Klönschnack auf dem Friedhof

Ein Bauwagen statt Gemeindehaus. Auf diese Notlösung setzte die St. Marien-Kirchengemeinde in Himmelpforten - mit überraschendem Erfolg.
Auf dem Bild ist ein hellblauer Bauwagen auf einem Friedhof zu sehen. Seine Tür ist geöffnet. Vor dem Wagen stehen ein Tisch und zwei Stühle.

Der hellblaue Bauwagen ist schon von weitem zu sehen. Pastorin Johanna Wutkewitz hat das fahrbare Domizil vor einiger Zeit auf dem Friedhof der Gemeinde St. Marien eingeparkt – eigentlich als Übergangslösung. Denn die evangelische Kirche in Himmelpforten baut derzeit ihr Gemeindehaus um. „Der Gemeinde.Bau.Wagen. dient uns seit dem Frühjahr als Multifunktionsraum: als Coworking Space, als Treffpunkt für die Konfirmandengruppen, als Anlaufstelle für die Kindergartenkinder, Pausenraum für die Friedhofsmitarbeiter und als ruhiges Fleckchen für ein Seelsorgegespräch – und das soll auch erstmal so bleiben“, sagt Johanna Wutkewitz.

Abseits der Wege wird geschaufelt und geharkt, man füllt seine Gießkannen auf und zupft vertrocknete Blüten von den Gräbern. An diesem sonnigen Morgen gesellt sich ein älterer Herr zur Pastorin, die auf den Gartenstühlen vor dem Bauwagen sitzt, Kekse und kalte Getränke aufgetischt hat. Man spricht. Über Gott und die Welt.

„Ich möchte für die Menschen da sein, mir Zeit für sie nehmen“, erzählt Johanna Wutkewitz. „Wir haben lange überlegt, wo der Gemeinde.Bau.Wagen stehen könnte, damit man für jeden gut erreichbar ist.“ Und am meisten Sinn macht er nach Meinung der Pastorin eben dort, wo Menschen Trost und Antworten brauchen – auf dem Friedhof. Jeden Mittwoch sind Johanna Wutkewitz und ihr Kollege Pastor Hendrik Topp am Bauwagen zwischen 16 und 18 Uhr ansprechbar, um zu reden, zu beten und ein offenes Ohr für das zu haben, was die Himmelpfortener bewegt. „Nicht jeder würde ohne weiteres in unser Büro kommen, nimmt das Angebot in einer außergewöhnlichen, lockeren Atmosphäre aber schon an“, sagt die Pastorin. Jeden dritten Mittwoch im Monat feiern die Pastoren am Bauwagen außerdem um 18 Uhr eine Trostandacht mit Musik und Gebeten.

„Mich macht es glücklich, wenn die Menschen mit einem Lächeln davonziehen.“
Pastorin Johanna Wutkewitz
Auf dem Bild ist Pastorin Johanna Wutkewitz zu sehen. Sie hat eine rot-weiss gemusterte Jacke an, trägt ein weißes Shirt und eine Brille und hat blonde Haare. Sie steht vor einem hellblauen Bauwagen.
Bild: Tanja Niestroj
Pastorin Johanna Wutkewitz

Wenn Johanna Wutkewitz oder ihr Kollege Hendrik Topp den Bauwagen aufschließen, dauert es meist nicht lange, bis der erste Besucher anklopft. Manchmal erzählt man sich gegenseitig vom Tag, vielleicht vom Leben. „Aber dann kommen auch Menschen aus Himmelpforten, deren Partner schwer erkrankt sind, bei denen der Tod näher rückt und Fragen zur Bestattungsart im Kopf herumschwirren“, so die Pastorin. Manchmal wünschen sich die Besucher auch einfach nur ein gemeinsames Gebet. Doch ganz gleich, wie schwer die Themen sind, immer schwingt ein bisschen Fröhlichkeit mit. Johanna Wutkewitz winkt anderen Friedhofsbesuchern zu, die an dem sonnigen Sommertag spazieren gehen.

Auch junge Mütter und Väter schieben ihren Nachwuchs im Kinderwagen über die grüne Oase. Um Kindern Berührungsängste zu nehmen, sie zu einer Auseinandersetzung mit Tod, Sterben und dem Umgang mit Verstorbenen anzuregen, wird der Gemeinde.Bau.Wagen. auch von den Kindergartenkindern der Gemeinde genutzt. „Wir müssen die Hürden auflösen, den Friedhof öffnen und den Tod sprachlicher machen“, wünscht sich die Pastorin, die im Bauwagen mit den Konfirmanden Nistkästen gebastelt hat und gerade gemeinsam mit den Heranwachsenden an einer Friedhofsrallye tüftelt.

„Mich macht es glücklich, wenn die Menschen mit einem Lächeln – und einer Segenskarte als Gruß der Gemeinde – davonziehen“, so die Pastorin.

Auf dem Bild ist Pastorin Johanna Wutkewitz zu sehen. Sie hat eine rot-weiss gemusterte Jacke an, trägt ein weißes Shirt und eine Brille und hat blonde Haare. Sie steht vor einem hellblauen Bauwagen.
Bild: Tanja Niestroj
Pastorin Johanna Wutkewitz
Tanja Niestroj