Startseite Archiv Nachricht vom 12. November 2022

Ökumenischer Gedenkgottesdienst für verstorbene Obdachlose

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„Unvergessen“ – unter diesem Leitwort haben die christlichen Kirchen zusammen mit der Diakonie und der Caritas Verstorbenen der Wohnungshilfe und anonym Bestatteten gedacht. Die Andacht wurde im Garten des Caritas-Treffpunktes für Obdachlose gefeiert.

49 Kerzen wurden entzündet und auf ein aus roten Tüchern gestaltetes Kreuz auf den Boden gelegt. Leichter Wind, Laub weht über das Kreuz, manche Kerzen flammen nur kurz auf und verlöschen wieder. „Fast schon symbolisch“, sagt Caritas-Sozialarbeitern Ramona Pold.

Zusammen mit ihrer Diakonie-Kollegin Jessica Bosse hat sie 49 Namen vorgelesen: Tom, Volker, Mike, aber auch Thadeus und Krzysztof, Anke und Cornelia. 49 obdachlose Menschen, die im vergangenen Jahr verstorben sind. „Zumindest die, von denen wir wissen“, meint Ramona Pold. Es werden mehr sein.

Die Dunkelziffer ist hoch. Ein Name wurde bereits handschriftlich von einer Mitfeiernden ergänzt. Obdachlose Menschen sterben einsam: „Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an sie hochzuhalten, für jeden und jede eine Kerze zu entzünden.“ Ein Moment der Erinnerung nur. Aber ein Moment, der ewig wirkt.

„Was heißt das, wenn ein Mensch plötzlich nicht mehr da ist“, fragt Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes in einer kurzen Ansprache: „Man hat zusammen Platte gemacht, Kaffee getrunken im Tagestreffpunkt der Caritas oder im Diakonie-Laden Mecki, hat vielleicht zusammen in einer Notunterkunft übernachtet.“ Und dann ist der Mensch nicht mehr da, tot. „Es gibt keine Chance Abschied zu nehmen, es gibt kein Gedenken“, mahnt Müller-Brandes: „Selbst die Trauer ist obdachlos.“

Natürlich werden die Verstorbenen beerdigt, von „Amts wegen“, wie es im Verwaltungsdeutsch: „Gut, dass es gemacht wird, aber die Bestattungen sind nun einmal lieblos, weil die Kosten eine Rolle spielen.“ Anonym, nach Einäscherung, ohne Angehörige, ohne Vertreter*innen von Kirchen auf dem letzten Gang. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier sind und eine Andacht feiern“, betont Müller-Brandes.

„Gott vergisst nicht“, macht auch Propst Christian Wirz deutlich. Dabei spielt es keine Rolle, wo ein Mensch gestorben ist, das gelte auch für die Straße: „Die Erinnerung gibt ihnen die Würde zurück, die ihnen im Leben nicht selten abgesprochen wurde.“

Musikalisch wird die Andacht vom "ChorWerk Hannover“ gestaltet. Seine Mitglieder sind (ehemals) wohnungslose oder von Armut betroffene Menschen. Sie singen das, was sie erlebt erleben. Im „Halleluja“ (= Lobet Gott) von Armut und Alkohol, von Drogen und Gewalt. Oder im zweiten Lied von dem, was obdachlose oder arme Menschen im zweiten Schritt kaputt macht: von Einsamkeit, vom Gefühl, von der Gesellschaft vergessen und verachtet zu werden. Im Leben wie im Tod.

Für Sozialarbeiterin Ramona Pold ist diese Andacht daher ein „starkes Zeichen gegen das Vergessen“. Auch wenn manche Kerzen durch den Wind wieder verlöschen.

Rüdiger Wala/Bistum Hildesheim