Startseite Archiv Nachricht vom 05. Mai 2023

Gedichte beginnen, wo Worte fehlen: Poesie und Sprache im Gottesdienst

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„Gedichte beginnen, wo Worte fehlen“, sagte Dr. h.c. Christian Lehnert in seinem Vortrag auf dem Generalkonvent des Evangelisch-lutherischen Sprengels Ostfriesland-Ems. Auf Einladung von Regionalbischof Dr. Detlef Klahr kamen 160 Pastorinnen und Pastoren zu ihrem jährlichen Treffen mit Regionalbischof Klahr und Landesbischof Ralf Meister in die Johannes a Lasco Bibliothek und zu einem Abendmahlsgottesdienst in die Martin-Luther-Kirche nach Emden. Musikalisch gestaltet wurde die Veranstaltung von Kirchenmusikdirektor Johannes Geßner.

Landesbischof Ralf Meister sprach in seinem Bericht von einer Zeit des Übergangs. Regionalbischof Klahr sei mit seiner Nahbarkeit und seinem Charisma ein Segen für diesen Sprengel und die Landeskirche. Am 27. August 2023 werde Klahr vom Landesbischof in Emden von seinen Aufgaben als Regionalbischof entpflichtet und in den Ruhestand verabschiedet. Danach werde es eine Zeit der Vakanz geben. Die Nachfolge stehe noch nicht fest.

In einer Zeit des Übergangs befinde sich auch die Landeskirche insgesamt. Das zeigten die begonnenen Zukunftsprozesse und auch die Fusionen von Kirchengemeinden und Kirchenkreisen. Bei schwindenden Mitgliederzahlen und weniger werdenden Finanzmitteln gelte es, neue Strukturen zu finden. Dabei sollten aber das Wesentliche und Ursprüngliche, der Geist Gottes und seine inspirierende Kraft, nicht aus dem Blick verloren werden, so Meister.

„Mit rasenden Schritten verändert sich die Welt und mit ihr unsere Kirche. Gefühlt hat sich in den letzten drei Jahren so viel verändert wie die 30 Jahre davor nicht“, sagte Regionalbischof Klahr. Seinen letzten Generalkonvent zum Thema „Poesie und Sprache“ stattfinden zu lassen, sei ihm ein Herzensanliegen gewesen, so Klahr. „In meinem Leben hat die Dichtung eine große Rolle gespielt. Sie hat meinen Glauben geweitet und mir in schweren Lebensphasen Worte verliehen, als mir die Worte fehlten“, sagte Klahr. „Die Sprache des Glaubens ist die Poesie. Sie hat mir stets den Horizont erweitert.“

„Worte können uns und die Welt verändern. Sie erweitern unsere Wirklichkeit und schenken uns einen Seinszuwachs. Das verbinde die Poesie und die Sprache im Gottesdienst, sagte der Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) bei der Theologi­schen Fakultät der Universität Leipzig. Der Dichter und Theologe Christian Lehnert gab in seinem Vortrag zum Thema „Grenzen der Sprache. Über Poesie und Liturgie“ einen  Einblick in die Kraft der Sprache und verwies zugleich auf die Bedeutung von Gottesdienst und Predigt. Die Kraft der Poesie bestehe in der geheimnisvollen Gefolgschaft von Wirklichkeit auf das Wort. Der Welt liege ein Sprachgeschehen zugrunde und wir selbst seien darin schöpferisch, so Lehnert.

In den ersten zwanzig Jahren seines Lebens prägte den 1969 in Dresden Geborenen die politische Sprache der ehemaligen DDR, als sich Sätze „wie schwere Masken über das eigene Denken legten“. „Ich habe die Sprache früh als gewalttätigen Organismus erlebt. Ich war sicher wie in einem Panzer in fremden Worten und zugleich eingeengt“, so Lehnert. Da habe er die befreiende Kraft der Poesie erlebt. Sie schaffe eine Wirklichkeit, die es vorher nicht gebe, verbinde Sagbares und Unsichtbares, lade sich mit einer neuen Bedeutung auf.

„Die poetische Sprache ist lebendig, kriecht wie eine Amöbe“, sagte Lehnert. „Wenn die Predigthörer nicht mehr unterscheiden, was in sie hineinkommt und was aus ihnen hinausgeht, dann wird das Sprechen zum Hören.“ Eine Predigt solle die Hörerinnen und Hörer zu eigenem Denken anregen. Wahr würden die Sprechakte im Gottesdienst als Bewegungsform. Auch machte Lehnert darauf aufmerksam, dass ein betender Mensch die Unzulänglichkeit seiner Worte spüre.

Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Ostfriesland-Ems