Startseite Archiv Tagesthema vom 09. September 2021

Frauen gehören nicht auf die Kanzel? Oh doch!

Als Oda-Gebbine Holze-Stäblein in den Sechziger Jahren Theologie studieren wollte, sagte ihr Pastor: „Frauen gehörten nicht auf die Kanzel.“ In der Landeskirche Hannovers galt sogar noch das Zölibat für Pfarrerinnen. Zum Glück hat sich seither nicht nur das verändert, sondern viel mehr.

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„Eine Frau gehört nicht auf die Kanzel.“ Als Oda-Gebbine Holze-Stäblein diesen Satz hörte, war sie noch Schülerin – und hatte just entschieden, Theologie zu studieren. Ausgerechnet ihr Konfirmator war es, der der späteren Pastorin ihren Berufswunsch ausreden wollte. Das junge Mädchen aber ließ sich nicht beirren. Und die Realität hat den Pastor eines Besseren belehrt: Seine einstige Konfirmandin brachte es bis zur Landessuperintendentin. Die Kanzel betritt die Theologin noch heute regelmäßig.

Was in der evangelisch-lutherischen Kirche heute ganz selbstverständlich ist, war es vor 50 Jahren noch nicht. Erst seit 1964 ordiniert die Landeskirche Hannovers Frauen ins Pfarramt. Außerdem galt für Pastorinnen damals noch das Zölibat: Sobald sie heirateten, mussten sie ihre Stelle aufgeben.

 

Das hätte auch Oda-Gebbine Holze-Stäblein geblüht, denn bei ihrem ersten theologischen Examen war sie bereits verlobt. Studieren, um kurz danach die Arbeit aufzugeben? „Das habe ich überhaupt nicht eingesehen“, sagt die heute 79-Jährige. Gemeinsam mit ihrem Verlobten absolvierte sie die Vikarsausbildung und das zweites Examen daher in einer anderen Landeskirche: der Badischen. Dort gab es keine Zölibatsklausel. Die Hannoversche Landeskirche stimmte dem damals zu. „Das lief problemlos und unbürokratisch“, erinnert sich Holze-Stäblein. „Wir blieben Vikare der Hannoverschen Landeskirche und hatten bei der Badischen Landeskirche einen Gaststatus. Das finde ich noch heute bemerkenswert.“

Als das Paar ein paar Jahre später zurückkam, war auch in Hannover die Klausel gefallen. „Auch der Kirche war der Wind von 1968 ins Gesicht geweht“ sagt sie. Oda-Gebbine Holze, wie sie damals hieß, trat 1972 ihre erste Pfarrstelle in Stade an. In derselben Gemeinde zu arbeiten, was heute verbreitet ist, war Ehepaaren damals rechtlich nicht möglich. „Das hatte allerdings auch Vorteile“, sagt sie und lacht. „Zum Beispiel bei der Urlaubsplanung.“

 

Da das Ehepaar kinderlos blieb, konnte die junge Pastorin stets ganze Stellen übernehmen. „Ich gehöre zu den wenigen Frauen damals, die voll arbeiten konnten. Das hat es mir damals wesentlich einfacher gemacht als meinen Kolleginnen mit Kindern. Ich hatte nie Probleme, Stellen zu finden.“ Und bis auf den Satz ihres Konfirmators und die Reaktion eines stellvertretenden Kirchenvorstands, der 1973 sein Amt niederlegte, als sie zur Vorsitzenden gewählt wurde, hatte sie aufgrund ihres Geschlechts nie Schwierigkeiten.

Mehr Hindernisse als durch ihr Frau-Sein erlebte Oda-Gebbine Holze-Stäblein allerdings durch die Scheidung ihrer ersten Ehe Anfang der Achtziger Jahre. Ihre damalige Stelle in der Vikarsausbildung in Loccum musste sie wegen der Trennung verlassen. „Damals hatte ich das Gefühl, bestraft zu werden“, sagt Oda-Gebbine Holze-Stäblein, die den Doppelnamen in ihrer zweiten Ehe angenommen hat. „Heute wäre das alles kein Thema mehr. Aber damals war die Zeit eine andere. Und die Landeskirche war eine andere.“

 

Wirklich Bewegung gebracht in die Landeskirche Hannovers, sagt sie, habe die erste Bischöfin der Landeskirche 1999 bis 2010. „Margot Käßmann war ein Meilenstein. Sie hat vieles verändert“, sagt Holze-Stäblein. „Nicht nur atmosphärisch, sondern auch institutionell.“ Sie selbst ist mehr als froh darüber. Denn eines hat die Wahl-Hannoveranerin schon in den ersten Jahren ihres Berufes gelernt: „Frauen sind das Rückgrat der Kirche. Das war damals so, und das ist heute immer noch so. Eine Gemeinde ohne das Engagement von Frauen? Die möchte ich nicht erleben.“

Holze-Stäblein selbst war 1991 Pastorin der Marktkirche Hannover geworden, 1999 Superintendentin in Burgdorf und 2001 Landessuperintendentin in Ostfriesland – alles noch keine Selbstverständlichkeiten damals. Die Theologin war außerdem Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und hat zehn Jahre lang das „Wort zum Sonntag“ gesprochen. „Das war mir wichtig“, sagt sie. „Denn unsere Kirche ist auch eine Kirche des Wortes.“

 

Und ihr Konfirmator? Der war im Alter von 84 Jahren noch immer überzeugt von seiner Meinung, als die Pastorin ihn einmal darauf ansprach. „Die Meinungsverschiedenheit zu diesem Thema blieb. Respekt und Achtung hatte ich vor meinem Konfirmator aber immer behalten.“ Oda-Gebbine Holze-Stäblein hat sich durch seine Kritik zum Glück nicht abbringen lassen von ihrem Berufswunsch. Denn wenn sie heute noch einmal wählen könnte: Sie würde immer wieder Pastorin werden. Sie hätte noch nicht einmal später geboren werden wollen, um einen vermeintlich einfacheren Berufsweg zu haben. Gern zitiert sie das afrikanische Sprichwort: „Wo Gott dich hingesät hat, da sollst du blühen.“

Carolin George