Das Bild zeigt eine schwarzweiße Zeichnung eines zweigeschössigen Gebäudes in klassizistischem Stil.

Die Gründung des Kirchenkonsistoriums vor 150 Jahren

„… nicht wider einander, sondern mit einander wirken!”

Eine revolutionäre Idee

Konsistorialbezirke

1815 erhielt das Kurfürstentum Hannover auf dem Wiener Kongress neue Territorien und wurde Königreich. Fortan gab es im Land mehrere Konsistorialbezirke mit unterschiedlichen Rechten, Bekenntnissen und Verwaltungsstrukturen. Dies hatte große Nachteile: z. B. konnten Pastoren ihren Konsistorialbezirk nicht wechseln, da sie regional unterschiedlich ausgebildet wurden. Doch niemand dachte zunächst an Veränderungen.

Die Konsistorialbezirke im Königreich Hannover 1848 – 1866

Landesverfassungsgesetz 1840

Erst 1833 trat unter König Wilhelm IV. eine neue, liberale Verfassung in Kraft. Sie machte aus der absolutistischen eine konstitutionelle Monarchie. Damit wurde auch die enge Verbindung von Kirche und Staat aufgehoben und die Kirchen im Königreich Hannover erhielten ein eigenes Verfassungsrecht.

Im November 1835 lag der Entwurf für eine „Kirchenvorstands- und Synodalordnung” vor, die für die evangelischen Kirchen im Königreich Hannover eine einheitliche Synodalverfassung geschaffen hätte. Doch der Tod König Wilhelms IV. am 20. Juni 1837 verhinderte ihre Ausführung. 1 Sein Nachfolger, König Ernst August, war streng konservativ. Er hob das liberale Staatsgrundgesetz auf und ersetzte es 1840 durch das „Landesverfassungsgesetz”. Dieses bestätigte zwar die verfassungsmäßigen Rechte der Kirchen, jedoch nur im Rahmen der „obrigkeitlichen Ordnung”.

Die Konsistorialbezirke im Königreich Hannover 1848 – 1866

Gesetze und Verordnungen. an denen das Landeskonsistorium Hannover mitwirkte: (Auswahl)

1866 - Verteidigung der hannoverschen Landeskirche gegenüber Preußen, Überleitung des Kirchenregiments vom hannoverschen auf den preußischen König

1868 - Neuordnung d. pfarramtlichen Prüfungswesens Gründung des Allgem. ev.-luth. Kirchenfonds

1869 - Durchführung der ersten Landessynode

1870 - Pfarrergesetz

1876 - neue Trauungsordnung

1883 - Gesangbuch f. d. Hannoversche Landeskirche

1889 - Gottesdienstordnung zum Hauptgottesdienst

1891 - Gründung des Predigerseminars Erichsburg

1895 - Gottesdienstordnungen Taufe und Konfirmation

1900 - Pfarreinkommensgesetz, Ruhegehaltsordnung; landesweit einheitliche Agende


In den Mühlen der Verwaltung

Eine grundlegende Neuorganisation der Kirchenverwaltung und die Einführung einer Synodalverfassung waren unter den konservativen Königen Ernst August und Georg V. nicht möglich. Immerhin wurde über ein übergeordnetes Oberkonsistorium nachgedacht:

1851 lag ein erster Entwurf für eine Verordnung zur „Errichtung eines Oberconsistoriums” vor. Er wurde sehr kontrovers diskutiert. Die Hauptsorge des Königs war die Einschränkung seiner Rechte als „Summus Episcopus”. Zahlreiche Schriften wurden zu dieser Frage verfasst. Da der Staatsrat nur einmal im Jahr zu diesem Thema beriet und auch der König keinen Wert auf eine Beschleunigung legte, zog sich das Gesetzgebungsverfahren hin.

Ab 1859 versuchte Kultusminister Friedrich v. Bothmer, das Verfahren voranzutreiben. Als 1861 endlich ein konsensfähiger Verordnungsentwurf vorlag, war dieser auf die größtmögliche Wahrung der aktuellen Rechtsstände ausgelegt: Die neue Behörde sollte möglichst wenig verändern, kaum auffallen und am wenigsten in die Herrschaftsrechte des Königs eingreifen!

