„Das Patronat dient vor allem dem Wohle der Gemeinschaft“

Es ist alt, aber nicht veraltet: das Patronat. Was die kirchliche Aufgabe für die Familie von Rössing bedeutet, erzählt Carlota Freifrau von Rössing und von Hugo im Interview. Die 59-Jährige nimmt eines von rund 130 Patronaten wahr, die es in der Evangelischen Landeskirche Hannovers noch gibt.

Patronatstag im Kloster Loccum

Bild: Lothar Veit/EMA
Landesbischof Ralf Meister begrüßt die Gäste beim Patronatstag im Refektorium des Klosters Loccum.
Bild: Lothar Veit/EMA
Die neue Präsidentin der Klosterkammer, Dr. Thela Wernstedt, stellt sich den Gästen beim Patronatstag vor.
Bild: Lothar Veit/EMA
Landesbischof Ralf Meister erinnert an historische Ereignisse im Patronatswesen.

Loccum. Mehr als 30 Patroninnen und Patrone trafen sich am Montag zum Patronatstag im Refektorium des Klosters Loccum. Neben der Möglichkeit zur Begegnung und zum Austausch standen zwei aktuelle Themen auf dem Programm: Die Neuerungen bei der Kirchenvorstandswahl 2024 und die Zunahme von Gemeindeverbünden.

Bereits in der Vorstellungsrunde deutete sich an, dass gerade sinkende Mitgliederzahlen und der Trend zu sogenannten Gesamtkirchengemeinden den Patroninnen und Patronen unter den Nägeln brennen. Oberkirchenrätin Anna Burmeister, in der Rechtsabteilung des Landeskirchenamtes für rechtliche Fragen der Kirchengemeinden und Kirchenkreise zuständig, informierte über Auswirkungen solcher Konstrukte auf das Patronat.

Einen geschichtlichen Überblick gab Landesbischof Ralf Meister. Er erinnerte daran, dass etwa die Landessynode in den 1970er-Jahren „mit dieser feudalistischen Manier nichts mehr zu tun haben wollte“. Der Landesbischof stellte dem zwei historische Verdienste des Patronatswesens entgegen: Während der NS-Zeit hätten die Patronate Pastoren Anstellungen verschafft, die sie unter den nazitreuen „Deutschen Christen“ nicht bekommen hätten. Und auch bereits bei der Reformation hätten die Patronate eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie früh lutherische Theologen eingesetzt hätten. Meister: „Wer weiß, wann Niedersachsen evangelisch geworden wäre ohne die Patronate?“. (EMA)

Rössing. Adel verpflichtet, Tradition aber ebenso. Das gilt für Familie von Rössing auch in kirchlichen Angelegenheiten. Denn sie lebt auf dem Rittergut in Rössing und hat zugleich das Patronat für die St.-Peter-und-Paul-Kirche im Dorf inne. Diese Aufgabe bringt viele Pflichten, aber auch Rechte mit sich. So hat die Patronatsfamilie das Ehrenrecht, im Gottesdienst statt auf Kirchenbänken auf der Prieche – in Augenhöhe mit dem Predigenden – Platz zu nehmen.

Früher zählte der Gottesdienst ja noch als gesellschaftliches Ereignis, aber sitzt man auf der Prieche heute nicht ziemlich auf dem Präsentierteller?

von Rössing: Die Prieche wird von meiner Familie fast ausschließlich zu Weihnachten genutzt, und dieses hauptsächlich aus praktischen Gründen: So müssen wir nicht bangen, noch einen Platz in der – ausnahmsweise – überfüllten Kirche zu bekommen, wenn wir in einer größeren Gruppe in die Kirche gehen. Wenn ich alleine gehe, sitze ich immer mit anderen Gemeindegliedern zusammen – ich habe im Alltag ausreichend Gelegenheit für mich zu sein.

Seit wann existiert Ihr Kirchenpatronat und ist es an das Rittergut gebunden?

von Rössing: Es ist immer der aktuelle Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes automatisch auch Patron der Kirche in unserem Dorf, also ja: Das Patronat ist an das Rittergut gebunden. Wie lange es existiert, weiß ich allerdings nicht.

Wie wird Ihre Sonderrolle von den Menschen in Rössing gesehen?

von Rössing: Vielleicht täusche ich mich, aber ich glaube, die Sonderrolle als Patronin wird in Rössing nicht besonders wahrgenommen.

Lassen Sie sich als Patronin jeden Sonntag zum Gottesdienst sehen?

von Rössing: Es wäre mir eine Freude, diese Frage mit „ja“ beantworten zu können, aber Gottesdienste finden in Rössing schon lange nicht mehr jeden Sonntag statt.

