Auf der Tagung der Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers hat der Vorsitzende des Diakonieausschusses, Norbert Wolf (Sprengel Stade), den Bericht seines Ausschusses vorgestellt. Wolf ging dabei vor allem auf Migrationspolitik und Kirchenasyl ein: „Flucht und Migration sind soziale Realitäten. Es hilft nichts, vor diesen Realitäten die Augen zu verschließen.“
Wolf zeichnete in seiner Einbringungsrede ein differenziertes Bild von Ursachen und Herausforderungen der Migration. Migration werde in gesellschaftlichen Debatten häufig verkürzt dargestellt, sagte er. Dabei seien Flucht, Vertreibung und Migration „grundlegende Lebensrealitäten“, wie sie auch die biblische Geschichte des Volkes Israel durchziehen. Der Bericht betont die theologische Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen“, zitierte Wolf das Matthäusevangelium.
Besondere Aufmerksamkeit galt dem sensiblen Thema Kirchenasyl, dessen Zahl in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen ist. Wolf erinnerte daran, dass es sich dabei nicht um ein rechtsstaatlich normiertes Instrument handele, sondern um eine kirchlich-staatliche Absprache. Inzwischen würde in nur noch 0,5 Prozent der Fälle vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Härtefall anerkannt – ein drastischer Rückgang im Vergleich zu früheren Jahren, wo dies bis zu 70 Prozent betragen habe. Wolf betonte: „Kirchenasyl ist ein fragiles Instrument. Je häufiger es angewendet wird, desto mehr wird es gesellschaftlich in Frage gestellt.“
Krankenhäuser und Gemeinwesenarbeit ebenfalls im Fokus
Neben der Migrationspolitik nahm der Bericht auch die Lage der evangelisch-diakonischen Krankenhäuser in den Blick. Wolf sprach von einer „besorgniserregenden Unterfinanzierung“ und warf der Politik vor, sich auf marktwirtschaftliche Mechanismen zu verlassen. Besonders betroffen seien freie Träger ohne Rückhalt durch öffentliche Haushalte. „Wir brauchen tragfähige politische Entscheidungen zur Sicherung der medizinischen Versorgung, nicht kurzfristige Liquiditätshilfen“, sagte Wolf. Der Ausschuss fordere, die Trägervielfalt zu erhalten und die Investitionsmittel des Landes Niedersachsen spürbar zu erhöhen.
Ein dritter Schwerpunkt des Berichts galt der sogenannten Gemeinwesenarbeit in Kirchengemeinden. Wolf betonte, dass er den Begriff „Diakoniekirche“ für ungeeignet halte. Das Beispiel der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Lüneburg zeige, wie Kirche „nah am Leben der Menschen“ gestaltet werden könne – mit Mittagstischen, Begegnungscafés oder mobiler Seelsorge. „Das Evangelium braucht Gelegenheiten. Diese Gelegenheiten muss Gemeinde schaffen“, so Wolf. Der Ausschuss sehe in der Kirchenkreissozialarbeit eine wichtige Schnittstelle für die Entwicklung solcher Modelle.
Der Diakonieausschuss mahnte dazu, Menschen in Angst und Unsicherheit nicht aus dem Blick zu verlieren, aber gleichzeitig die eigene Haltung aus dem Glauben heraus zu begründen. „Wir müssen Eskalation verhindern und die Demokratie stärken“, so Wolf zum Abschluss seiner Rede.
Synodale Debatte mit klaren Positionen und nachdenklichen Tönen
In der Aussprache betonten Landesbischof Ralf Meister, Diakonie-Vorstandsvorsitzender Hans-Joachim Lenke sowie Mitglieder der Synode die bleibende Bedeutung dieser humanitären Praxis – trotz wachsender Herausforderungen.
„Ich freue mich, dass es noch 2.000 Kirchenasyle bundesweit gibt“, sagte die Synodale Uta Giesel (Sprengel Hildesheim-Göttingen). „Aber es ist zunehmend schwierig geworden.“ Gleichzeitig sei die Zahl der Anfragen hoch, geeignete Räume jedoch rar. „Es tut immer weh, dann abzusagen“, so Giesel. Kirchenasyl bedeute oft auch neue Formen ehrenamtlichen Engagements: „Auch das ist ein Anfang im Glauben.“
Landesbischof Ralf Meister betonte die doppelte Verwurzelung des Kirchenasyls: „Kirchenasyl ist gegründet auf einen zutiefst christlich-geprägten Rechtsstaat“, zugleich brauche es die enge Abstimmung mit der Politik. Die Zusammenarbeit vor Ort sei jedoch unterschiedlich ausgeprägt.
Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie Niedersachsen, warnte vor einer politischen Instrumentalisierung: „Wer aus einem Land flieht, tut das aus erlebter Not.“ Kirchenasyl sei ein „wesentliches Instrument im individuellen Ausnahmefall“, ein Anstieg der Fälle müsse aber kritisch reflektiert werden.
Eine geplante Verlängerung der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren auf 18 Monate könnte laut Giesel das faktische Ende des Kirchenasyls bedeuten. „Dann können wir nicht mehr helfen.“ Wolf ergänzte: „Kirchenasyl kann nur gelingen im guten Miteinander vor Ort.“