Zur Beratung des Entwurfes tagte vom 26. April bis 1. Mai 1861 ein Konzil. Es beschloss die Verordnung und den Namen „Landeskonsistorium”, beides wurde vom anwesenden König laut Protokoll auch mündlich genehmigt – doch bevor die Verordnung ausgefertigt und offiziell verkündet werden konnte, starb Kultusminister v. Bothmer am 21. Dezember 1861 – und Georg V. ließ das Gesetzgebungsverfahren sofort fallen.

König Georg V.

Ein hannoverscher Aufstand

Stattdessen beabsichtigte der König, das Land auf andere Weise kirchlich zu vereinen: Am 14.April 1862 verordnete er die landesweite Einführung eines neuen, orthodox-lutherisch geprägten „Landeskatechismus”. Doch eine Verordnung in Glaubensfragen stieß in der Bevölkerung und bei den vielen liberal gesinnten Geistlichen auf großen Widerstand.

Es kam im Zuge des „Katechismus- Streits” zu Tumulten und Aufständen in Hannover und anderen Städten. Georg V. musste die Verordnung des Landeskatechismus zurücknehmen. Durch ihren Erfolg vereinigt und bestärkt forderten die liberalen Kräfte im Land nun auch offen mehr Mitbestimmung in der Kirche.

Die Pläne einer Synodalverfassung von 1849 wurden wieder aufgegriffen und es wurde für 1863 eine Vorsynode einberufen.

Als am 9. Oktober 1864 die „Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die evangelisch-lutherische Kirche des Königreichs Hannover” als erste, einheitliche Kirchenverfassung für das ganze Königreich Hannover eingeführt wurde, sah sie in § 57 auch die Errichtung eines Landeskonsistoriums vor.

Im Dezember 1865 lag ein neues Konzept zum Landeskonsistorium vor. Im Gegensatz zu dem vom König geplanten Oberkonsistorium, war es eine rein kirchliche Behörde, die zwar dem Kultusministerium formell unterstand, in den ihr übertragenen Aufgaben aber selbstständig entschied.

Am 17. April 1866 erließ Georg V. schließlich die „Verordnung, die Einrichtung eines evangelisch-lutherischen Landes-Consistoriums betreffend”. Damit war das Landeskonsistorium formal beschlossen und sollte am 18. Juni 1866 offiziell den Geschäftsbetrieb aufnehmen.

Karl Lichtenberg (1816-1883), Präsident des Landeskonsistoriums von 1866 bis 1883.

Die Preussen kommen

Doch am 16. Juni 1866 fielen die Truppen des preußischen Königs Wilhelm ins Königreich Hannover ein. Der hannoverschen Regierung war klar, dass eine dauerhafte Vereinnahmung des Landes durch Preußen geplant war. Für die hannoversche Kirche würde dieses den unvermeidlichen Anschluss an die preußische Unionskirche bedeuten. Um das zu verhindern und die Kirche in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen, mussten Fakten geschaffen werden.

In der Nacht vom 16. auf den 17. Juni 1866, als der König Hannover verlassen hatte und die preußischen Truppen für den nächsten Tag erwartet wurden, rief der Kultusminister v. Hodenberg die designierten Konsistorialräte zusammen und installierte mit einer Ansprache das Landeskonsistorium zwei Tage früher als geplant. Die bereits vorbereiteten Schriftstücke wie z. B. die „Provisorische Geschäftsordnung“ wurden handschriftlich vom 18. auf den 16. Juni zurückdatiert. Der Schachzug ging auf: Da Preußen die bestehenden Verwaltungsstrukturen in neubesetzten Gebieten anfangs möglichst wenig antastete, konnte das Landeskonsistorium seine Arbeit aufnehmen.