Hat man als Patronin auch im Gemeindeleben, also beispielsweise bei der Besetzung der Pastorenstelle, ein Wort mitzureden?

von Rössing: Das Präsentationsrecht für die Besetzung der Pastorenstelle bei jeder zweiten Neubesetzung ist, soweit ich weiß, das einzige Privileg, das aus früheren Zeiten noch erhalten ist. Praktisch kann es aber aufgrund der aktuellen Situation der eher rar gesäten Anwärter*innen gar nicht wahrgenommen werden.

Im frühen Mittelalter wurden Kirchen von Adligen auf privatem Grund und Boden errichtet. Damit hatte der Grundherr, der Patron, auch für die Bedürfnisse der Kirche aufzukommen. Und er musste die Baulasten übernehmen. Ist das so geblieben? Das würde vielleicht gerade in der heutigen Zeit erklären, warum Kirchen nicht unbedingt auf Patronate verzichten möchten, oder?

von Rössing: Im Laufe der Jahrhunderte hat sich hier viel verändert. Das Patronat ist heute weniger mit dem Besitz kirchlicher Gebäude, als mit ehrenamtlicher Tätigkeit verbunden. Gerade deswegen wäre es tatsächlich komplett unverständlich, wenn Kirchen auf Patronate verzichten wollen würden. Es ist schon erstaunlich genug, dass der ebenso ehrenamtlichen Arbeit von Kirchenvorständen so viele Steine in den Weg gelegt, beziehungsweise immer größere und komplexere Aufgaben übertragen werden. Das alles macht es immer schwieriger, Menschen für dieses Ehrenamt zu gewinnen.

Sie sind ehrenamtlich sehr engagiert, haben in Rössing auch außerhalb der Kirchenmauern viel für die Bewohner bewegt. Ergeben sich für Sie als Patronin auch Win-Win-Situationen?

von Rössing: Der persönliche Nutzen, den ich für mich aus meinem Verhältnis zur Kirche ziehe, besteht in dem Genuss, der Ruhe und der Ausgeglichenheit, die mir das Singen im Chor unserer Kirchengemeinde bringt. Das hat nichts mit dem Patronat zu tun: Im Kirchenchor habe ich schon lange bevor ich Patronin der Rössinger Kirche wurde, gesungen. Für mich bleibt es beim Patronat also bei dem angenehmen Gefühl, das das Einbringen meiner eigenen Gaben und meiner Zeit zum Wohle einer Gemeinschaft mit sich bringt.

Patronatstag im Kloster Loccum

Bild: Lothar Veit/EMA
Landesbischof Ralf Meister begrüßt die Gäste beim Patronatstag im Refektorium des Klosters Loccum.
Bild: Lothar Veit/EMA
Die neue Präsidentin der Klosterkammer, Dr. Thela Wernstedt, stellt sich den Gästen beim Patronatstag vor.
Bild: Lothar Veit/EMA
Landesbischof Ralf Meister erinnert an historische Ereignisse im Patronatswesen.

Loccum. Mehr als 30 Patroninnen und Patrone trafen sich am Montag zum Patronatstag im Refektorium des Klosters Loccum. Neben der Möglichkeit zur Begegnung und zum Austausch standen zwei aktuelle Themen auf dem Programm: Die Neuerungen bei der Kirchenvorstandswahl 2024 und die Zunahme von Gemeindeverbünden.

Bereits in der Vorstellungsrunde deutete sich an, dass gerade sinkende Mitgliederzahlen und der Trend zu sogenannten Gesamtkirchengemeinden den Patroninnen und Patronen unter den Nägeln brennen. Oberkirchenrätin Anna Burmeister, in der Rechtsabteilung des Landeskirchenamtes für rechtliche Fragen der Kirchengemeinden und Kirchenkreise zuständig, informierte über Auswirkungen solcher Konstrukte auf das Patronat.

Einen geschichtlichen Überblick gab Landesbischof Ralf Meister. Er erinnerte daran, dass etwa die Landessynode in den 1970er-Jahren „mit dieser feudalistischen Manier nichts mehr zu tun haben wollte“. Der Landesbischof stellte dem zwei historische Verdienste des Patronatswesens entgegen: Während der NS-Zeit hätten die Patronate Pastoren Anstellungen verschafft, die sie unter den nazitreuen „Deutschen Christen“ nicht bekommen hätten. Und auch bereits bei der Reformation hätten die Patronate eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie früh lutherische Theologen eingesetzt hätten. Meister: „Wer weiß, wann Niedersachsen evangelisch geworden wäre ohne die Patronate?“. (EMA)

Regelmäßig trifft sich die Rössinger Patronin mit ihresgleichen beim Patronatstag der Landeskirche.
Interview: Tanja Niestroj / EMA