als Baum verstanden, als Baum der Erlösung, an dem Jesus hing, um den Fluch des Todes zu durchbrechen. Auch der Altar, die Kanzel und das Taufbecken sind  aus dem Holz umgestürzter Bäume gefertigt. Die Äste kann man noch erkennen. Sie stammen aus den Wäldern Namibias.

Insgesamt werden bei den Andachten ca. 70 Lieder gesungen, die aus allen sieben Regionen des LWB stammen: ein Kyrie aus Hongkong, ein Gloria aus Argentinien, ein Sanctus aus Schweden oder ein Agnus Dei aus Deutschland. Zahlreiche Chorusse stammen aus der Tradition der afroamerikanischen Spirituals und Gospels, aber auch klassische Hymnen aus der lutherischen und methodistischen Tradition waren dabei. Besonders wichtig sind die einprägsamen Lieder und Chorusse aus Namibia und Südafrika, die schnell ins Ohr und in die Füße gehen. Sogar exotische Gesänge aus Tahiti oder ein Glaubenslied in Farsi waren dabei. Der spirituelle Reichtum des Luthertums wird durch kaum etwas so ausdrucksvoll abgebildet wie durch das internationale Liedgut. Dass die Musik Schwester des Wortes bzw. der Theologie ist, und im menschlichen Herzen regiert, wie Luther sagte, wird dadurch eindrucksvoll abgebildet.

Die von einem aus allen Regionen zusammen gesetzten Team gestalteten Andachten unter der Leitung von Prof. Dr Dirk Lange (Minnesota) sind liturgisch wegweisend, da sie biblische Orientierung und liturgische Struktur (variierend von gregorianischem Psalmgebet bis zur experimentellen Gebetscollage) zum  einen und innovative Zugänge zum anderen vereinen: Eine Gruppe von Schauspielerinnen und Schauspielern in weißen Kleidern (mit Ketten an den Händen) illustrierte am dritten Tag eindrucksvoll die Aussage, dass Menschen nicht zum Verkauf sind. Ein Stationengottesdienst u.a. mit Segens- und Gebetsstationen, getragen von Taizémusik schloss den vierten Tag ab. Mit einer namibischen Schöpfungserzählung kommt am sechsten Tag (Creation not for sale) auch indigenes Material zur Aufführung.

Die Liturgien werden von den vier Hauptsprachen des LWB getragen, aber auch durch zahlreiche Lesungen aus anderen Teilen der Welt ergänzt. Dazu gehören unter anderem die Sprachen Namibias, Mandarin und Hindi, polnisch, russisch sowie die skandinavischen Sprachen, Swahili und Portugiesisch.

Umrahmt wird die Vollversammlung von zwei Abendmahlsgottesdiensten, deren Herz die gemeinsame eucharistische Feier ist. Sie stand auch im Zentrum der Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum, das am Sonntag im Stadion von Katatura gemeinsam mit 8000 Christen aus Windhuk und Umgebung gefeiert wurde (übertragen vom nationalen Fernsehsender NBC).

Der insgesamt vier Stunden dauernde Gottesdienst hatte zahlreiche Höhepunkte. Testimonials (Glaubenszeugnisse) aus allen sieben Regionen haben ihn – verbunden mit einer Tauferinnerung - eröffnet. Die biblischen Lesungen brachten u.a. Römer 1,16f zu Gehör, den Text, an dem Luther seine Wiederentdeckung des Evangeliums festmachte: dass der Gerechte aus Glauben und nicht aus den Werken lebt und dieser Glaube ein Geschenk und Kraft Gottes ist. Dieser Text erklang in drei Sprachen Namibia mit ihren eindrucksvollen Klicklauten.

Die Predigt von Bischof von Bischof Zephania Kammeta rief eindrucksvoll die Kraft des Evangeliums in Erinnerung. Es befreit nicht nur von Schuld, es befähigt auch zum Handeln. „You are reformed“ – „You are a reformer“. “You are renewed – You are a renewer.“ – lautete einer der Spitzensätze. Christen leben aus der Kraft einer Hoffnung, welche die Welt verändert, schon heute. 

Ein starkes ökumenisches Symbol waren die Fragen des römisch-katholischen Kardinals Koch an die versammelte Gemeinde wie „Glaubst du an Gott den Vater?“ und weitere. Auf diese hin wurden die drei Artikel des christlichen Glaubens sukzessive im Bekenntnis entfaltet.

Eindrucksvolles emotionales Herzstück war die Musik dieses Gottesdienstes, gestaltet von einem aus ganz Namibia und darüber hinaus zusammengesetzten Mass-Choir (200 Sängerinnen und Sänger), ca. 150 Blechbläsern und einer sechsköpfigen Band sowie weiteren 5 einheimischen Chören, die während der Austeilung des Abendmahls mit ihren leuchtenden Gewändern und inspirierten Gesängen die Gemeinde begeisterten. Musikalisch Highlights waren auch Tanzeinlagen u.a. während der Abendmahlsliturgie (Sanctus).

Bleibt zu hoffen, dass die Gliedkirchen aus 98 Ländern von diesen Eindrücken beflügelt, auch in ihren Gottesdiensten das weitersingen und weitertragen, was ihre Delegierten hier erlebt haben.

Ich durfte als Musiker und Theologe am zwei Jahre währenden Vorbereitungsprozess mitwirken. Ich bin beglückt, wie gemeinsam mit den elf Kollegen aus aller Welt und einem kleinen Assembly-Choir, der sich täglich zum Proben traf, eine liturgisch-musikalische Zusammenarbeit gelungen ist, bei der an vielen Stellen spirituelle „Glücksmomente“ entstanden sind, von denen uns die Delegierten in den Pausen und bei den Mahlzeiten berichteten.

Jochen Arnold, Windhuk (Namibia)

Eindrücke aus Namibia

Jochen Arnold ist Mitglied der Delegation aus der Hannoverschen Landeskirche, die an der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Namibia teilnimmt. Im Wechsel mit den anderen Delegierten berichtet er von seinen Eindrücken und Erlebnissen beim Welttreffen der lutherischen Christinnen und Christen.