Als der Anschluss an die preußische Union gefordert wurde, beriefen sich die Hannoveraner auf ihre verfasste, funktionierende Kirchenverwaltung und konnten – auch Dank des guten Willens Bismarcks – dem Anschluss entgehen. So blieb, nicht zuletzt durch die Existenz des Landeskonsistoriums, die hannoversche Kirche als eigenständige lutherische Landeskirche bis heute erhalten. Auch in der Folgezeit war die kirchliche Eigenständigkeit ein wichtiges Mittel der Abgrenzung zu den weitgehend unbeliebten preußischen „Besatzern”. Noch bis zum Ende des deutschen Kaiserreiches gab es in vielen Teilen der Bevölkerung große Vorbehalte gegen Preußen und die unierte Kirche.


Die Arbeit des Landeskonsistoriums

In den Folgejahren entstanden unter Aufsicht des Landeskonsistoriums viele wichtige Rechtsnormen, die die bisher regional unterschiedlichen Gepflogenheiten vereinheitlichten. Dieses war nötig, um auch der wachsenden Migrationsbewegung im 19.Jh. gerecht zu werden:

  •     Pastoren konnten nun in der gesamten Landeskirche eingesetzt werden;
  •     Gemeindemitglieder, die im Zuge der Industrialisierung ihre Heimatgemeinden verließen, fanden in anderen Gemeinden vertraute Riten und einheitliche Glaubensgrundlagen und behielten ihre geistliche Heimat.

1885 und 1903 gab es umfangreiche Neuordnungen der hannoverschen Kirchenverwaltung. Die Schulaufsicht ging an die Zivilbehörden. Die Provinzialkonsistorien wurden, mit Ausnahme von Hannover und Aurich, aufgelöst. Das Landeskonsistorium erhielt weitere Kompetenzen vom preußischen Kultusministerium, wurde von diesem aber nie, wie gehofft, unabhängig.

Eine neue Verfassung

1918 endete mit dem Sturz der Monarchie in Deutschland auch das landesherrliche Kirchenregiment über die evangelischen Kirchen. Hannover gehörte auch nach dem Ende des Kaiserreiches politisch zu Preußen. Die Weimarer Reichsverfassung ordnete jedoch an: „Es gibt keine Staatskirche, jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig.” Darauf berief sich die hannoversche Landeskirche – und war erfolgreich. Am 6. Dezember 1921 übernahm das Landeskonsistorium alle Aufgaben, die bisher noch beim Kultusministerium in Berlin verblieben waren. Damit war die Landeskirche Hannovers faktisch selbstständig.

Am 20.12.1922 wurde eine neue Kirchenverfassung verabschiedet, die eine pluralistische Kirchenleitung aus mehreren Organen, darunter Landesbischof, Kirchensenat, Landeskirchentag (Synode) und Landeskirchenamt, installierte.

Als diese Kirchenverfassung am 1. November 1924 in Kraft trat, endete die Arbeit des Landeskonsistoriums. Es wurde, wie die verbliebenen Provinzialkonsistorien, aufgelöst und seine Aufgaben dem Landeskirchenamt Hannover übertragen.

Gesetze und Verordnungen, an denen das Landeskonsistorium Hannover mitwirkte: (Auswahl)

1866 - Verteidigung der hannoverschen Landeskirche gegenüber Preußen, Überleitung des Kirchenregiments vom hannoverschen auf den preußischen König

1868 - Neuordnung d. pfarramtlichen Prüfungswesens Gründung des Allgem. ev.-luth. Kirchenfonds

1869 - Durchführung der ersten Landessynode

1870 - Pfarrergesetz

1876 - neue Trauungsordnung

1883 - Gesangbuch f. d. Hannoversche Landeskirche

1889 - Gottesdienstordnung zum Hauptgottesdienst

1891 - Gründung des Predigerseminars Erichsburg

1895 - Gottesdienstordnungen Taufe und Konfirmation

1900 - Pfarreinkommensgesetz, Ruhegehaltsordnung; landesweit einheitliche Agende

Ministerialgebäude Calenberger Str./Archivstr. 2, Sitz des Landeskonsistoriums von 1885 bis 1924