Startseite Archiv Nachricht vom 08. Februar 2021

Bischof Adomeit im Interview: "Konföderation ist ein Erfolgsmodell"

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Hannover/Oldenburg (epd). Im 50. Jahr ihres Bestehens hat die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit dem Oldenburger Bischof Thomas Adomeit einen neuen Ratsvorsitzenden. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert der Theologe, wie man einen guten Draht zur Landesregierung pflegt, warum die Kirche sich in gesellschaftliche Debatten einbringen muss und was er von einer immer mal wieder diskutierten Fusion der evangelischen Kirchen in Niedersachsen hält.

epd: Herr Adomeit, Sie haben den Ratsvorsitz der Konföderation in außergewöhnlichen Zeiten übernommen. Welche Rolle hat die Konföderation bislang beim Management der Coronakrise gespielt?  

Adomeit: Eine ganz zentrale Rolle, nach innen und nach außen. Für die evangelischen Kirchen in Niedersachsen bietet sie die Chance, angesichts großer gemeinsamer Herausforderungen noch enger zusammenzurücken. Für das Land Niedersachsen wiederum ist sie ein verlässliches Gegenüber, eine Gesprächspartnerin, die klar und konstruktiv mit einer Stimme spricht. Deshalb sind unsere Anliegen gehört worden. Deshalb gelingt es uns, in der Krise bei den Menschen zu sein - auf gewohnten Wegen, aber auch an vielen Stellen mit neuen Ideen und Initiativen.

Wesentliche Aufgabe der Konföderation ist die gemeinsame Interessenvertretung der Kirchen gegenüber der Landesregierung. Wie gestaltet sich die in dieser schwierigen Zeit?

Das Vorgehen in Niedersachsen war sowohl seitens der Kirchen als auch der Landesregierung von Anfang an geprägt von großer Vor- und Umsicht. Die guten Zugänge der Konföderations-Bevollmächtigten etwa in den Corona-Krisenstab, in die Staatskanzlei und in das Sozial- und Gesundheitsministerium haben dazu beigetragen, dass wir stets zielorientiert und geräuschlos zu tragfähigen Absprachen gekommen sind. Dabei stand unsere Verantwortung vor dem Gemeinwesen immer an erster Stelle. Vielleicht waren wir in Niedersachsen deshalb mitunter schneller als andernorts. Als die Bund-Länder-Runde die Abstands- und Maskenpflicht in Gottesdiensten beschloss, konnten wir hier in Niedersachsen nur sagen: Das machen wir doch schon längst so!

Beschränkt sich die Rolle der Konföderation auf das Gegenüber zur Landespolitik?

Sie hat sich weit darüber hinaus entwickelt. Heute, 50 Jahre nach ihrer Gründung, zeigt sich, dass wir das innerprotestantische Gespräch auf eine ungemein offene und vertrauensvolle Ebene gebracht haben. Ich würde behaupten, dass die Konföderation beispielgebend dafür ist, wie man eng verbunden und doch eigenständig protestantische Vielfalt leben und dabei gemeinsam vorankommen kann. Heute bearbeiten wir viele Themen übergreifend. Ich denke dabei etwa an den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht und den Bereich Kirche und Schule insgesamt, an die Erwachsenenbildung, an die Kirche in Polizei und Zoll - um nur einige Felder zu nennen. Aus der engeren Zusammenarbeit ist zugleich tieferes Vertrauen und mehr Offenheit im Umgang miteinander gewachsen.

Wenn die Kirchen der Konföderation ohnehin immer enger zusammenwachsen: Stellt sich dann nicht erneut die schon vor Jahren erörterte Frage nach einer Fusion zu einer "Evangelischen Kirche in Niedersachsen"?

Diese Frage stellt sich immer mal wieder - ohne dass sie derzeit akut wäre. Und sie wird sich sicher auch zukünftig stellen. Ich würde es mal aus dieser Perspektive betrachten: Alles, was unserem wichtigsten Ziel hilft, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein, darf und muss diskutiert werden.

Derzeit nehme ich allerdings wahr, dass in unserer evangelischen Buntheit, in der strukturellen Vielfalt und den unterschiedlichen Größen unserer Kirchen eine große Stärke liegt. Wenn verschieden große Kirchen dafür arbeiten, das Evangelium zu den Menschen zu bringen, ist es aus meiner Sicht völlig in Ordnung, dass sie dafür mitunter unterschiedliche Herangehensweisen verfolgen. Die Perspektive und die guten Ideen der jeweils anderen Kirchen können dann sogar bereichernd sein. Zudem erlebe ich, dass eine Kirche, die in der Region und ihrer gewachsenen Kultur und Landschaft verwurzelt ist, besondere Identifikation bieten kann. Das sehe ich auch bei uns im Oldenburger Land: Viele Menschen hier betrachten sich zuallererst mal als Oldenburgerinnen und Oldenburger. Ihr Bezugspunkt ist zuerst die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg.

