Startseite Archiv Nachricht vom 23. Februar 2023

Gehörlosen-Seelsorgerin: Welt der Hörenden ist oft rücksichtslos

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Hannover. Nach Ansicht der evangelischen Gehörlosen-Seelsorgerin Christiane Neukirch aus Hannover fehlen in Deutschland nach wie vor in vielen Bereichen Angebote in Gebärdensprache. Diese hätten zwar zugenommen, betonte die Beauftragte für Gebärdensprachliche Seelsorge in der hannoverschen Landeskirche im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Doch es fehlt an Dolmetschern und Dolmetscherinnen.“ Die 65-jährige Theologin wird Ende Februar nach mehr als 20 Jahren in der Gebärdensprachlichen Seelsorge aus ihrem Amt verabschiedet.

Im Zuge der Inklusion würden viele der Dolmetscherinnen und Dolmetscher in Schulen eingesetzt, erläuterte Neukirch. „Da man sich dabei immer gegenseitig ablöst, braucht es zwei Dolmetschende pro Kind. Das bindet Kräfte.“ In der kirchlichen Seelsorge mache sich dies zum Beispiel bemerkbar, wenn sie innerhalb der Woche Dolmetschende für Trauerfeiern suche.

Neukirch selbst ist über einen Kollegen zur Seelsorge in der Gebärdensprache gekommen. „Das hat mich von Anfang an sehr fasziniert“, sagte die Pastorin. Diese Sprache sei ganzheitlich. „Es kommt zum Wort die Mimik hinzu, die Bewegung der Hände, die ganze Körpersprache. Alles fließt zusammen. Ich kann dann nicht gleichzeitig das eine sagen und etwas anderes meinen.“ In der hannoverschen Landeskirche laute die Bezeichnung des Arbeitsfeldes deshalb aus gutem Grund nicht Gehörlosen-Seelsorge, sondern Gebärdensprachliche Seelsorge.

Zu den Gemeinden zählten nicht nur gehörlose Menschen, deren Sprache die Gebärdensprache sei, sagte Neukirch. Hinzu kämen schwerhörige Menschen und Ertaubte, die einmal hören konnten, sowie Freunde und Verwandte dieser Menschen, die alle ebenfalls Gebärdensprache sprächen. „Das Ganze ist also umfassender.“ Zudem gehe es darum, im Namen des Arbeitsfeldes nicht ein Defizit – gehörlos – zu benennen, sondern die Kompetenz der Menschen: „Sie können gebärden.“

Gehörlose Menschen wollten deshalb auch nicht taubstumm genannt werden. „Denn sie sind nicht stumm. Sie haben ihre eigene Sprache.“ Auch weil diesen Menschen die Gehörlosigkeit nicht angesehen werden könne, gingen die Hörenden als große Mehrheit der Gesellschaft mit ihnen vielfach rücksichtslos um, sagte Neukirch. Es sei vielen gar nicht bewusst, was tauben Menschen abverlangt werde. Dies gelte in vielen Alltagsbereichen wie etwa bei Bahnhofsdurchsagen. Für Gehörlose sei es oft nahezu unmöglich mitzubekommen, wenn ein Zug auf einem anderen Gleis ankomme.

epd-Gespräch: Karen Miether