Startseite Archiv Nachricht vom 04. Februar 2022

Mit Bibelworten, Demonstrationen und der Aufforderung zum Gespräch - Wie sich Kirchengemeinden mit Gegnern der Corona-Politik auseinandersetzen

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Hildesheim, Verden, Peine. Rund 50 Paare haben sich schon gefunden. Der evangelische Kirchenkreis Hildesheim will Impfskeptiker und Geimpfte, Gegner und Befürworter der Corona-Politik miteinander ins Gespräch bringen. Sie konnten sich per Mail bewerben und mussten ein paar Fragen beantworten. „Die erste Lehre aus den Rückmeldungen ist, dass es kein Schwarz und Weiß gibt. Die Positionen sind gar nicht einfach einzuteilen“, sagt der evangelische Superintendent Mirko Peisert, der die Gesprächsbörse initiiert hat. So gebe es auch den Ungeimpften, der die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung befürworte.

Wie Peisert will auch ein Bündnis in Osnabrück angesichts anhaltender Proteste für gegenseitigen Respekt in der Debatte über die Corona-Politik werben. Zugleich sind vielerorts die Kirchen an Demonstrationen beteiligt, die den sogenannten „Spaziergängern“ etwas entgegensetzen wollen. Auch die Kirchen sehen sich durch die Corona-Proteste herausgefordert und ringen um den richtigen Umgang. Am vergangenen Montag hat ebenfalls in Hildesheim die evangelische Andreasgemeinde wieder Botschaften an ihre Kirchenmauern projizieren lassen. „Impfen statt schimpfen“, zählt Gemeindepastor Axel Kawalla auf: „Ich bin so frei mit FFP2“ und das Bibelwort „einer trage des anderen Last“.

Im Dezember hatten sich in Hildesheim Gegner der staatlichen Corona-Politik bei ihrem montäglichen „Spaziergang“ auf dem Kirchplatz von St. Andreas versammelt. In der Folge gründete sich das Bündnis „Unsere Stadt hat Querdenken satt“, das seitdem Demonstrationen für den Montag angemeldet hatte. „Wir wollen unseren Platz selbst besetzen“, sagt Kawalla. Für ihn bedeutet das auch, Position zu beziehen gegen Ansichten, die er für unsolidarisch hält.

Wie in Hildesheim haben sich andernorts Bündnisse gegründet, die auch mit kirchlicher Beteiligung Gegendemonstrationen organisieren. Teils fanden sich auch bestehende Zusammenschlüsse von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und weiteren Organisationen wieder zusammen, die sich bereits früher in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten gegründet haben. Laut Polizei finden sich regelmäßig Rechtsextremisten bei den Corona-Protesten. Unter anderem hat in Peine das bestehende Bündnis beschlossen, den „Montagsspaziergängen“ ein Zeichen entgegen zu setzen, sagt der Peiner Superintendent Volker Menke.

Menke und seine Stellvertreterin Marion Schmager sind nach Reden bei den Demonstrationen bedroht worden. „Meine Stellvertreterin hat einen Brief bekommen, unterschrieben mit Sophie Scholl“, berichtet er. Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen waren auch deshalb vielfach in die Kritik geraten, weil sie sich mit NS-Widerstandskämpferinnen wie Sophie Scholl verglichen haben. Menke selbst sah sich Angriffen in einer lokalen Facebook-Gruppe ausgesetzt, deren Administrator seinen Rücktritt forderte: „Sie sind eine Schande für die Kirche. Sie betreiben Hetze gegen Andersdenkende“, zitiert er: „Ich hoffe, unserem Superintendenten Dr. Menke wird bald das Handwerk gelegt.“

Auch mit Impfkampagnen ergreifen manche Kirchenkreise und Gemeinden Position und die Reaktionen sind teils heftig, wie im Kirchenkreis Verden, der mit großformatigen Bannern an Kirchen mit der Aufschrift „Impfen ist Nächstenliebe“ wirbt. In der Nacht zum Donnerstag haben unbekannte Täter eines der Banner zerschnitten. „Das ist zum einen eine Sachbeschädigung, die zur Anzeige führt. Zum anderen muss es wohl gedeutet werden als eine Stufe der Eskalation in der Auseinandersetzung um das Thema Impfen gegen Corona“, sagt Pastor Marko Stenzel von der betroffenen St. Johannis-Gemeinde.

Am Sonnabend will das neue Osnabrücker Bündnis „Demokrat_innen für den Respekt“ in der Innenstadt das Gespräch suchen. In Osnabrück demonstrieren seit Wochen jeweils sonnabends an die 2.000 Menschen mit zum Teil hetzerischen Wortbeiträgen gegen die Corona-Politik. Was die Dialog-Partnerinnen und -Partner in Hildesheim besprechen, wird unter ihnen bleiben, sagt Superintendent Peisert. „Für manche ist es wichtig, dass es vertraulich ist.“

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen

Der Kirchenkreis Lüneburg hat ebenfalls ein Gesprächsformat entwickelt: Ohne Öffentlichkeit, in einer kleinen Gruppe, nach festen Regeln. So könne ein Versuch gestartet werden, trotz der Herausforderungen der Pandemie im Austausch zu bleiben, erklärt Superintendentin Christine Schmid. „Das Corona-Virus greift nicht nur unsere Gesundheit an, es vergiftet nicht selten auch unser Miteinander. Position zu beziehen ist gut. Aber nur übereinander und nicht miteinander zu reden, spaltet. Dagegen hilft zuhören und reden.“ Gemeinsam mit einem kleinen Team hat sie ein Format entwickelt, in dem Menschen am Rande der Montagsdemonstrationen miteinander ins Gespräch kommen können.

Hintergrund sind die Demonstrationen, die seit einigen Wochen am Lambertiplatz stattfinden und bei der sich Menschen mit gegensätzlichen Meinungen zum Impfthema gegenüberstehen. Der evangelische Kirchenkreis ist dabei Teil des Bündnisses für ein solidarisches Lüneburg. „Wir sind überzeugt: Position beziehen ist gut. Zugleich sehen wir, dass wir über das reine Gegeneinander hinaus auch Möglichkeiten der echten Zwiesprache brauchen. Schließlich wollen wir in unserer Stadt auch zukünftig gut miteinander leben“, so die Superintendentin.  

Zu den geplanten „Lüneburger Dialogen 2022“ lädt das Team mit Pastor Johannes Link, Pastorin Dr. Barbara Hanusa, Pastor Eckhard Oldenburg und Pastorin Annegret Bettex ab Montag, 14. Februar 2022, um ca. 19.15 Uhr ein. Infos dazu werden am Lambertiplatz gegeben. 

Wer Interesse oder Fragen hat, kann die Gruppe unter dialoge@kirchenkreis-lueneburg.de erreichen, eine Anmeldung ist jedoch nicht nötig.

Tina Hueske/Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Lüneburg