Startseite Archiv Tagesthema vom 11. Mai 2022

Dorfhelferinnen stehen Familien in Not bei

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„Allez hopp!“ Mit Schwung wendet Marion Rist einen Eierkuchen in der Pfanne. Vier Kinder beobachten ihre Bewegungen und warten ungeduldig am Küchentisch sitzend auf ihr Mittagessen. Am Vormittag hat Marion Rist schon für alle eingekauft und Wäsche gewaschen, die Kleineren aus der Kita und die Größere aus der Schule abgeholt – doch sie umsorgt hier nicht ihre eigenen Kinder. Tatsächlich kennen sich die fünf erst seit ein paar Tagen. Denn während die Mutter der vier im Krankenhaus ist, der Vater arbeitet und die Großeltern weit weg wohnen, hilft Marion Rist aus. Sie ist Dorfhelferin – also von Beruf zur Stelle, wenn Hilfe im Haushalt gebraucht ist. Finanziert wird der Einsatz von den Krankenkassen oder anderen Sozialversicherungsträgern.

„Haushaltsführung hat mir schon immer Spaß gemacht und mir gefällt sehr, so nah mit den Menschen zu arbeiten, sie in ihrem Umfeld wirklich zu unterstützen“, sagt Marion Rist. Eigentlich hatte sie katholische Theologie auf Lehramt studiert, wurde mit dem Beruf jedoch nicht warm. Im Familieneinsatz spürt sie oft unmittelbar die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit und hört ein Dankeschön dafür, „dass jemand in einer außergewöhnlichen Situation da war und versucht hat, zu helfen.“

Denn: „Wenn Familien uns anfragen, sind sie in einer Notsituation“, verdeutlicht Gitta Matthes, die das einzige Fortbildungsseminar zur Dorfhelferin in Niedersachsen leitet. Die Mutter hat einen Unfall und muss länger im Krankenhaus bleiben, eine Chemotherapie steht an, ein Kind ist schwerkrank oder es treten psychische Krankheiten auf – all das sind Fälle, in denen Dorfhelferinnen zum Einsatz kommen können. „An ihnen liegt es dann, die Aufgaben so zu übernehmen, wie es die fehlende Person getan hätte – auch, wenn das Kind zum Beispiel erstmal nicht will, dass diese fremde Dorfhelferin an Mamas Töpfe geht. Da ist viel Gefühl und Toleranz nötig.“

Wer Dorfhelferin oder Dorfhelfer werden möchte, konnte dieses Berufsziel bisher nur über eine Fortbildung im Anschluss an eine hauswirtschaftliche Ausbildung erreichen. Doch neuerdings kann die Fortbildung auch nach anderen Grundausbildungen absolviert werden und es gibt es auch eine reguläre dreijährige Ausbildung direkt im Anschluss an einen allgemeinbildenden Schulabschluss. „Waschen, putzen, einkaufen – man denkt, das kann jeder - aber Dorfhelferinnen sind viel mehr“, erklärt Gitta Matthes. „Sie sind pädagogisch und psychologisch ausgebildet, finden sich schnell in den Alltag einer Familie ein und sind auch auf Konfliktsituationen gut vorbereitet.“ Bei all dem müssen sie eine Balance finden, Vertrauen zur Familie aufzubauen, aber keine zu große Nähe, denn die Einsätze sind bewusst befristet. „Die Dorfhelferinnen sollen und können die Mutter nicht ersetzen – sie helfen lediglich so im Haushalt, dass sie leicht wieder übernehmen kann, wenn sie zurück ist. Manchmal, wenn man sich gut versteht, fällt einem das natürlich schwer“, sagt Marion Rist.

Den Ursprung hat das Berufsbild übrigens tatsächlich auf dem Land: „Landfrauen, Landvolk und evangelische Kirche haben sich vor etwa 60 Jahren gemeinsam dafür stark gemacht“, erzählt Gitta Matthes, „damals war Bäuerin ja meist nicht nur Mutter, sondern hat auch im Betrieb gearbeitet und wenn sie krank war, war richtig Land unter.“

Das hat sich trotz aller Diskussionen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Grunde kaum geändert und so können die Dorfhelferinnen Verstärkung in ihren Reihen gut gebrauchen – der Fachkräftemangel führe bereits dazu, dass manche Aufträge nicht angenommen werden können und Familien auf sich gestellt bleiben.

Christine Warnecke/EMA

Informationstag zum Beruf

Am 14. Mai 2022 können Interessierte die Aus- und Fortbildung an einem Info-Tag in Loccum kennenlernen. Eine Anmeldung per Telefon unter 05766 7274 oder per E-Mail an seminar@dorfhelferin.nds.de wird erbeten.
Gern kann auch eine individuelle fernmündliche Beratung vereinbart werden.