Startseite Archiv Nachricht vom 08. Dezember 2021

Bischof Adomeit: Persönliche Gespräche schützen vor Spaltung

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Oldenburg (epd). Einschränkungen für Geimpfte, Proteste gegen Corona-Maßnahmen - manch einer befürchtet in der Coronakrise eine Spaltung der Gesellschaft. Der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit wirbt dafür, mit anderen im Gespräch zu bleiben. Adomeit, der auch Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen ist, betont im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) zudem, er nehme vor allem Solidarität und ein Zusammenspiel gesellschaftliche Kräfte wahr.

epd: Herr Adomeit, in der Pandemie nimmt unter anderem durch 2G-Regelungen im Einzelhandel der Druck auf Ungeimpfte zu. Welche gesellschaftlichen Verwerfungen beobachten Sie?
Thomas Adomeit: Zunächst einmal beobachte ich vor allem eines: Seit Beginn der Pandemie gibt es eine beeindruckende Solidarität. Menschen in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft im Dorf oder Stadtteil unterstützen sich, sind ganz praktisch füreinander da. Und bei allen Diskussionen: Dieses Einstehen füreinander gibt es auch jetzt noch. Nur läuft diese gute Zusammenarbeit meist geräuschloser ab als die lautstarken Proteste auf der Straße mit zum Teil klar zu verurteilender Menschenverachtung, stellenweise sogar Gewalt. Was bei den einen Verunsicherung und noch viel zu viele offene Fragen sind, gerät bei den anderen zur fatalen Projektion: Sie machen die Corona-Regelungen verantwortlich für alles, was ihnen ganz grundsätzlich unüberwindbar und beschwerlich erscheint. Und auch die Geimpften müssen wir im Blick behalten: Wer sich an alle Empfehlungen gehalten hat, doppelt geimpft ist, kann dennoch nicht ohne Einschränkungen leben. Masken, teilweise auch Testungen bleiben Teil unserer Wirklichkeit. Die Erwartungen waren andere.
Ob wir jetzt allerdings von einer Spaltung sprechen sollten durch die Unterscheidung von Geimpften und Nichtgeimpften, kann ich nicht so ohne weiteres unterschreiben. Vielmehr sehe ich unser Miteinander als Gesellschaft durch die Erschöpfung, Enttäuschung und Angst nach 21 Monaten der Pandemie stark belastet. Passen wir also aufeinander auf, achten wir auf unsere nächsten Schritte - und gehen wir hoffentlich wieder mehr aufeinander zu.

epd: Sie selbst haben dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen. Wie stehen Sie zur Impfpflicht?
Adomeit: Ich hatte gehofft, dass eine Impfpflicht nicht notwendig ist, weil die Aufklärung, die Kampagnen und die Appelle die Menschen überzeugen. Das ist leider nicht der Fall. Und gerade um die Spannungen in unserer Gesellschaft nicht noch zu vergrößern, brauchen wir die Impfpflicht als ultima ratio - und dürfen gleichzeitig nicht nachlassen, Menschen im direkten Gespräch vom Impfen zu überzeugen und möglichst niedrigschwellige Impf-Angebote bereitzustellen. Meine Beobachtung ist: Die Diskussion um die Impfpflicht wie auch die Regelungen am Arbeitsplatz haben viele Menschen wachgerüttelt und animiert, sich impfen zu lassen. Vielerorts machen sich jetzt auch Kirchengemeinden auf den Weg und stellen ihre Räume für Impf- oder auch Test-Angebote zur Verfügung. Wir sind bei den Menschen - auch hier.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der direkte Kontakt entscheidend ist. Wir müssen auch hier, wo immer es geht, miteinander sprechen, womöglich Ängste wahrnehmen, ihnen begegnen, Argumente austauschen, überzeugen. Das wird nicht immer gelingen, leider, aber es ist trotzdem entscheidend, miteinander im Gespräch zu bleiben. Und: Als Kirchen werden wir auch weiterhin seelsorgliche und gottesdienstliche Angebote machen, die für alle Menschen zugänglich sind.

epd: Wie können die Kirchen zum Miteinander beitragen?
Adomeit: Unsere Stärke liegt in der Fläche: Wir sind fast überall. Wir hören hin, wir vernetzen, leuchten in die dunklen Ecken, die insbesondere in derart belasteten Zeiten allzu leicht übersehen werden - und bieten Hoffnungsräume. Und dies gilt in Niedersachsen für alle Kirchen und Religionsgemeinschaften. Der Gedanke der Nächstenliebe, der uns gerade in der diakonischen Arbeit leitet, zeigt sich in den Gemeinden auf vielfältige Weise: vom Besuchsdienst über die Lernräume für Kinder und Jugendliche bis zu den vielen Angeboten von Lebensberatung - und auch Tafeln und Suppenküchen.

Und so kann eine jede, ein jeder agieren: Mit der unmittelbaren Freundlichkeit dem Nächsten gegenüber beginnen. Bei der höflichen Ansprache, die Maske richtig aufzusetzen. Bei der Ersatzmaske, die man einsteckt für den Fall, dass sie jemandem fehlt in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Beim Mitdenken und -hinsehen, wo sich niedrigschwellige Impfangebote auftun für jene, denen der Piks noch fehlt. Unser gemeinsames Ziel ist, die Pandemie zu überwinden. Wer sich impfen lässt, tut das Richtige. Auch wenn er oder sie es erst jetzt tut.

epd Niedersachsen-Bremen