Einige Regionen Niedersachsens - etwa Osnabrück, Hildesheim und Vechta - sind durch starke Ökumene geprägt. Ihrem Vorgänger im Konföderationsvorsitz, Ralf Meister, ist das enge Miteinander von Katholiken und Protestanten ein besonderes Anliegen. Wie sehen Sie das?

Das bleibt ein Feld, das wir intensiv beackern müssen. Ohne Schweiß wird das aber nicht möglich sein. Ich erlebe sehr fruchtbare Gespräche mit den katholischen Glaubensgeschwistern, aber ebenso Grenzziehungen, allein schon, weil die katholische Kirche als Weltkirche in dem von Rom vorgegebenen Rahmen agieren muss. Ich sehe dennoch großen Entwicklungsspielraum für die ökumenische Zusammenarbeit. So wäre es beispielsweise lohnend auszuloten, inwieweit die evangelische und die katholische Kirche einander in Diaspora-Situationen gut vertreten können: mit gemeinsamem Religionsunterricht, konfessionsübergreifender Seelsorge und ökumenischen Gottesdiensten. Auch die Frage, ob wir zwei Weltanschauungsbeauftragte brauchen oder ob uns am Ende soviel verbindet, dass wir zu weltanschaulichen Fragen eine gemeinsame christliche Position beziehen können, wäre ein Nachdenken wert.

Inwieweit werden Sie Stellung zu Themen beziehen, die nicht unmittelbar kirchlich sind, aber auf christliche Werte einzahlen?

Ich sehe das absolut als Aufgabe der Konföderation an. Ob wir schweigen oder sprechen - beides wird als Statement wahrgenommen. Deshalb sollten wir auch in Zukunft klar und vernehmbar Stellung beziehen, wenn es um die großen gesellschaftlichen Fragen, um die Lebensthemen der Menschen geht: etwa um Heimat, Flucht und Integration, um Leben und Sterben, um die Bedrohungen durch den Klimawandel, um gerechte Lebensverhältnisse, um Frieden und Gewalt, um Extremismus und Rassismus. Verstecken zählt nicht. Nicht politisch zu sein, ist für mich keine Option!

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Hannover (epd). Die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen entstand 1971 und repräsentiert heute rund 3,3 Millionen Protestanten. Zu ihr gehören die vier evangelisch-lutherischen Landeskirchen Braunschweig (320.000 Mitglieder), Hannover (2,4 Millionen), Oldenburg (397.000) und Schaumburg-Lippe (48.000) sowie die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz in Leer (168.000). Die fünf Kirchen haben sich zusammengeschlossen, um ihre Interessen gegenüber dem Land Niedersachsen gemeinsam zu vertreten und Gemeinschaftsaufgaben wahrzunehmen.

An der Spitze der Konföderation steht ein Rat, in dem jeweils ein leitender Theologe aus einer der Mitgliedskirchen den Vorsitz führt. Zurzeit ist dies der oldenburgische Bischof Thomas Adomeit. Die Geschäftsstelle der Konföderation befindet sich in Hannover.

Einrichtungen der Konföderation sind die Evangelische Erwachsenenbildung, der Kirchliche Dienst in Polizei und Zoll sowie die Publizistik mit dem Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen (ekn) und dem Verband Evangelischer Publizistik Niedersachsen-Bremen, in denen auch die Bremische Evangelische Kirche Mitglied ist. Bevollmächtigte vertreten die Konföderation beim Landtag und in Schulangelegenheiten.

