Startseite Archiv Nachricht vom 28. Juli 2020

Forum Heersum: Kultur und Nachhaltigkeit über Corona hinaus

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Hildesheim. Im August 2019 ging der mit 10. 000 Euro dotierte Kulturpreis 2019 der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers an das Forum für Kunst und Kultur in Heersum, bekannt für dialogisches Landschaftstheater und ausgezeichnet für seine kulturelle Praxis „von allen für alle“. Knapp ein Jahr später, ausgerechnet zum 30-jährigen Jubiläum, mussten die Heersumer die Proben und das jährlich an verschiedenen Orten stattfindende Sommerfestspiel coronabedingt absagen. Der erste Totalausfall nach dreißig Jahren.

Vor Ort in Wrisbergholzen, dem letztjährigen Aufführungsort südlich von Hildesheim, haben sich Dennis Improda und Dr. Matthias Surall vom Arbeitsfeld Kunst und Kultur im Haus kirchlicher Dienste (HkD) mit dem Preisträger-Team getroffen. Regisseur Uli Jäckle, Geschäftsführer Jürgen Zinke, Pastor Lars Sven Lukas und Ortsbürgermeister Rüdiger Hahne tauschen sich aus über die Nachwirkungen des Kulturpreises, die Auswirkungen von Corona für Kulturschaffende und die Zukunft von Kulturprojekten im ländlichen Raum. Allem voran die Frage: Woran lässt sich kulturelle Nachhaltigkeit von Kunst- und Kulturprojekten im ländlichen Raum festmachen?

Ein Wesenskern der Arbeit des Forums Heersum ist Partizipation. Sie zieht Kreise und hinterlässt sichtbare Zeichen an markanten Orten. Dort, wo im letzten Jahr die finale Szene der Sommersfestspiele spielte, findet sich heute nachhaltig einbetoniert ein fingierter U-Bahn-Schacht. „Dies ist bereits die sechste Station“, freut sich Geschäftsführer Zinke, „und bis 2025 wollen wir den gesamten Landkreis Hildesheim mit diesem U-Bahn-Netz versorgt haben.“ Dabei stehe das Zeichen „U“ weder für Underground noch für Ungläubigkeit, sondern schlicht für Unterhaltung. „Wir wollten die Dörfer miteinander ins Gespräch bringen und das gelingt hier auf wunderbare Weise“, so Zinke.

Gesprächsthemen zu schaffen, die über das Alltägliche hinausgehen und dadurch beständig bleiben, darin sieht Regisseur Jäckle eine wesentliche Wirkung seiner künstlerischen Arbeit. Kulturelle Nachhaltigkeit beruhe auf der gemeinschaftsbildendenden Identifikation, die über die einzelne Veranstaltung hinausgeht.

Wanderpokal als sichtbares Zeichen

Gewichtige Sichtbarkeit erlangt kulturelle Nachhaltigkeit beim Forum Heersum zudem in Form eines Wanderpokals, der an Personen verliehen wird, die sich für das Projekt besonders engagiert haben. 2019 hat Pastor Lukas den Pokal stellvertretend für die gesamte Kirchengemeinde Wrisbergholzen erhalten. Als entgegen der ursprünglichen Planung das Schloss Wrisbergholzen plötzlich nicht mehr zur Verfügung und das Projekt auf der Kippe stand, sprang Pastor Lukas ein. Die Kirche und der Kirchplatz wurden zu besonderen Aufführungsorten der Sommerspiele. Die Bühne und das technische Equipment im Außenbereich konnten im Gegenzug für Gottesdienste genutzt werden.

Der Kulturpreis doppelt nachhaltig

Von der Kirche in Wrisbergholzen zur Kulturpreisverleihung ins Michaeliskloster in Hildesheim – „für uns war das der Start für eine wunderbare Karriere“, erinnert sich Zinke. Dabei habe der Kulturpreis eine doppelte Nachhaltigkeitswirkung. Einmal sei das mit ihm verbundene Renommee nicht zu unterschätzen. In krisenhaften Zeiten jedoch sei ein dotierter Preis für Kulturschaffende von existentieller Bedeutung: „Wenn alle Stricke reißen, haben wir etwas auf der hohen Kante“, mahnt Jäckle.

Durch die Corona-Pandemie und die tiefgreifenden Einschränkungen im künstlerisch-kulturellen Bereich, sei es kaum möglich große Kulturprojekte zu finanzieren. Da reiche es nicht aus, sich etwas Schönes auszudenken, dass man unter den bestehenden Regeln durchführen kann.

Corona: „Auf eigene Faust“ statt „Faust III“

Doch an Ideen und Konzepten für Alternativen mangelt es Jäckle und Zinke nicht. Zum Jubiläum sollte eigentlich „Faust III“ inszeniert werden – der Titel stand, das Plakat war fertig, die Proben hätten beginnen können. Zinke gibt zu: „Wir konnten es lange Zeit nicht glauben, dass man nicht proben kann. Wir haben schon lange tüfteln müssen, um uns von unserer Ursprungsidee zu verabschieden.“

Nun also lautet das Motto stattdessen „Auf eigene Faust“ und darunter verbirgt sich eine Sammlung von kleinen Guerilla-Projekten. Diese sind so konzipiert, dass sie auch unter Shutdown-Kriterien laufen könnten. „Die Mitwirkenden bespielen in der jeweils zulässigen Gruppengröße einzelne Landschaftsbilder“, so Zinke. „Wenn es hart auf hart kommt, verzichten wir komplett aufs Publikum. Dann spielen wir für die Landschaft, spielen in die Wiese und den Acker hinein, als Dank für diese wunderschöne Kulisse, in der wir dreißig Jahre lang inszeniert haben. Und wenn es gut geht, dann vor Publikum.“

Da die Eintrittsgelder die Hälfte des Jahresbudgets ausmachen, wissen alle nur zu gut, dass Spielfreude allein kaum über das laufende Jahr zu tragen vermag. Ohne Kurzarbeitergeld und andere Förderprogramme geht es auch in Heersum nicht. So gilt abschließend der ausdrückliche Dank des Forums dem Landesverband Soziokultur, der bisher beratend zur Seite stand und dafür gesorgt habe, „dass das Forum nicht unter die Räder kommt.“

Das Haus kirchlicher Dienste unterstützt und ergänzt als übergemeindliche Einrichtung die Arbeit der Kirchengemeinden in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Aktuelle Themen und Fragestellungen werden hier aufgegriffen und zentral bearbeitet, so dass die Inhalte für die kirchliche Arbeit vor Ort zur Verfügung stehen. Zu den wesentlichen Aufgaben der Referentinnen und Referenten gehören die Entwicklung und Bereitstellung von Materialien, die Weiterbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen, die individuelle Beratung sowie der inner- und außerkirchliche Dialog.

Öffentlichkeitsarbeit im HkD