Die Konföderation hat gemeinsame Gesetze über das Mitarbeiterrecht und die Mitarbeitervertretungen verabschiedet, außerdem eine Prüfungsordnung für Theologen. Fragen des Dienstrechts für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelt eine Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission, paritätisch besetzt mit Vertretern von Arbeitnehmern und Dienststellen. Der Rechtshof der Konföderation ist ein eigenes kirchliches Verwaltungsgericht.

www.evangelische-konfoederation.de

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Fünf in einem Boot

Hannover (epd). "Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen sitzen wir in einem Boot - wir müssen es seetüchtig machen." So beschrieb der evangelische Kirchenamtspräsident Johann Frank aus Hannover vor fünf Jahrzehnten die Situation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen. Denn die kirchliche Lage zwischen Ems und Elbe ist vielfältig und mitunter kompliziert: Gleich fünf protestantische Landeskirchen müssen hier ihre Interessen miteinander abstimmen und sie gegenüber dem Land vertreten. Deshalb hoben Frank und andere zum 1. Februar 1971 ein bundesweit einzigartiges Konstrukt aus der Taufe: die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. In diesem Jahr blickt sie auf ihr 50-jähriges Bestehen zurück.

Für den Oldenburger Bischof Thomas Adomeit hat sich Konföderation bewährt: "Für das Land Niedersachsen ist sie ein verlässliches Gegenüber, eine Gesprächspartnerin, die klar und konstruktiv mit einer Stimme spricht." Adomeit hat im Januar von Landesbischof Ralf Meister aus Hannover den Ratsvorsitz der Konföderation übernommen und steht damit künftig an der Spitze, wenn die Protestanten mit der Landesregierung über kirchliche oder gesellschaftliche Themen sprechen. Er will dabei ein deutliches evangelisches Profil zeigen: "Wir sollten auch in Zukunft klar und vernehmbar Stellung beziehen. Verstecken zählt nicht."

Rund 3,3 Millionen lutherische und reformierte Protestanten leben heute in Niedersachsen. Organisiert sind sie in fünf Landeskirchen, in deren Grenzen sich noch weitgehend die Umrisse der alten Länder und Provinzen spiegeln, aus denen 1946 das Land Niedersachsen entstand: Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe. Hinzu kommt die Evangelisch-reformierte Kirche. "Kein Bundesland hat eine vergleichbare Vielfalt vorzuweisen", sagt der Kirchenhistoriker Professor Hans Otte aus Hannover.

Und jede Landeskirche hat ihre ganz besondere Eigenart. Die braunschweigische Kirche im Südosten ist geschichtlich besonders vom Geist der Aufklärung geprägt, Schaumburg-Lippe im Südwesten dagegen von der kirchlichen Erweckungsbewegung. Wie diese beiden ging auch die oldenburgische Kirche im Nordwesten aus einem ehemaligen Fürstentum hervor - bis heute ist sie auf ihre Eigenständigkeit bedacht.

Die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer beruft sich anders als ihre lutherischen Nachbarn auf den Schweizer Reformator Johannes Calvin. Die hannoversche Landeskirche schließlich ist die größte Landeskirche in Deutschland, sie umfasst drei Viertel Niedersachsens. Hier konnten Erweckung, Liberalismus und lutherische Orthodoxie immer nebeneinander existieren.

Immer wieder gab es Versuche, die Kirchen einander anzunähern oder sogar zu fusionieren, erläutert Otte - den ersten gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als sich Kirchen und Länder neu ordneten. Der erste Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) hätte lieber eine einheitliche niedersächsische Kirche gehabt. Doch die Kirchen wollten eigenständig bleiben.

Der zweite Anlauf führte 1955 auf Anregung des Ministerpräsidenten zum Abschluss des "Loccumer Vertrags", des ersten umfassenden Staat-Kirche-Vertrags im Nachkriegsdeutschland. Darin regeln das Land und die fünf Landeskirchen ihre rechtlichen und finanziellen Beziehungen. In Hannover nahm eine gemeinsame Geschäftsstelle der Kirchen ihre Arbeit auf, und zugleich gründeten die Kirchen eine gemeinsame Konferenz.

Ende der 1960er Jahren fand der Gedanke einer verstärkten Zusammenarbeit immer mehr Anhänger. Und so schlossen sich die Kirchen erstmals zur Konföderation zusammen. Vier Jahrzehnte lang versah sie geräuschlos und effektiv ihre Dienste - bis 2009 eine erneute Debatte über die Fusion zu einer "Evangelischen Kirche in Niedersachsen" losbrach. Doch auch diesmal setzte sich am Ende der Wunsch nach Eigenständigkeit durch.

Laut Bischof Adomeit wird sich die Frage nach einem Zusammenschluss auch in Zukunft immer wieder stellen. "Alles, was unserem wichtigsten Ziel hilft, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein, darf und muss diskutiert werden." Er fügt allerdings hinzu: "Derzeit nehme ich wahr, dass in unserer evangelischen Buntheit, in der strukturellen Vielfalt und den unterschiedlichen Größen unserer Kirchen eine große Stärke liegt."

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